Arrival Elektro-Transporter für UPS und Uber
Erster Check des E-Vans aus der Micro-Factory

Der britische Elektroautobauer Arrival entwickelt seit 2015 einen rein elektrisch angetriebenen Transporter mit einer Karosse aus durchgefärbtem Kunststoff. Er soll möglichst nachhaltig in kleinen Roboter-Fabriken entstehen. Hyundai und Kia haben 100 Millionen investiert, UPS hat 10.000 Fahrzeuge bestellt, Uber will auch. 2022 soll's los gehen. Wir konnten uns einen Prototypen ansehen.

Arrival Elektro-Transporte
Foto: Arrival

Der koreanische Autobauer Hyundai/Kia war mit einer Investition von 100 Millionen Euro – 80 Millionen kommen von Hyundai, 20 Millionen von Kia – im Herbst 2020 beim britischen Elektroautobauer Arrival eingestiegen. Mit der Partnerschaft wollen die Koreaner in den Markt der kleinen, rein elektrisch angetriebenen Nutzfahrzeuge einsteigen. Die von Arrival entwickelte, skalierbare Elektroantriebsplattform soll künftig auch unter kleinen und mittleren Transportermodellen der Asiaten zum Einsatz kommen. Hyundai/Kia setzt dabei vor allem auf die wachsende Nachfrage nach umweltfreundlichen Transportern in europäischen Ballungszentren. Die Arrival-Plattform soll dabei eine flexible Anpassung an die Kundenbedürfnisse abdecken. Erst im Juni zeigte Arrival erste Bilder eines Passagierbusses, für Uber entwickeln die Briten ein Shuttle-Fahrzeug auf Basis des Transporters..

Unsere Highlights

Drei Batteriegrößen, Karosse aus Kunststoff

Arrival will seinen Van in neun Länder, darunter Deutschland, Frankreich, Italien, Spanien, Portugal, Schweiz, Norwegen, Niederlande und Schweden bauen. Das Fuhrparkunternehmen LeasePlan hat laut Arrival 3.000 Lieferwagen bestellt und wird den Arrival Van in vielen europäischen Städten ausrollen. Laut Arrival haben im Sommer öffentliche Straßenerprobungen begonnen.

Im September 2021 stellte Arrival einen Prototyp seines Transporters in Deutschland vor und nannte Details zur Technik. Es soll drei Batteriegrößen mit Kapazitäten von 67, 89 und 111 kWh geben. Mit dem größten Akku soll der Arrival 290 Kilometer weit kommen. Laden lassen sich die Akkus dreiphasig mit 11 kW Wechselstrom oder bis zu 120 kW Gleichstrom. Die Anschaffungskosten sollen auf dem Niveaus von Fahrzeugen mit Diesel-Antrieb liegen, aber für die Gesamtkosten inkl. Unterhalt (Total Cost of Ownership) verspricht Arrival eine Ersparnis gegenüber Verbrennern von bis zu 50 Prozent an. Die Briten möchten mit der Auslieferung ihres Vans im dritten Quartal 2022 beginnen. Das Ladevolumen bei der Walk-in-Hochdachvariante für Lieferdienste (2,73 Meter Fahrzeughöhe) soll bis zu 13,5 m³ betragen. Diese Version soll 5,92 Meter lang und ohne Spiegel 2,08 Meter breit sein. Der Radstand überspannt satte 3,55 Meter, der Laderaum ist 3,45 Meter lang, der Wendekreis soll 12,9 Meter groß sein. Arrival will verschiedene Versionen mit einer Gesamtlänge zwischen 5,1 und 6,5 Meter anbieten. Als Höchstgeschwindigkeit verspricht Arrival übrigens 120 km/h.

Der Arrival-Transporter hat einen Rahmen aus Alu, der Komponenten wie Batterien, aber auch Batteriemanagement und Wandler aufnimmt. Alle Komponenten sitzen in Modulen, die entweder 10 x 10 Zentimeter oder ein Vielfaches messen, was die Produktion und eine später eventuell nötige Reparatur erheblich vereinfachen soll. Die Karosse besteht aus klar gestalteten Formteilen. Das Material ist eine Mischung aus Fieberglas und Polypropylen und kommt auch im Interieur zum Einsatz. Es ist durchgefärbt und daher unempfindlich gegen Kratzer sowie in gewissem Maß auch gegen Dellen, weil es elastisch ist. Laut Arrival ist es zudem so leicht, dass das Gesamtgewicht trotz der schweren Batterien nicht über dem von Diesel-Fahrzeugen liegen soll. Als Leergewicht gibt Arrival je nach Akkugröße 2595 bis 2835 kg an, das maximale Gesamtgewicht soll 4,25 Tonnen betragen, die  Nutzlast variiert also je nach Batteriegröße von 1455 bis 1615 kg.

Zentrales Bedienelement im Cockpit ist ein 15,6 Zoll großer Touchscreen. Zur Sicherheitsausstattung zählen eine 360-Grad-Überwachung, digitale Außenspiegel, eine Verkehrszeichenerkennung sowie ein Spurhalteassistent. Am Prototyp waren zusätzlich zu den Rückspiegeln Kameras angebracht. Sie sollen optional bestellbar sein.

Erstkontakt mit dem britischen E-Transporter

Der graue Transporter mit dem klaren, ruhigen Design ist klar erkennbar ein Prototyp. Die Verkleidung an der A-Säule hebt sich ab und auch innen sind einige Unsauberkeiten erkennbar. Der Einstieg in den Laderaum gelingt über die niedrige Ladekante hinten und dank der enormen Höhe einfacher als bei manch öffentlicher Toilette. Die Karosserieplatten und geräumige Regale innen hängen an kräftigen Bögen aus glänzendem Alu. Eine Bahn milchglasigen Kunststoffs im Dach lässt viel Licht in den Laderaum, so dass der Paketbote die Adressen auch ohne Taschenlampe erkennen können sollte. Sollten seine Schuhe Straßendreck tragen, würde man das allerdings nachher am dunklen Bodenbelag gut erkennen – zumindest waren nach der Präsentation auf einer Kiesfläche jede Menge Fußspuren im Auto. Die Reinigung dürfte aber kein Problem sein, da der Boden völlig glattflächig ist.

Die Laderaumeinrichtung ist natürlich variabel, die Regale sind sicher die klassische  Variante für Zustelldienste. Wie bei Fahrzeugen für diese üblich ist der Durchgang zur Fahrerkabine geräumig und einfach. Der Arbeitsplatz dort ist geräumig, Platz nehmen hinter dem Steuer (hier rechts) gelingt ohne Mühe, der Sessel selbst ist bequem und ordentlich längs verstellbar, das Lenkrad steht nicht so flach wie von einem Lieferwagen erwartet. Die Aus- bzw. Übersicht ist prima, die Sonnenblende riesig. Der Dachhimmel ist immerhin mit grauem Filz bezogen und hinter dem Fahrersitz wartet ein Haken auf die wetterfeste Jacke. Die Gangwahl (D, P, R, N) erfolgt über einen Lenkstockhebel rechts, der Rest der Bedienung über den großen Touchscreen in der Mitte. Die rechte (Fahrer)tür funktioniert konventionell im Seitenfenster ist ein kleineres zum Rauf- und Runterschieben. Zur Gehsteigseite kann der Zustellfahrer durch eine Schiebetür aussteigen, die man bei vielen Paketdiensten auch während der Fahrt oft offen sieht. Direkt vor der Öffnung ist noch ein Klappsitz für einen Passagier angebracht. Beim Test durch den 1,84 Meter großen Redakteur erwies sich die Sitzfläche allerdings zwar als spärlich gepolstert, aber insgesamt nachgiebig. Das wirkte weder bequem noch stabil, dürfte allerdings auch selten auffallen – Personentransport ist ja nicht das Metiers dieses Fahrzeugs. Als Transporter für alles andere scheint der Arrival aber bestens geeignet.

UPS wird Großkunde

Arrival Elektrotransporter UPS
UPS
UPS hat sich bereits 10.000 Fahrzeuge bestellt.

Überzeugt von der Arrival-Technik ist auch der Logistiker UPS. Das Unternehmen hat zur Elektrifizierung seiner Lieferwagenflotte bei Arrival 10.000 elektrisch angetriebene Transporter geordert, die zwischen 2020 und 2024 ausgeliefert werden sollen. Der Auftragswert beträgt mehrere Hundert Millionen Euro. Die Elektrotransporter sollen in den Flotten in Europa und Nordamerika zum Einsatz kommen. Zudem will UPS sich auch finanziell am Unternehmen beteiligen. Angaben zur Höhe der Beteiligung gibt es keine.

Lokale Produktion in Micro-Factories

Das britischen Unternehmen Arrival ist aus Charge Automotive hervorgegangen und beschäftigt mittlerweile 2100 Mitarbeiter. 70 Prozent davon sind Ingenieure, der Großteil davon beschäftigt sich mit Software. Das Entwicklungszentrum liegt in Banbury, die erste Produktionsstätte soll im dritten Quartal 2022 in Bicester den Betrieb aufnehmen. Diese erste so genannte Micro-Factory wird Blaupause für zahlreiche weitere; die nächste wollen die Briten in Madrid entstehen lassen, um einen Fuß in Europa zu haben. Die dezentralen Fabriken sollen kostengünstig, lokalisiert und ohne großen Energieaufwand zu 70 Prozent automatisiert arbeiten. 250 Mitarbeiter sollen in ihnen pro Jahr bis zu 10.000 Fahrzeuge produzieren – so viele Golf produziert VW in einem halben Monat.

Aber Arrival verabschiedet sich bewusst von der Massenfertigung, deren teure Fabriken nur mit möglichst großen Stückzahlen rentabel arbeiten. Während in ihnen mehrere 1000 Industrieroboter zum Einsatz kommen, sind es in einer Micro-Factory nur 70. Sie sind zu kleinen Inseln auf 202 mal 20 Meter gruppiert und bauen in einer Art Fabrik in der Fabrik die Autos zusammen. Die Teile dafür entstehen in großer Fertigungstiefe auch in der Fabrik; autonome Fahrroboter, die mit den Produktionsrobotern kommunizieren, versorgen diese mit Teilen. Ein Fließband gibt es genauso wenig wie eine Blechpresse (Karosse aus gut recyclebarem Kunststoff) oder eine Lackiererei. Allein das spart viel Geld. Die Technik in Modulen im Standardmaß lässt sich einfach zusammensetzen. Außerdem macht das Updates selbst für die Hardware im 18-Monats-Zyklus möglich.   

Umfrage
Steigen Sie während der Corona-Pandemie noch in einen Bus?
18298 Mal abgestimmt
Ja, da passiert schon nichts.Nein, Busse sind für mich durch.

Fazit

Eine neue Welle von elektrisch angetriebenen Postautos startet ihren Angriff auf die Verbrenner-Flotten. Der Großauftrag von UPS zeigt, dass der weltweit tätige Postdienst dem kleinen englischen Startup Arrival mehr zutraut als dem zur Deutschen Post gehörenden Streetscooter.

Zugegeben, das Faszinationspotenzial eines elektrisch angetrieben Lieferwagens oder Vans ist überschaubar. Aber das Besondere ist die Produktionsweise, die zu den kleineren Stückzahlen bei leichten Nutzfahrzeugen passt, aber gleichzeitig besonders nachhaltig sein soll. Das erreichen die Briten mit entsprechenden Materialien – auch der mit Streetscooter-Verwandte Kleinwagen ego.Life hat eine Plastikkarosse ohne Lackierung – und einer Modulbauweise, die mit ihren kurzen Modernisierungszyklen auch Pkw-Herstellern zu denken geben könnte. Apropos: An einem Pkw für Car-Sharing- oder Ride-Hailing-Dienste arbeiten die Briten auch schon. Zunächst muss aber der Transporter reibungslos in den Markt starten.