Winterreifen-Test 2018
11 Winterpneus (205/55 R16 H) im Vergleich

Der Winter steht bevor. Dauerhaft schneebedeckte Fahrbahnen wird es zwar immer seltener geben, doch Matsch und kalte Nässe bleiben. Dem begegnen die Reifenhersteller mit immer breitbandigeren Produkten. Wir haben 11 aktuelle Winterreifen für mitteleuropäische Winterbedingungen im Test.

Winterreifentest 2018, Fahrversuche
Foto: Ingolf Pompe

Die von uns getesteten Winterreifen sind speziell für gemäßigte Breiten wie Mitteleuropa bestimmt. Hier lassen sie sich fast genauso universell einsetzen wie Ganzjahresreifen. Wie der Allwetterreifen-Test 2018 zeigte, setzen sie sich durch deutlich bessere Wintereigenschaften ab, haben im Vergleich aber auch Nachteile: weniger Reserven auf trockenen Straßen, weniger Sportlichkeit, mehr Verschleiß und mehr Verbrauch. Dafür ermöglichen reine Winter-Pneus aber sicheres Durchkommen bei Schnee und Eis, insbesondere wenn Schneeketten montiert werden müssen. Das ist nämlich bei vielen Kompaktmodellen nur mit vergleichsweise schmalen Reifengrößen, wie der getesteten 205er-Dimension, möglich. Sind etwa, wie im vorangegangenen Allwetterreifen-Test, breite 225/45-R-17-Reifen montiert, finden die stählernen Traktionsreserven nicht genügend Platz im Radhaus und können so nicht weiterhelfen.

Sicher bei Schnee und Matsch

Im Winter also 205er. Wir haben 11 solcher Reifenmodelle gestestet. Mit dabei sind bekannte Markenprodukte wie etwa von Michelin oder Continental sowie preiswertere Alternativen von Giti oder Kumho. Hier die Testergebnisse mit Stärken und Schwächen der einzelnen Reifen, beginnend mit dem Testsieger:

Continental WinterContact TS 860 (Testsieger)

 Auf Schnee gut kontrollierbar
 Perfekt aufs Fahrzeug-ESP abgestimmt
 Überragende Nässeperformance
 Aktiv, aber sicher auf trockenen Pisten
 Auf Schnee recht spitzer Traktionsabriss, jedoch gute Lenkwinkelreserven


Fazit: Sehr empfehlenswert (9,1 Punkte)

Goodyear Ultra Grip 9

 Gute Traktion, aber schwache Seitenführung auf Schnee
 Präzise und leicht beherrschbar auf Nässe wie auf trockener Strecke
 Wenig ausgewogenes Fahrverhalten auf Schnee
 Missverhältnis zwischen Längs- und Quergrip
 Trocken fehlt etwas Seitenführung


Fazit: Empfehlenswert (8,2 Punkte)

Nokian WR D4

 Beste Performance auf Schnee: präzise, leicht beherrschbar und verlässlich
 Akzeptabel auf trockenem Asphalt
 Niedrigster Rollwiderstand
 Defizite auf Nässe, speziell beim Nassbremsen
 Etwas poltrig


Fazit: Empfehlenswert (8,1 Punkte)

Hankook i’cept RS2

 Sehr verlässlich, präzise und traktionsstark auf Schnee
 Sicher und leicht beherrschbar auf Nässe
 Ebenso sichere Untersteuertendenz trocken
 Vergleichsweise lange Bremswege auf trockenem Asphalt
 Erhöhter Rollwiderstand


Fazit: Empfehlenswert (8,0 Punkte)

Pirelli Cinturato Winter

 Sicheres und ausgewogenes Handling auf Schnee wie auch auf nasser Fahrbahn
 Guter mechanischer Komfort
 Nur mäßige Leistungen mit wenig eindeutigem Handling auf trockener Bahn
 Kräftiges Schräglauf-Wummern bei Kurvenfahrt
 Erhöhter Rollwiderstand


Fazit: Noch empfehlenswert (7,9 Punkte)

Bridgestone Blizzak LM001 Evo

 Sehr neutral fahrbarer und kurvengriffiger Reifen
 Trocken lenkspontan und sicher im Spurwechsel
 Überwiegend sicher
 Schwache Traktion
 Leichte Übersteuertendenz und schlechte Seitenführung auf Schnee
 auf Nässe Kurven-Aquaplaning


Fazit: Noch empfehlenswert (7,8 Punkte)

Vredestein Snowtrac 5

 Gute Traktion
 Harmonische Wintereigenschaften mit Ausnahme Bremsen
 Noch akzeptable Nässeleistungen
 Überdurchschnittliche Trockenperformance
 Schwaches Nassbremsen


Fazit: Noch empfehlenswert (7,8 Punkte)

Nexen Winguard SnowG WH2

 Noch ordentliche Leistungen auf Schnee
 Gutes Nassbremsen
 Wenig ausgewogenes Nasshandling
 Schlechte Aquaplaning-Vorsorge
 Unausgewogene Balance trocken
 Hoher Rollwiderstand

Giti Winter W1

 Überragende und verlässliche Schneeperformance
 Schlechte Aquaplaning-Vorsorge
 Wenig Grip und kräftige Lastwechselreaktionen auf Nässe
 Wenig lenkpräzise
 Führungsschwach und unausgewogen trocken


Fazit: Noch empfehlenswert (7,2 Punkte)

Toyo Snowprox S943

 In trockenen Kurven sehr präzise und bestens kontrollierbar
 Harmoniert hier perfekt mit Fahrzeug-Regelsystem
 Nur mäßige Leistungen auf Schnee
 Sehr schwaches Nassbremsen
 Kräftige Lastwechselreaktionen und Übersteuern in nassen Kurven


Fazit: Noch empfehlenswert (7,2 Punkte)

Kumho WinterCraft WP 51

 Abgesehen von Schönheitsfehlern noch gute Wintereigenschaften
 leises Abrollen
 Wenig ausgewogenes Fahrverhalten auf Schnee
 Missverhältnis zwischen Längs- und Quergrip
 Schwach auf nasser und trockener Bahn
 Sehr hoher Rollwiderstand


Fazit: Bedingt empfehlenswert (6,4 Punkte)

Die ausführliche Ergebnistabelle finden Sie in der Bildergalerie.

Übersicht und Preisvergleich

  = sehr empfehlenswert,  = empfehlenswert,  = noch empfehlenswert,  = bedingt empfehlenswert

So haben wir getestet

Um höchste Ergebnissicherheit zu gewährleisten, werden – soweit machbar – sämtliche Versuche in diesem Test mehrfach durchgeführt. Angewendet wird ein progressives Bewertungsschema, das gleichermaßen für die objektive Bewertung durch Messgeräte wie auch für die subjektive Benotung durch erfahrene Testfahrer zum Tragen kommt. Bei den subjektiv beurteilten Handlingtests auf nasser und trockener Strecke führt ein ausgewogenes, sicheres und den Erwartungen der mutmaßlichen Zielgruppe entsprechendes Fahrverhalten zu einer Optimalbenotung. Der Rollwiderstand der Reifen wird nach Möglichkeit redundant in unterschiedlichen Testlaboratorien auf Rollenprüfständen ermittelt. Die Ergebnisse fließen in Form eines Mittelwerts in die Bewertung ein. Grundlage der Beurteilung ist die auch für das Reifenlabel relevante europäische Gesetzgebung zur Reifenkennzeichnung. Das Testprozedere wenden wir für alle Reifentests an. So auch im aktuellen Winterreifentest 2019 für kompakte SUV-Modelle.

Winterreifentest 2018, Fahrversuche
Ingolf Pompe
Bei den Tests auf Schnee werden unter anderem die Bremswege und die Traktion bewertet.

Getestet wird zunächst auf Schnee. Und tatsächlich trumpfen hier der Giti und Nokian kräftig auf; Pirelli, Conti und Vredestein folgen auf vorderen Plätzen; Goodyear, Toyo und insbesondere Bridgestone können sich allerdings mit dem weißen Element nicht wirklich anfreunden. Können die Schneekönige ihren Vorsprung auch auf Nässe behaupten? Newcomer Giti schon mal nicht: Mit rund 37 Metern Bremsweg aus Tempo 80 rutscht er gemeinsam mit Toyo und Vredestein und Nokian glatt ins Aus. Mit rund 39 Metern nochmals schwächer bremst nur noch der Kumho. Gute Nassbremser hingegen schaffen 32 Meter und weniger.

Starke Nassbremser führen

Dazu gehören Conti, Goodyear und Bridgestone; auch Pirelli, Hankook und Nexen kommen im Nassen noch sicher zum Stehen. Fasst man alle Nasskriterien wie Bremsen, Seitenführung, Aquaplaning und Handling zusammen, sind Conti und Goodyear nicht zu schlagen, Bridgestone, Hankook und Pirelli vorne mit dabei; Nexen, Nokian und Vredestein sind noch akzeptabel, während Giti, Toyo und besonders Kumho teils deutlich hinter den Erwartungen zurückbleiben. Warum sind die Nässeeigenschaften so wichtig? Weil der mitteleuropäische Winter nun mal weniger aus festgefahrenen, griffigen Schneepisten als vielmehr aus kaltem nassem oder trockenem Asphalt besteht. In beiden Fällen sollte man sich auf den Grip seiner Reifen sicher verlassen können.

Die wichtigste Disziplin auch trocken: das Bremsen. Und dabei ist nicht nur der kürzeste Bremsweg entscheidend, der mit starken 40 Prozent in die Wertung eingeht, sondern auch seine Auswirkungen auf die Regelsysteme des Fahrzeugs. Ohne gute Längsverzögerung sind das beste ESP und der sensibelste Notbremsassistent nur noch die Hälfte wert. Beste Systemunterstützung und Topwerte beim Bremsen liefert wieder der Conti. Aus Tempo 100 maximal verzögert steht die Fuhre nach weniger als 42 Metern. Chapeau! Der Nächstbeste, Vredestein, braucht einen ganzen Meter mehr, einen weiteren benötigen Toyo und Nokian; Nexen, Bridgestone, Goodyear, Hankook und Pirelli folgen, Giti und Kumho brauchen mehr als 45 Meter bis zum Stehen.

Winterreifentest 2018, Fahrversuche
Dino Eisele
Auch die Nass- und Trockenprüfungen werden möglichst realitätsnah bei winterlichen Temperaturen durchgeführt.

Doch damit ist der Test noch lange nicht zu Ende: Im Trockenhandling etwa nehmen wir die dynamischen Fahreigenschaften der Reifen bis weit in den Grenzbereich hinein unter die Lupe. Dazu prüfen wir, wie direkt, präzise und zielgenau der Reifen einlenkt. Wie sind seine Reserven in schnellen Kurven, wie verhält er sich bei einem plötzlichen Ausweichmanöver? All das wird neben dem subjektiv ermittelten Abrollkomfort in den Trockendisziplinen erfasst.

Neben dem dominierenden Conti gibt hier der Toyo Snowprox S943 ein sehr positives Bild ab: Mit hoher Lenkpräzision, direktem Lenkverhalten und leichter Kontrollierbarkeit erreicht er fast das Niveau von Sommerreifen. Dass er dafür bei den Schnee- und Nässeleistungen einknickt, macht den bestehenden konstruktiven Zielkonflikt bei der Winterreifenentwicklung besonders deutlich. So verzahnen sich etwa Reifen mit weicher Gummimischung und vielen feinen Einschnitten (Lamellen) in den Profilblöcken bestens mit Schnee, was dort gute Traktion und kurze Bremswege bringt. Wirken jedoch große Kräfte auf den Profilblock, etwa beim Bremsen auf trockenem Asphalt, kippen die weichen, instabilen Blöcke weg und die Bremswege werden länger.

Es bleibt der Zielkonflikt

Aufgabe der Reifenentwickler ist es, den aus ihrer Sicht besten Kompromiss aus Leistungen auf allen relevanten Fahrbahnoberflächen zu erreichen. Und das scheint den Conti-Entwicklern in Hannover am besten gelungen zu sein. Allein der TS 860 durchläuft den Test auf allen geprüften Untergründen ohne nennenswerte Schwächen und sichert sich mit einer überragenden Gesamtleistung einen deutlichen Vorsprung vor seinen direkten Verfolgern Goodyear, Nokian und Hankook. Die liefern zwar, wie etwa Nokian auf Schnee, Top-Einzelergebnisse. Doch wer weiß schon, auf welchem Untergrund der Reifen bei einem rettenden Notmanöver seine Leistungsfähigkeit unter Beweis stellen muss. Im Zweifel kann das nur ein breitbandiger Generalist sein. Nur da ist, wie die Tabelle zeigt, die Auswahl nicht besonders groß.

Fazit

Der Klimawandel ist auch bei den Reifenherstellern angekommen. Lag der Fokus der Winterreifenentwicklung vor Jahren in erster Linie bei bestem Grip auf Schnee und Eis, verschieben sich die Schwerpunkte heute mehr in Richtung kalte Nässe, höchste Fahrstabilität und bestmögliche Performance auch auf trockenen Fahrbahnen. Und damit nicht genug: Der Winterreifen soll dabei so leise laufen wie ein Sommerreifen, und er soll leicht abrollen; ein deutlich höherer Rollwiderstand, der den Kraftstoffverbrauch nach oben treiben könnte, wird kaum mehr akzeptiert. Die Herausforderung für die Entwickler ist, all diese Anforderungen in einem Reifen zu kombinieren. Das Ergebnis: ein Kompromiss, der, wie wir meinen, den Conti-Entwicklern noch vor Goodyear auf sehr hohem Niveau gelingt. Nicht mit Spitzenleistungen in einzelnen Disziplinen, sondern mit konstant guten Leistungen auf allen Untergründen. Da kann der Winter kommen, wie er will.