Porsche 911 Carrera: Wie faszinierend ist der Basis-Elfer?
Test des Einstiegsmodells der Porsche 911er-Baureihe

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S, GT3, Turbo, GT2 - die Porsche 911-Familie ist so leistungsstark wie mannigfaltig, und der Cayman rückt der Legende ebenfalls auf den Pelz. Wo sortiert sich die Elfer-Basis ein? Der Standard-Porsche 911 Carrera im Test.

Test des Einstiegsmodells der Porsche 911er-Baureihe
Foto: Frank Herzog

Jugendtraum, Statussymbol, Midlifecrisis oder doch begründete Sportfahrerallüren. Aus welchem Grund auch immer, aber ein Porsche muss her. Koste es, was es wolle. Vor allem, wenn ein Elfer das Objekt der Begierde ist. Kein Cayman, obwohl der Mittelmotorsportler unlängst den - ebenfalls direkt einspritzenden - Frühling erlebte.

Standard-Elfer mit 345 PS birgt Faszinationspotenzial

Ein Elfer. Wenn schon, denn schon - in der Theorie ein GT2 oder ein GT3 RS. Doch andererseits wird die Praxis von den finanziellen Mitteln diktiert. Abgesehen davon will man sich ja auch noch ein paar Träume bewahren ...

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Also zurück zur Basis, ohne GT, RS oder S. Ein schlichter und dennoch ergreifender Standard-Elfer mit nunmehr 345 PS birgt auch ein reichhaltiges Faszinationspotenzial in sich. Und so ganz nackt fährt schließlich auch der Durchschnitts-Einstiegs-Elfer nicht auf der Straße.

"Prinzipiell ordern unsere Kunden schon eine gute Grundausstattung aus der Optionsliste", berichtet Markus Kemp vom Porsche Zentrum Köln. Vollleder, Navigation mit Telefonbedienung sowie Sitzheizung und ein Parkassistent sind nahezu festgemeißelte Ausstattungswünsche. Gut 70 Prozent der Elfer werden geleast beziehungsweise finanziert, wodurch auch aus Gründen des Wiederverkaufs ein guter Ausstattungs-Standard als gegeben gilt.
 
911er-Einstiegspreis 83.032 Euro
 
Entsprechend entfernt sich unser Test-Elfer - bis auf eine Handvoll verzichtbarer Extras - nicht allzu weit vom reellen Kaufschema. Lederpaket, PASM-Fahrwerk, elektrisch verstellbare Sitze und Bose-Soundpaket mit Navigation sind als weitere Erfüllungsgehilfen des Jugendtraums mit an Bord. Macht summa summarum dann aber doch schmerzliche 104.254 Euro, um nicht gänzlich entblößt in die Elfer-Welt einzusteigen.
 
Apropos: Rein in die gute Stube, in der auch die Seriensitze einen formidablen Seitenhalt gewähren. Ein Standardhinterteil trotzt den gebotenen Querkräften eben auch standardisiert gebettet einwandfrei. Man fühlt sich umschmeichelt von Ergonomie und Ambiente. Die Investition in die Ausstattungs-Option Vollleder ist also durchaus sinnvoll. Schließlich will die Linke dem 3,6 Liter großen Boxer würdig umrahmt den Zündfunken zuteilen. Obwohl der belebende Schlüssel-Dreh nicht gerade heisere Reaktionen oder gar ein akustisches Feuerwerk zur Folge hat.

Die Emotion 911 als phonetischer Funke will zunächst nicht so recht überspringen. Der Boxer übt sich in angemessener Zurückhaltung, schnurrt samtig. Erst ab rund 5.000 Touren beginnt das Feuer im Heck vernehmlicher zu züngeln. Ein lautstarkes Imponiergehabe mag womöglich auch nicht jedermanns Sache sein. Und wenn doch, befriedigt eine Sportabgasanlage mit Klappensystem die phonetischen Wünsche mehr als ausreichend - obgleich für weitere 1.916 Euro.
 
Stattdessen doch besser die elektronische Fahrwerksregelung PASM für knapp 1.550 Euro? Damit balanciert der Elfer jedenfalls bewusster zwischen Komfort und Purismus. In der Grundeinstellung filtert das Feder-Dämpfer-Gebilde kurze Absätze feinfühliger aus als mit dem Standardfahrwerk. Während im Sportmodus die Dämpfung die Zügel dann radikal stramm zieht. Das Erlebnis 911 gewinnt deutlich an Intensität. Nicht nur angesichts der im Alltag harsch durchdringenden Stöße. Auch die Begegnung mit dem fahrdynamischen Grenzbereich erfolgt nun auf direkterem Weg. Was zur Folge hat, dass die beispielsweise im 18-Meter-Slalom auftretenden Lastwechselreaktionen schnellstmöglich pariert werden wollen. Im Standardmodus des PASM nimmt das Eigenlenkverhalten des Hecktrieblers etwas mehr Rücksicht auf die Trägheit des Fahrers.
 
Doppelkupplungs-Getriebe (PDK) findet reißenden Absatz
 
Grundsätzlich ist im System 911 - solange es unter Zug gehalten wird - eine gute Neutralität abgelegt. Nur mit der etwas schmächtigeren 18-Zoll-Bereifung neigt die Elfer-Basis zart zum Untersteuern. Also ein weiterer Beweggrund, doch nochmal in der Optionsliste zu stöbern. "Ein Großteil unserer Kundschaft ordert per se die 19-Zoll-Bereifung", sagt Markus Kemp. Und auch das Doppelkupplungs-Getriebe (PDK) findet unter den Porsche-Willigen einen reißenden Absatz. Fast 70 Prozent der 911-Klientel ordert das neue Technik-Highlight. Dabei lässt die manuelle Schaltbox nichts auf sich kommen. Exakt und knackig lässt sich mit dem Schaltknüppel durch die Gassen wedeln. Wer im Kupplungsfuß nicht zu schnell ermattet, erlebt den Elfer manuell geschaltet noch authentischer. Zudem eröffnet der Boxermotor umso mehr Faszinationspotenzial, je engagierter und launiger er getrieben wird.

Porsche Cayman sitzt dem Elfer im Nacken
 
Letztlich wird der Elfer seiner Vormachtstellung gegenüber dem Cayman S erst im höheren Geschwindigkeitsbereich dann auch wirklich gerecht. Das nominell um 20 Newtonmeter stärker ausgebildete maximale Drehmoment kann’s jedenfalls nicht richten, die Elastizitätswertung an sich zu reißen. Zumindest im Vergleich zu einem maximal möglich aufgerüsteten und somit auf dem 911-Grundpreis rangierenden Mittelmotor-Bruder.
 
Und dieser sitzt dem Elfer nicht nur extrem im Nacken, auf der schnellen Runde in Hockenheim zieht ein Cayman S sogar auf und davon. Obwohl diese Disziplin für viele Porsche-Einsteiger zunächst zweitrangig sein dürfte. Für sie gilt als Traumerfüllung nach wie vor eines: Ein Porsche ist ein Elfer.

Technische Daten
Porsche 911 Carrera
Grundpreis85.538 €
Außenmaße4435 x 1808 x 1310 mm
Kofferraumvolumen135 l
Hubraum / Motor3614 cm³ / 6-Zylinder
Leistung254 kW / 345 PS bei 6500 U/min
Höchstgeschwindigkeit289 km/h
0-100 km/h5,1 s
Verbrauch10,3 l/100 km
Die aktuelle Ausgabe
Sport Auto 03 / 2022
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Erscheinungsdatum 04.02.2022

132 Seiten