Fahrbericht Studiotorino-Porsche Moncenisio
Unterwegs im Designer-Cayman

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Natürlich kosten maßgeschneiderte Klamotten richtig viel Geld, und natürlich treffen sie nicht jedermanns Geschmack – das gilt sicher auch für den Moncenisio von Studiotorino. Aber sollten wir deshalb das Angebot ausschlagen, mit dem modifizierten Porsche Cayman S ein paar Runden zu drehen?

Studiotorino-Porsche Moncenisio, Frontansicht
Foto: Hans-Dieter Seufert

Eigentlich hätte folgende Aussage von einem hochrangigen Porsche-Manager kommen müssen: „Bei unserem neuesten Projekt wollten wir beweisen, dass es nicht viel technischen Schnickschnacks bedarf, um maximalen Fahrspaß zu erzielen.“ Stattdessen erklärt damit Alfredo Stola seine Idee vom idealen Porsche.

Der italienische Ingenieur, dessen Firma Studiotorino im Auftrag der großen Konzerne Prototypen in Handarbeit fertigt, liebt die Sportwagenmarke, sah daher keinen Grund, die Technik anzufassen – lässt aber sicherheitshalber adaptive Dämpfer und luxuriöse Sportsitze außen vor. „Und wer braucht schon eine Einparkhilfe bei einem echten Sportwagen?“

Ja nun, lieber Herr Stola, wirklich übersichtlich ist er ja nun nicht gerade geworden, der Studiotorino-Porsche Moncenisio, benannt nach jenem Alpenpass in Italien, auf dem 1902 das weltweit erste Bergrennen ausgetragen wurde. Stola schuf mithilfe von Ex-Alfa-Romeo-Designer Daniele Gaglione eine neue Optik, mit der er gerne den Porsche 904 zitieren möchte.

3,4 Liter Boxermotor im Studiotorino-Porsche Moncenisio

Beim Anlassen allerdings zitiert sich die Basis lieber selbst, also der 3,4 Liter große Boxermotor, an den zur Verstärkung die Porsche-eigene Sportabgasanlage montiert wurde. Wie mit hochgekrempelten Ärmeln brodelt der Sechszylinder im Stand, ein kleines bisschen unruhig, ein kleines bisschen heiser. Wie erwartet passen die Schalensitze perfekt, die Sitzposition sowieso – und das Auge bekommt ebenfalls etwas geboten. Keine schwarz-graue Testwagenlangeweile, nein, der Studiotorino-Porsche Moncenisio jubelt innen in Blau und zwei Grüntönen, der Farbwelt eben jenes Passes nachempfunden, wie Herr Stola strahlend referiert.

Nur Bergpanorama stellt sich hier drinnen nicht ein, denn dem modifizierten Porsche Cayman fehlen die hinteren Seitenscheiben, und die transparente Heckklappe schrumpfte zu einem Schlitz, kaum größer als der eines Briefkastens. Und nach vorn? Alles bestens, und da wollen wir ja auch hin. Es dauert nicht lange, und die Scheu vor dem teuren Einzelstück weicht der Vertrautheit des Cayman. Das Gefühl, den Motor an der richtigen Stelle zu wissen, nämlich in der Mitte, die Leichtigkeit und Präzision, das breite Drehzahlband des Motors – wieso wird eigentlich der Elfer permanent mystifiziert? Als ob der Porsche Cayman dem Sportwagenideal nicht ebenso nahekäme.

Sofort schnappt das 325 PS starke Triebwerk zu, wütet geifernd die Drehzahlskala empor, 4.000, 6.000, 7.000/min, gib es mir, dann, bei fernen 7.800/min der Gangwechsel – per Doppelkupplungsgetriebe. Das wollte er dann doch nicht hergeben, der Herr Stola, weil es eben so herrlich fix durch die sieben Gänge zappt. Und das Gewicht? Ja schon, aber schließlich habe er auch die leichteren Carbon-Keramik-Scheiben montieren lassen.

Das Beste der Lenkungsindustrie

Wie auch immer, dem Studiotorino-Porsche Moncenisio scheint das wirklich zweitrangig, er hechelt im Fahrbericht unablässig nach neuen Befehlen. Praktisch seitenneigungsfrei flippert er durch Kurven, seine 20-Zoll-Räder bieten besten Grip, der auf einer Landstraße nur in ganz engen Ecken und bei, sagen wir mal, italienisch-temperamentvollem Gasfuß abreißt. Ein Schreckmoment? Ach was, schon eher die große Gaudi, schließlich hält der Fahrer so ziemlich das Beste in den Händen, was die Lenkungsindustrie derzeit zu bauen vermag. Sie trägt zu jenem porschigen Gefühl bei, dieses unverschämte „Mit mir kannst du ziemlich viel anstellen, bis ich zickig werde“, das so kaum einem anderen Sportwagen gelingt.

Und da giert der Boxer wieder sabbernd nach Gas, dreht hoch, als ginge es um das erste Mal, steigert sich in die Wildheit seiner Stimme hinein, bevor sie im typisch hohen Trompeten gipfelt. Was für eine Orgie, keine Kurve verliert an Reiz, und wenn du noch so oft hindurchprügelst, jeder Gangwechsel, egal ob rauf oder runter, lässt dich mit den Tränen ringen. Und ganz nebenbei fällt auf, dass so ein Cayman wirklich bestens ohne adaptive Dämpfer klarkommt. „Wir haben das Sportfahrwerk aus dem Porsche-Zubehör einbauen lassen“, erklärt Stola, der mit Gattin im Moncenisio auf eigener Achse aus Turin angereist ist – und nicht so aussieht, als ob er demnächst zum Physiotherapeuten müsste.

Komfort trotz 20-Zoll-Rädern

Trotz der stattlichen Räder klopft dich der Zweisitzer im Fahrbericht nicht weich, macht niemanden mürbe, sondern bietet recht standesgemäßen Federungskomfort – was im Stand der echten Sportwagen nun mal nicht besonders viel ist. Das, was noch übrig bleibt, reicht allerdings völlig. Vor allem erdet das Fahrwerk das Handling, komprimiert den Cayman S noch stärker zu einem handfesten Sportwagen.

Damit sich das neue Design nicht nachteilig auf die Leistung auswirkt, lässt Stola alle großen Komponenten (also Front- und Heckschürze, Seitenschweller, Heckklappe) aus leichtem Carbon backen. Zusammen mit allen anderen Details, beispielsweise dem nach 904-Vorbild in die Fronthaube verlegten Tankeinfüllstutzen und den verschweißten hinteren Seitenscheiben, entsteht der Moncenisio auf Bestellung in Handarbeit.

Und der Preis, Herr Stola? Er lächelt und sagt mit der Milde der italienischen Sprache: „145.000 Euro plus Steuern und Basisfahrzeug“. Auch diese Antwort hätte von einem Porsche-Manager kommen können.

Wer ist Studiotorino?

Bereits 1919 gründete der Großvater von Alfredo Stola in Turin die gleichnamige Firma zum Bau von Automobildesign-Modellen. Sein nach ihm benannter Enkel übernahm zusammen mit Vater Roberto 1996 das Unternehmen und baute über 250 Studien. 2004 verkaufte Stola seine Anteile, kehrte aber bereits ein Jahr später mit dem neu gegründeten Studiotorino (www.studiotorino.com) in die Branche zurück. Neben dem Prototypenbau widmet sich Stola nun der Konzeption und dem Verkauf eigener Sportwagen- Projekte.

Technische Daten
Porsche Cayman S
Grundpreis66.944 €
Außenmaße4380 x 1801 x 1295 mm
Kofferraumvolumen275 l
Hubraum / Motor3436 cm³ / 6-Zylinder
Leistung239 kW / 325 PS bei 7400 U/min
Höchstgeschwindigkeit281 km/h
Verbrauch8,0 l/100 km
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Sport Auto 03 / 2022
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Erscheinungsdatum 04.02.2022

132 Seiten