F1-Design-Ikone spricht über seine Karriere
Newey bedauert Ferrari-Absage

Im offiziellen Formel-1-Podcast "Beyond The Grid" reflektiert Design-Guru Adrian Newey seine Karriere. Der Engländer blickt auf seine Zeit mit Williams, McLaren und Red Bull. Verlockende Angebote der Konkurrenz schlug der 64-Jährige mehrmals aus.

Adrian Newey - Red Bull  - Formel 1 - GP Italien - Monza - 7. September 2019
Foto: Jerry André

Adrian Newey ist in der Formel-1-Welt eine Legende. Den Status erreichte der Engländer jedoch im Gegensatz zu vielen anderen Menschen nicht als Fahrer, sondern als Designer. Neweys Autos rasten zu – Stand jetzt – 207 Grand-Prix-Siegen. Die Teams Williams, McLaren und Red Bull führte er dank seiner Ideen zu Weltmeister-Ehren.

Zwar ist Max Verstappen rechnerisch noch nicht der 2023er Champion. Da ihn nur noch Teamkollege Sergio Perez am dritten Titel en suite hindern könnte, feiert Newey dieses Jahr den 25. Weltmeister-Titel (Fahrer, Team) mit einem von ihm designten Auto. Der Red Bull RB19 ist das Maß der Dinge.

Unsere Highlights

Im Formel-1-Podcast "Beyond The Grid" reflektiert der Design-Guru seine Karriere, spricht über Job-Angebote Ferraris und einschneidende Erlebnisse, wie den Tod Ayrton Sennas in einem von ihm gezeichneten Auto.

Max Verstappen & Adrian Newey - Formel 1 - 2022
Red Bull

Adrian Newey machte insgesamt sieben Fahrer dank seiner Autos zu Weltmeistern. Max Verstappen fährt 2023 bereits seinem dritten Titel entgegen.

Ferrari-Körbe von Newey

Der heute 64-Jährige bestätigt, mehrere Angebote von Ferrari während seiner Karriere abgelehnt zu haben. Das erste stammte noch aus seiner Zeit in den 1980er-Jahren, als er den March 85C für die IndyCar designt hatte. Newey blieb der Chassis-Manufaktur March treu und ging mit dem Team in die Formel 1, ehe er zu Williams wechselte.

Am heißesten war der zweite Flirt mit der Scuderia. "1993 war sehr verlockend. Ich ging nach Maranello. Jean Todt hatte gerade als Teamchef angefangen. Er fragte mich, ob es eine gute Idee wäre, Michael Schumacher zu holen oder nicht. Der Hauptgrund, warum ich es nicht tat, war meine erste Ehe. Die scheiterte aus verschiedenen Gründen. Überwiegend, weil ich zu meiner IndyCar-Zeit während der Saison in den USA lebte. Meine Frau mochte es nicht, dort zu leben und ging zurück. Das belastete unsere Ehe, wovon wir uns nicht erholten."

Kein Ferrari-Büro in England

"1993 war ich ein Jahr in meiner zweiten Ehe. Ich wollte den gleichen Fehler nicht nochmal machen." Newey hätte in Italien gearbeitet. Ein Deal, wie bei John Barnard wäre ihm nicht in den Sinn gekommen. Sein Landsmann ließ sich ein Büro in England einrichten und arbeitete von dort aus für die Mythosmarke. "Ich fragte nicht nach und ich glaube auch nicht daran, ein Design-Team an einem ganz anderen Ort als das Renn-Team zu haben. Ich glaube nicht an dieses Konzept."

Die Absagen bedauert Newey auf "emotionaler Ebene" und schiebt nach: "Zum Beispiel wäre es auch fabelhaft gewesen, mit Lewis (Hamilton) und Fernando (Alonso) zusammenzuarbeiten. Aber es ist nie passiert."

Mehr als 20 Jahre nach seinem Flirt mit der Scuderia verhandelte Newey 2014 wieder über einen Wechsel zu den Roten. Das rührte aber von einem anderen Ausgangspunkt: "Meine Gespräche 2014 waren aus reinem Frust. Ich wollte nicht gehen, aber wir waren an dem Punkt, an dem Renault keinen wettbewerbsfähigen Motor in der Turbo-Hybrid-Ära produziert hatte". Die Red-Bull-Leitung um Teamchef Christian Horner erhöhte den Druck auf den damaligen Renault-Boss Carlos Ghosn. Doch die Franzosen wollten kein zusätzliches Budget und mehr Ressourcen bereitstellen.

Sebastian Vettel - Adrian Newey - Ferrari - Red Bull - GP USA - Austin 2018
xpb

Wäre Adrian Newey 2014 zu Ferrari gewechselt, hätte er wieder mit Sebastian Vettel zusammengearbeitet.

Von Mercedes und Ferrari hätte Red Bull keine Power Unit erhalten. Die Konkurrenz wollte sich keinen starken Gegner mit ihrem Antrieb aufrüsten. "Das war so deprimierend. Wir konnten längere Zeit nicht wirklich wettbewerbsfähig sein. Es war ein sehr dunkler Tunnel, in dem wir waren."

Senna und Newey – kurzes Dreamteam

Sieben Fahrer erreichten dank Adrian Newey Weltmeister-Ehren. Einer der besten Rennfahrer aller Zeiten wollte ebenfalls ein von Newey designetes Auto fahren. Deshalb wechselte Ayrton Senna zur Saison 1994 von McLaren zu Williams, das die beiden Jahre zuvor dominiert hatte. Newey erinnert sich an die erste Begegnung des ehemaligen "Feindes": "Wir trafen uns das erste Mal in der Fabrik Ende 1993. Wir gingen zum Windkanal. Er ging sofort auf die Knie, um zu schauen, was unter dem Auto ist. Er wollte wissen, was wir anders gemacht hatten, gegenüber den Autos zuvor. Er war phänomenal neugierig.

Lange arbeiteten Newey und Senna nicht zusammen. Während des dritten Saisonrennens der Saison 1994 verunglückte der Brasilianer in Imola tödlich. Williams' technologischer Vorsprung war dahin. Das Reglement verbot in diesem Jahr die elektronischen Fahrhilfen. Williams und Newey hatten vor allem zu Saisonbeginn Probleme mit dem FW16. "Das Auto war aerodynamisch instabil. Wir hatten zwei Jahre mit aktiver Radaufhängung und es ist mein Fehler: Ich habe es komplett vermasselt, dass die Aerodynamik zu passiver Radaufhängung zurückging und die dadurch verbundene größere Fahrzeughöhe. Es war ein sehr, sehr schwierig zu fahrendes Auto."

Adrian Newey & Ayrton Senna - Williams - F1 - 1994
Motorsport Images

Ayrton Senna wechselte 1994 zu Williams. Nur drei Rennen arbeiteten Newey und der Brasilianer zusammen, ehe der dreimalige Weltmeister in Imola verstarb.

Newey denkt ans Aufhören

Nach dem Tod Sennas grübelte das Mastermind. "Es hört sich dumm an, aber ich hatte nie darüber nachgedacht, was passiert, wenn sich jemand in einem Auto schwer verletzen oder sterben könnte, für das ich verantwortlich bin. Das passierte an diesem Wochenende und es lässt dich alles hinterfragen." Newey bestätigte auf Nachfrage, ob er nach dem Tod des dreimaligen Weltmeisters aufhören wollte. "Ich dachte darüber nach. Du bist ein Idiot, wenn du dich nicht hinterfragst und nicht hinterfragst, was du machst."

Der Engländer zog seine Lehren aus dem Unfall und lernte aus den Fehlern, die er beim Design des FW16 beging, damit eine ähnliche Tragödie zukünftig nicht mehr passieren kann.

Häkkinens Selbstvertrauen

Drei Jahre nach dem Unfall zog es den Designer von Williams zu McLaren. Er entwarf den überlegenen MP4/13, mit dem Mika Häkkinen 1998 zum ersten Mal Weltmeister wurde. Das Auto gab ihm bei seinem Blick auf allen entworfenen Autos die größte "Zufriedenheit". Newey und sein Team setzten die neuen Reglements-Anforderungen für das Jahr 1998 am besten um.

Mika Häkkinen - GP Brasilien 1998
Motorsport Images

Mika Häkkinen feierte mit dem von Adrian Newey gezeichneten McLaren MP4/13 1998 seinen ersten WM-Titel.

Häkkinen nutzte die Möglichkeiten des Autos besser, als Teamkollege David Coulthard und beeindruckte Newey: "Die große Stärke von Mika war das Selbstvertrauen. Er ließ sich nicht von Druck beeinflussen." Newey erinnert sich weiter: "1998 und 1999 war der Druck sehr hoch. In beiden Jahren entschied sich die Fahrer-Weltmeisterschaft im letzten Rennen in Suzuka. Ich weiß nicht, ob es '98 oder '99 war. Aber am Samstag vor dem Rennen saßen Ron Dennis (McLaren-Teamchef), ich, Mika und die anderen Renningenieure zusammen und sprachen über die Strategie."

"Und es wurde kompliziert, was wir tun, wenn Eddie Irvine und Michael Schumacher stoppen, tun wir das und das ... Nach einer halben Stunde saß Mika still in der Ecke und sagte nichts. Er stand auf und ging. Am nächsten Tag stieg er ins Auto, verschwand in der Ferne und gewann das Rennen. Das war Mikas Weg, Dinge zu erledigen. Er hielt die Dinge einfach. Er schien den Druck nicht zu spüren."

Die aktuelle Ausgabe
AUTO MOTOR UND SPORT 11 / 2024
AUTO MOTOR UND SPORT 11 / 2024

Erscheinungsdatum 08.05.2024

148 Seiten