Beste Autos aller Zeiten 2000–2009
Tesla Roadster, mal ganz anders

Marcus Peters entdeckt seine Begeisterung für alternative Antriebe – zumindest, wenn sie wie im Fall des Tesla Roadster als schubstarker Sportwagen daherkommen.

Tesla Roadster, Frontansicht
Foto: Karl-Heinz Augustin

Persönlich kennengelernt habe ich den Tesla Roadster 2010 auf dem Nasshandling-Kurs im badischen Boxberg. „Willst du mal fahren?“ fragt Kollege Jörn Thomas, „wird dir gefallen.“ Seine Prognose löst zunächst Skepsis aus, denn bis dahin hatte ich an keinem Elektroauto Gefallen gefunden – sie waren eher vernunftbetonte Transportmittel. Dann gebe ich zum ersten Mal Gas, wobei dieser Ausdruck in doppelter Hinsicht nicht stimmt. Es müsste heißen: Ich gebe Strom. Denn was folgt, ist so etwas wie ein Stromstoß – der Vortrieb durchzuckt Sportwagen und Fahrer. Aus dem Augenwinkel registriere ich Jörns wissendes Grinsen, das soviel bedeutet wie: Habe ich es nicht gesagt?

Tesla Roadster mit Laptop-Akkus

Für mich ist es der Moment der Erkenntnis. Darüber, dass das Lustprinzip im Elektroantrieb durchaus weiterleben kann, ja eigentlich sogar muss, damit es auch die Zustimmung der echten Autofans erhält. Nur dann kann der E-Wagen eine vollständige Alternative sein. Der Tesla Roadster hat diese Attraktivität und damit auch die Begehrlichkeit eines herkömmlichen Sportwagens und unterliegt diesem nur noch in einem Punkt: dem Klang.

Der E-Roadster stellt unser automobiles Weltbild in Frage. Es gibt keinen Verbrennungsmotor, der die Antriebsleistung erzeugt. Und es gibt keinen Moment zwischen Gasgeben und dem Fühlen der Beschleunigung. Der Elektromotor muss nicht erst in Schwung kommen – sein Drehmoment ist sofort vorhanden. Um es mit den Worten der Digital-Jünger auszudrücken: Es gibt keine Latenz. Autoscooter für Erwachsene.
Auf den ohnehin augenscheinlichen Punkt der besseren Umweltverträglichkeit will ich hier bewusst nicht eingehen. Eher schon darauf, dass das Konzept des Elektroautos die Ingenieure von den bisherigen Zwängen erlöst: Es muss keinen traditionellen Motorraum geben – die Technik lässt sich an nahezu beliebiger Stelle im Auto verteilen. Von den neuen Möglichkeiten macht der Tesla Roadster keinen Gebrauch; er baut auf dem Chassis des Lotus Elise auf, setzt darüber immerhin eine Karosserie aus kohlefaserhaltigem Kunststoff und nutzt so zumindest einen fortschrittlichen Werkstoff.

Modernität aus Chips und Halbleitern

Wo beim Lotus der Motor sitzt, befindet sich beim Tesla der Energiespeicher: hinter dem Rücken der Passagiere. Eine 450 Kilogramm schwere Lithium-Ionen-Batterie nimmt bis zu 53 kWh Energie auf und besteht aus 6.831 Laptop-Akkus. Diese Lösung klingt spektakulär, ist aber vor allem clever, weil günstig – sie hat den Tesla überhaupt erst finanzierbar gemacht, wenn auch alles andere als günstig. Er kostete 2010 immerhin 128.520 Euro.

Die Akku-Lösung ist übrigens eine Schwachstelle des Elektro-Sportlers: Bis zu 160.000 Kilometer oder sieben Jahre soll die Batterie laut Hersteller halten – was dann? Für eine verlängerte Batterie-Garantie musste der Kunde noch einmal 10.948 Euro hinlegen. Zweiter Knackpunkt ist die Reichweite. Im Test schaffte der Tesla Roadster zwischen 200 und 328 Kilometer, bevor er für mindestens dreieinhalb Stunden an die Steckdose musste. Da besteht durchaus eine mentale Blockade, weite Strecken zu fahren.

Trotzdem durchströmt einen beim Tesla Roadster-Fahren das Gefühl, am Beginn einer ganz großen Wende live dabei zu sein. Mehr noch als die Hybridler nähert sich der E-Wagen der Modernität aus Chips und Halbleitern an, ist damit am Puls der digitalen Zeit. Ja, er lehnt sich sogar an der Idee des Smartphones an: nachts aufladen und tagsüber benutzen.

Dem Bestehenden den Rücken zu kehren und konsequent eine zunächst abwegig klingende Idee zu verfolgen, erfordert Mut. Tesla hat ihn aufgebracht, ist damit zu einem Börsen-Hype und zum heimlichen Star der Autowelt avanciert, hat sie gehörig durchgeschüttelt – sie hat sich danach nicht wieder in ihre ursprüngliche Form gesetzt.
Meine Welt übrigens auch nicht: Ich weiß jetzt, dass ein Elektroauto Spaß machen kann, ja sogar muss. Dann, erst dann, ist es eine zukunftsträchtige Alternative.

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