Fahrbericht Porsche 718 Boxster (2016)
So fährt der Einstiegs-Porsche mit 4-Zylinder

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Mitfahren ist nicht dasselbe wie selbst fahren – endlich dürfen wir hinters Steuer des neuen Porsche 718 Boxster mit den neuen Turbo-Motoren. Was kann der Neue mit nur noch 4 Zylindern?

Porsche 718 Boxster (2016), Fahrbericht, Exterieur
Foto: Porsche

Nachdem wir ihn bereits auf Messen umrundet und zum Mitfahren auf seinen Beifahrersitz geklettert sind, dürfen wir endlich hinters Steuer des facegelifteten Boxster rutschen. Wobei Facelift selten so wenig passte wie beim erneuerten Zweisitzer. Sicher, Porsche hat die Konturen etwas geschärft, die Nase einen Tick weiter nach unten gezogen und um größere Lufteinlässe ergänzt. Und ja, hinten sorgen eine schwarze Blende sowie Lichter unter Klarglas für eine neue Optik. Doch das wirklich Neue ist sein Herz.

Unsere Highlights

Porsche 718 Boxster jetzt mit 4-Zylinder-Turbo

Wie in den fünfziger Jahren beim 550 und dessen Rennversion 718 müssen Mittelmotor-Porsche wieder mit vier Zylindern auskommen, die einzigartigen Sechszylinder-Boxer verschwinden. Damit heißt es Zweiliter beim Standard, 2,5 Liter Hubraum beim S. Anders lassen sich die immer strengeren Verbrauchsvorgaben nicht mehr mit einem Plus an Leistung verbinden.

Beide Aggregate stammen vom Dreiliter-Sechszylinder des Carrera ab mit dem sie gemeinsam entwickelt wurden. Der S bekam eine vergrößerte Bohrung sowie einen Lader mit variabler Turbinengeometrie (VTG). Diese Technik stammt exklusiv aus dem 911 Turbo, Porsche ist immer noch der einzige Hersteller, der es sich traut, Benziner mit variabler Turbinengeometrie anzubieten. Anderen lassen die filigranen Leitschaufeln nur in kühleren Diesel-Abgasstömen rotieren. Beim S kommen so 350 PS und 420 Newtonmeter zusammen.

Porsche 718 Boxster
Porsche
Vier statt sechs: Der Zweiliter-Turbomotor im Porsche Boxster leistet 300 PS, 35 mehr als der Sechszylinder-Saugmotor vorher.

Porsche 718 Boxster klingt nicht nach Käfer

Bisher lebte der Boxster nicht nur von seinem Fahrverhalten, der optimalen Gewichtsverteilung des Mittelmotor-Konzeptes. Einen Großteil der Faszination machte der sägend-kreischende Sechszylinder-Sound aus, den Hubkolben-Fetischisten aus tausenden Klangbildern heraushören. Und jetzt? Die Porsche-Ingenieure haben alles dafür getan, dass der Vierzylinder nicht gewöhnlich klingt. Vor allem mit der auf Knopfdruck geöffneten Auspuffklappe spratzelt, blubbert und hustet der Boxer eindrucksvoll dumpf und angriffslustig, ein Körperschallübertrager an der Spritzwand sorgt für zusätzliche Stimulation im Cockpit. Mit einem rasseligen Käfer-Motor hat das nichts zu tun, nach Porsche klingt er jedoch nicht mehr.

Aber er fährt sich wie ein Porsche. Mit der direkter übersetzten Lenkung und neu abgestimmtem Fahrwerk wedelt er beeindruckend neutral um Pylonen und bleibt auch in schnellen Kurven problemlos beherrschbar. Zumindest, wenn es der Fahrer nicht komplett übertreibt und das ESP aktiviert lässt. Der elektronische Schleuderschutz hilft an der Haftgrenze mit feinen Regeleingriffen, ohne den Fahrspaß abzuwürgen.

Aufladung und hohe Drehzahlen

Auch wenn das akustische Sechs-Appeal weg ist, in allen anderen Disziplinen begeistert der neue Motor: Beim Ansprechverhalten ist kaum etwas vom gefürchteten Turboloch zu spüren. Im Teillastbereich sorgt unter anderem die leicht geöffnete Drosselklappe für eine Vorspannung des Borg-Warner-Laders, der so unmittelbar Druck aufbaut. Darüber hinaus dreht er turbo-untypisch hoch bis 7.500/min, ohne im oberen Bereich zugeschnürt zu wirken. Im Zusammenspiel mit dem zackigen Siebengang-Doppelkupplungsgetriebe wuchtet der 2,5-Liter den S in nur 4,2 Sekunden auf Tempo 100 und dann weiter bis 285 km/h. 4,2 Sekunden, 285 Spitze? Ja, wir sprechen immer noch vom Boxster, dem Einstiegsmodell des Hauses.

Doch der Zweisitzer kann auch entspannt: 420 Nm liegen schon unter 2.000/min an, weshalb der Boxer gemütlich im langen Gang gefahren werden darf, und ohne Proteste knapp über Leerlauf Gas annimmt. Die straffe Fahrwerksabstimmung wurde zwar prinzipiell beibehalten, die Adaptivdämpfer sprechen jedoch feinfühliger auf kurze Unebenheiten an, daher fühlt sich der Sportler alles andere als unkomfortabel an.

Porsche 718 Boxster (2016), Fahrbericht
Porsche
Modernisiert: Das Cockpit wurde überarbeitet. Neu ist der Touchscreen in der Mittelkonsole.

Porsche 718 Boxster erstmals teurer als Cayman

Da an Dach und Cockpit fast nichts geändert wurde, sitzen Boxster-Insassen auf Knopfdruck nach wie vor in knapp 10 Sekunden unter freiem Himmel, freuen sich über jede Menge Frischluft sowie perfekt positionierte und seitenhaltreiche Sportsitze. Ebenfalls erfreulich: Dass neue Infotainmentsystem aus dem Elfer warnt jetzt in Echtzeit vor Staus und spiegelt Apps vom iPhone auf den Touchscreen.

Und noch eine Überraschung hat Porsche parat: In Zukunft soll der 718 Boxster über dem ebenfalls auf Vierzylinder umgerüsteten und Ende April vorgestellten Cayman positioniert werden. Mit 53.646 Euro (Boxster) und 66.141 Euro (Boxster S) liegt das Cabrio dann preislich über seinem Blechdach-Bruder.

Mitfahrt auf der Rennstrecke (23.2. 2016)

Jetzt aber auf den Beifahrersitz des 718 Boxster S, fest anschnallen und ab geht’s. Buchstäblich. Die Kombination aus 350 PS starkem Vierzylinder-Turbo mit 420 Newtonmetern, super Traktion dank Mittelmotor-Konzepts mit 55 Prozent des Gewichts auf der Hinterachse, elektronisch kontrolliertem Sperrdifferenzial plus effizienter Launch Control sowie Siebengang-Doppelkupplungsgetriebe ist buchstäblich atemberaubend. Vollgas. Die Elektronik regelt die Drehzahl, kuppelt ein – und ohne fühlbaren Schlupf schießt der 718 vorwärts.

Porsche 718 Boxster mit Querdynamik wie die Sau

Doch was wäre ein Porsche ohne standesgemäße Querdynamik. Und auch die hat der Neue auf dem Kasten. Obwohl einen Tick schwerer als sein Vorgänger pfeffert der 718 mit beeindruckendem Tempo über die Teststrecke in Fontagne. Mit voller Regelelektronik PSM sicherheitsbewusst, aber schon pfeilschnell lässt die neue, separat schaltbare Sport-Zwischenstufe PSM Sport mit höherer Regelschwelle leichtes Querfahren zu, zieht erst relativ spät die Reißleine. Toll. Noch toller: Driften mit deaktiviertem PSM.

Wobei man fairerweise sagen muss, dass so ein Boxster eher auf Traktion, Neutralität und Präzision ausgerichtet ist, als auf Power-Posing. Dazu trägt auch das Fahrwerk bei, das nicht nur steifer, sondern auch komfortabler wurde, etwa durch breiter gespreizte Kennlinien der Adaptivdämpfer. So komfortabel wie möglich, so straff wie nötig. Das passt.

Porsche 718 Boxster (2016), Fahrbericht, Exterieur
Porsche
Schau'mer mal: Der Klang konnte uns noch nicht überzeugen, das Fahrverhalten hingegen schon.

Der Motor-Punch hilft auch auf der Rennstrecke

Genauso wie der Punch der neuen Motoren. Ablesbar an der Drehmomentkurve. Sie geht senkrecht nach oben um beim S ab 1.900/min dort bei 420 Newtonmetern zu verharren. Spürbar speziell bei niedrigtouriger Fahrweise, denn dort ließen es die Vorgänger ja immer eher gemütlich angehen, vertrösteten Leistungshungrige auf höhere Drehzahlen. Die beherrscht der Neue aber auch. Bis 7.500/min feuert der Vierzylinder und lässt uns das auf der Piste spüren.

Beim spontanen Ansprechen hilft Dynamic Boost, was den Lader auch bei Lastwechseln immer leicht in Schwung hält. Auch die Bremsanlage legte zu, zum Teil dank Spenden aus dem 911 Carrera.Nur an den Klang, an den werden wir uns gewöhnen müssen, das wird auf dem Rundkurs genauso klar, wie auf der Straße. Obwohl die Sportauspuffanlage mit Klappensteuerung sich alle Mühe gibt, ein Sechszylinder-Orchester bleibt ein ebensolches. Da kann die neue Vierzylinder-Popband so juvenil aufspielen wie sie will.

Technische Daten
Porsche 718 Boxster S Boxster S
Grundpreis70.038 €
Außenmaße4379 x 1801 x 1281 mm
Kofferraumvolumen275 l
Hubraum / Motor2497 cm³ / 4-Zylinder
Leistung257 kW / 350 PS bei 6500 U/min
Höchstgeschwindigkeit285 km/h
Verbrauch9,5 l/100 km
Die aktuelle Ausgabe
Sport Auto 03 / 2022
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Erscheinungsdatum 04.02.2022

132 Seiten