Chinesische Händler in Deutschland
Wie läuft's mit Kauf, Reparatur und Wartung?

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Die Autohersteller aus China drängen auf den deutschen Markt. Doch wie und wo etablieren sie ihre Vertriebsnetze? Und wie läuft es für Kunden mit Reparatur, Wartung und Garantie? Ein Überblick.

China Auto
Foto: XiXinXing via Getty Images

Vergleicht man die verschiedenen Strategien, fällt auf, dass sich einige der chinesischen Anbieter durchaus eine ordentliche Scheibe von den Vorgehensweisen der bereits etablierten Hersteller abschneiden. Heißt im Klartext: Sie setzen vor allem auf ein physisches Vertriebsnetz, das so gut ausgebaut ist, dass jeder interessierte Autokäufer bzw. jeder Autobesitzer einen Händler in bequemer Reichweite findet. Doch nicht nur die Erreichbarkeit steht bei den Herstellern aus dem Reich der Mitte im Fokus.

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Eine neue Marke, unabhängig davon, aus welchem Land sie komme, müsse erst einmal Vertrauen aufbauen, heißt es bei BYD in der deutschen Zentrale. Es sei vor allem für Kunden in Deutschland wichtig, das Produkt anfassen zu können und die Menschen zu kennen, die dahinterstehen, sowie gegebenenfalls Vorurteile abzubauen.

Die Chinesen setzen auf bestehende Händlernetze

Der Vertrieb läuft deshalb bei BYD über verschiedene BMW-, Mercedes- und VW-Händler sowie im Großraum Stuttgart über die Hedin-Gruppe, die bei uns den BYD-Vertrieb organisiert. Auch bei Great Wall Motors (GWM), wozu die Marken Ora und Wey gehören, setzt man auf ein Netz unabhängiger und selbstständiger Händler, in Deutschland ist das die Emil Frey Gruppe.

GWM bietet eine sehr breite Auswahl an Vertriebsmodellen – ob klassischen Barkauf, Finanzierung und Leasing oder Online-Bestellung. Ebenso halten es Maxus und MG. Letzterer hat zusätzlich zum Online-Vertrieb, den BYD und GWM ebenfalls bieten, auch Abos im Programm. MG fokussiert sich zudem auf ein Agenturnetzwerk aus Mehrmarken-Autohäusern, an dessen Vertriebspunkten auch immer ein MG-Motor-Exklusiv-Verkäufer zu finden ist. Über die erfolgen laut eigenen Angaben rund 70 Prozent der Verkäufe. "Alle anderen Kanäle sind flankierende Maßnahmen", so ein Sprecher.

Wie viele Händler gibt es?

Was die ideale Anzahl an Autohäusern angeht, ist man sich relativ einig. "Das derzeitige Händlernetz für Ora in Deutschland besteht aus über 150 Händlern. Damit erreichen wir eine kundenorientierte wie auch für den Handel wirtschaftlich sinnvolle Marktabdeckung", erklärt etwa GWM auf Anfrage. Das ergibt größentechnisch auch Sinn, wenn man es mit hiesigen Herstellern wie zum Beispiel VW vergleicht.

Die VW-Handelsgruppe etwa umfasst nach eigenen Angaben mehr als 180 Marken-Repräsentanzen an über 120 Standorten. Ähnlich möchte sich auch BYD aufstellen. Der Hersteller ist seit circa einem Jahr in Deutschland vertreten, hat die Bundesrepublik klassisch in acht verschiedene Regionen aufgeteilt und verfügt aktuell über 14 Verkaufsstandorte. Perspektivisch sollen es 100 werden.

Elaris macht es anders und geht Kooperationen mit bereits etablierten Anbietern ein: Bereits seit Herbst 2022 laufen Vertrieb und Service über 80 Euromaster-Filialen und seit Anfang 2023 auch bei Autohelden, womit für Elaris-Kunden rund 600 Autohäuser zur Auswahl stehen.

Auch bei Aiways rückt ein eigenes Händlernetz in den Fokus. Lief bis Juni 2023 der stationäre Verkauf über die Elektronik-Kette Euronics, so befinden man sich aktuell "im Prozess der Neugestaltung des deutschen Vertriebs", so ein Aiways-Sprecher. Man merke, dass es einen physischen Vertrieb brauche. Der Kunde wolle beraten werden. Die Bestellung könne aber danach online erfolgen.

Ganz anders sehen das etwa Nio und Lynk & Co, die beide vom bekannten Schema abweichen und eine neuartige Richtung einschlagen, die den Schwerpunkt ganz klar auf den virtuellen Vertrieb legt. "Auf Autohäuser verzichtet Lynk & Co bewusst und setzt stattdessen auf Clubs", gibt der Hersteller Auskunft.

Dies seien Orte für die Community zum Zusammenkommen, Co-Worken, Sich-Austauschen oder Kaffeetrinken. Neben Veranstaltungen und Workshops gebe es dort auch die Möglichkeit, den Lynk & Co 01 zu begutachten. Die Clubs sind über ganz Europa verteilt, in Deutschland zählt der Hersteller vier. Man findet sie in München, Hamburg, Berlin und Düsseldorf.

Das Abo als Hauptvertriebsmodell

Dabei steht der Verkauf (Kosten: 46.000 Euro) nicht im Fokus des Herstellers. "Das Ziel von Lynk & Co ist nicht, mehr Autos auf den Markt zu bringen, sondern Autos effizienter und nachhaltiger zu nutzen", so Lynk & Co. Das Hauptvertriebsmodell sei das monatlich kündbare Auto-Abo (600 Euro pro Monat). Außerdem könne jedes Abo-Mitglied sein Auto mit seiner Community teilen und so den monatlichen Beitrag reduzieren.

"Das Abo-Modell wird sehr gut angenommen. In Europa haben wir aktuell fast 50.000 Autos auf der Straße und 220.000 Mitglieder, davon rund 5.000 Fahrzeuge und 30.000 Mitglieder in Deutschland." Deutschland sei damit der drittgrößte Markt nach Italien und den Niederlanden. Außerdem bietet Lynk & Co auch Fahrzeuge im Leasing und als Carsharing an.

Ähnlich aufgestellt ist Nio, ebenfalls mit einzelnen Showrooms, den sogenannten Nio Houses – ähnlich den Clubs von Lynk & Co. Daneben hat Nio in München einen Hub eröffnet, der als einziger vergleichbar mit einem herkömmlichen Autohaus zu sehen ist. Zusätzlich gibt es landesweit acht sogenannte Handover Centers, in denen Kunden ihre Autos abholen können. Der Abschluss eines Abos oder Kaufs erfolgt bei Nio online oder über die herstellereigene App.

Die Fahrzeuge können finanziert werden, Leasing gibt es aktuell nur für Gewerbekunden, das Privatleasing soll aber bald folgen. Dass man ein Auto aber auch vor dem Vertragsabschluss als Kunde gerne einmal fahren würde, haben alle chinesischen Hersteller auf dem Schirm. Es lassen sich, egal ob klassisch in den Autohäusern, online oder auch via App, hierzu Termine vereinbaren, um die Fahrzeuge an den verschiedenen Vertriebsorten in Ruhe kennenzulernen.

Service läuft klassisch

Bei Service und Wartung sind sich die Hersteller ziemlich einig: Man beauftragt die Vertriebspartner, die auch über einen angeschlossenen Service verfügen. Im Fall von Hersteller GWM werden "Wartungen und Reparaturen von allen autorisierten Händlern an über 150 Standorten durch speziell geschultes Personal durchgeführt" – in dem Fall ausschließlich an denen der Emil Frey Gruppe. Aiways hingegen setzt beispielsweise in puncto Wartung und Service komplett auf die freien Werkstätten von ATU, mit denen der Autohersteller laut eigenen Angaben sehr zufrieden ist.

Auch Nio und Lynk & Co greifen hier zum Bewährten und lotsen ihre Kunden zu autorisierten Servicebetrieben, die Wartung und Service durchführen. Nio hat allerdings mit seinem Hub in München darüber hinaus nicht nur einen eigenen Verkaufs- und Servicebetrieb geschaffen. "Wir bieten unseren Usern zudem momentan einen kostenfreien Hol- und Bringservice an, ebenso den ‚Mobile Service‘, der je nach Lage direkt zur Kundin oder zum Kunden vor Ort fährt, das Fahrzeug inspiziert und je nach Notwendigkeiten direkt repariert", so Nio.

Was die Garantien betrifft, lassen sich die chinesischen Hersteller ebenfalls nicht lumpen und liefern ohne Ausnahme Konditionen wie die der etablierten Hersteller. Bleibt nur noch die Frage, ob sie es schaffen, einen qualitativ hochwertigeren Service zu liefern.

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Fazit

Die Hersteller aus dem Reich der Mitte wollen es schlau anstellen und suchen sich in Deutschland Verbündete mit bereits etabliertem Händlernetz. Auch die Strategien Service, Wartung und Garantien kennen wir als deutsche Autofahrer bereits. Ausnahmen bestätigen hier die Regel. Ob die Chinesen sich damit einen Gefallen tun, wird sich zeigen. Denn auch viele hiesige Hersteller könnten sich dahin gehend viel besser aufstellen und performen.

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