Fiat 500e (2020)
Mehr als nur ein Retro-Stromer

Den neuen Fiat 500 gibt es nur mit Elektroantrieb. Fährt der kleine Verführer wirklich so gut wie er aussieht? Auf Probefahrt mit einem schwarzen Vorserien-Prototypen durch das sommerliche Turin.

Fiat 500e, Exterieur
Foto: FCA

Ein Elektroauto für die italienischen Momente im Leben? Das gab es bisher nicht. Und nun steht ein neuer Fiat 500 in einer schattigen Halle tief in den Katakomben des Fiat-Werks Mirafiori bereit. Inoffiziell heißt er 500e, doch für Fiat ist er einfach der neue 500.

Die Plattform ist komplett neu, sagen die Fiat-Leute vorher bei einer Pressekonferenz ein paar Stockwerke höher im Mirafiori-Hauptgebäude. Sie findet in einem der heiligsten Räume des Riesenbaus statt: dem Direktorenzimmer, in dem schon die früheren Fiat-Chefs Giovanni Agnelli und Sergio Marchionne Besprechungen mit ihren Vorständen abhielten. Die Eckdaten des Antriebs sind bereits länger bekannt: eine E-Maschine mit 87 kW/118 PS Leistung, ein Lithium-Ionen-Akku mit 42 kWh, der nach WLTP bis zu 320 km weit reichen soll.

Neue Mobilität im Alltag

Zu bestellen ist der Elektro-Fiat bereits, nur wann die Auslieferung beginnt, scheint noch nicht so exakt festzustehen. Die Limousine kostet übrigens ab 34.900 Euro, das Cabrio ab 36.945 Euro.

Teuer, aber der Konkurrenz voraus

Viel Geld für ein Elektro-Citymobil auf den ersten Blick, doch zum Einen sind Konkurrenten wie Mini Cooper E kaum billiger, zum Anderen zeigt sich der 500 bemerkenswert üppig ausgestattet. Etwa mit 10,25 Zoll großen Touchscreen in der Mitte der Armaturentafel, über das Infotainment und Connectivity verwaltet werden. Smartphone-Integration und Navi gehören unter anderem serienmäßig dazu.

Und einem umfassenden Paket an Assistenzsystemen, von denen etliche bei der Konkurrenz nicht einmal gegen Aufpreis lieferbar sind. Ja genau, Mini, du bist gemeint. Dazu zählt die intelligente Geschwindigkeitsregelung iACC, der autonomes Fahren auf Level 2 ermöglicht. Eine Verkehrszeichenerkennung ist dabei, Spurhalter, Notbremsassistent mit Radfahrer- und Fußgängererkennung sind immer dabei, das kann sich sehen lassen.

A propos Fahren, das Rolltor am finsteren Ende der Halle rollt hoch, das bedeutet, es geht los.

Die Bedienung der Fahrsysteme gestaltet sich e-typisch einfach, Fuß auf die Bremse, Wahlschalter auf Normal, Fuß aufs Fahrpedal. Der Fiat stromert durch einen engen Gang auf den Hof, der zweite Handgriff tastet nach dem Faltdach-Schalter über dem Innenspiegel. Das Dach gleitet zurück, norditalienische Sommersonne erhellt das sehr freundliche Interieur.

Es wirkt qualitativ hochwertig, gut verarbeitet und elegant designt, mehr Premium-Kleinwagen als Billigheimer. Das Raumgefühl im kleinen Fiat hat gewonnen, und die Sitze sind eine Klasse besser als sie vom alten 500 in Erinnerung sind. Der wird übrigens vorerst weitergebaut. Die Verbrenner-500 werden weiterhin aus Tichy in Polen kommen, der Elektro-500 entsteht demnächst auf dem riesigen Mirafiori-Gelände hinter dem imposante Art Deco-Bau. Bis zu 80.000 E-500 können hier pro Jahr gebaut werden, sagt Fiat. Und bei Bedarf könne die Kapazität erweitert werden.

Klein, komfortabel und agil

Eine Straße vor dem Mirafiori-Werk heißt immer noch Corso Unione Sovietico, so als wäre Palmiro Togliatti Generalsekretär der italienischen Kommunistischen Partei und als liefen dort hinten Fiat 500 Nuova vom Band wie 1957. Das passte zu dem Design des neuen 500, der Details seiner Vorfahren liebevoll zitiert, ohne sie plump nachzuahmen. Designchef Klaus Busse hatte übrigens sichtlich Freude daran, vor der Fahrt ein paar Details am Projekt 500 mit E-Antrieb zu erläutern. Der Heckabschluss im Winkel von genau 36 Grad, wie ihn auch der Nuova 500 von 1957 aufweist, oder die durchgehende horizontale Line, die sich entlang der Motorhaube und durch die Scheinwerfer fortsetzt. Zwar wurde der 500 in alle Richtungen ein paar Millimeter größer, der Charakter blieb erhalten. Das ist ein 500, keine Frage.

Design und Umgebung passen ebenso zum Fahrgefühl im elektrischen 500, der leicht und agil durch den Turiner Verkehr wuselt. Der E-Antrieb liefert Drehmoment auf den Punkt, bei Ampelstarts und beim Lückenspringen ist der Fiat immer vorn dabei. Die 87 kW haben bei Stadt-Tempo erwartbar wenig Mühe, außerhalb soll er nach Werksangabe bis zu 150 m/h schnell werden.

Zum Fahren gäbe es zudem die Position "Range", die verbrauchsoptimiertes One-Pedal-Fahren bietet. Außerdem steht noch der sogenannte "Sherpa"-Modus zur Verfügung, er reduziert die Funktionen aufs Minimum, wenn es nur noch darum geht, die nächste Ladestation zu erreichen. Haben wir beides kurz ausprobiert. Macht mehr Spaß mit zwei Pedalen. Der Verbrauch im Display pendelt während der nicht sehr schonend gefahrenen Stadtrunde zwischen 15 und 18 kWh/100 km, das passt zur WLTP-Angabe von 13,2 kWh/100 km.

Erstaunlich ausgewogen der Komfort, der Elektro-500 scheint deutlich feiner zu federn als sein Verbrenner-Bruder, trotz der großen 17-Zöller. Der Eindruck scheint umso bemerkenswerter, als die Straßen in der Innenstadt von Turin und entlang der Po-Promenade (falls Sie jetzt was anderes denken, der Fluss heißt nun mal so) sind alles andere als tischeben. Wir holpern über Brücken, die die Namen italienischer Könige aus dem Geschlecht der Savoyer tragen, die Lenkung kommt direkt zur Sache, auch das gehört zur 500-DNS.

An einer Ampel stoppt ein Herr in einem betagten Panda. Das sei doch der neue elektrische 500, sagt er durch die offenen Fenster. Ich nicke. Bellissima, ruft er, bevor die Ampel umspringt. Noch einmal Corso Unione Sovietico, großer Kreisverkehr, Corso Giovanni Agnelli, dann ist die Ausfahrt durch Turin schon vorbei. Schade, die Batterie hat noch über 200 km in Petto.

Fazit

Der beste 500, den man zur Zeit kaufen kann? Ja doch. Der 500e überzeugt mit italienischem Charme, guter Qualität, kräftiger E-Maschine, tollen Fahreigenschaften und alltagstauglicher Reichweite.