Fahrbericht Alfa Romeo 4C Spider
Karbon und Krach für Herz und Puls

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Verstaut der Alfa-4C-Pilot das Verdeck im Kofferraum und gibt Gas, darf er einen 240-PS-Orkan genießen. Hat der 4C als offener Spider auch die üblichen Cabrio-Nachteile?

Alfa Romeo 4C Spider Fahrbericht
Foto: Hans-Dieter Seufert

Eigentlich bringt es ja nichts als Nachteile, einen ernsthaften Sportwagen zum Cabrio umzustricken. Egal, was man am Chassis versteift: Ohne festes Dach wird die Struktur weicher. Zudem drohen Undichtigkeiten bei Regen oder in der Waschstraße.

Nicht zu vergessen, die höheren Windgeräusche. Wäre da nicht ein entscheidender Grund, alle Nachteile in Kauf zu nehmen: Ohne Dach weht einfach mehr Sound herein; im Falle des Alfa Romeo 4C Spider schwappen die Schallwellen nur so ans Ohr – und konkurrieren mit dem orkanartig tosenden Wind.

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Devise beim Alfa 4C Spider heißt "Dach weg, Sound an"

Schon bei der Präsentation der geschlossenen Variante vor eineinhalb Jahren haben wir uns gefragt, wie denn die Zulassungsbehörden dem optionalen Sportauspuff ihren Segen verleihen konnten. Beim geöffneten Spider scheint alles noch dramatischer zu sein, weil das Dach als Dämmstoff fehlt. Der Vierzylinder-Turbo grollt, pfeift, schnaubt, wiehert und krakeelt sich dem Begrenzer entgegen. Dazu das tiefe Räuspern beim Schalten unter Last. Und beim Gaswegnehmen bollert es aus vollem Rohr.

Mehr Dramatik kann man einem Vierzylinder heute maximal noch bei einem Motorrad oder einem Wettbewerbsauto entlocken. Und tatsächlich erinnert der Alfa an ein Rallyecar, klingt wichtiger als es 1.750 ccm Hubraum erwarten lassen, mischt blecherne Aggressivität zum bassigem Grundton und erlaubt dem Lader so ziemlich alles an Lebensäußerung, was eine Turbine samt Abblasventilen von sich geben kann. Mehr dürfte nicht gehen. Denkt man zumindest – bis dann der Projektverantwortliche einen Titan-Sportauspuff von Akrapovic ab Jahresende ankündigt und ungläubiges Kopfschütteln erntet - damit soll der Sportler noch lauter sein.

Das "C" steht nicht für "cruisen"

Aber schon so bringt der 4C Spider alle, die ihn wirklich fordern, nach kurzer Zeit in eine Art Ausnahmezustand. Die Stresshormone Cortisol und Noradrenalin fluten den Körper, die Muskulatur spannt sich an, die Temperatur steigt, das Herz pocht. Nach wenigen Kurven greift die Rastlosigkeit des Sportlers um sich; dann hat einen der 4C gepackt.

Dem geöffneten Spider gelingt das ratzfatz, weil Umwelteinflüsse und Akustik den Fahrer durch den fehlenden Filter nach oben noch direkter treffen. Schon bei 150 km/h brüllt der Wind die Flimmerhärchen in beiden Ohren nieder. Dabei könnte der 4C noch 100 km/h aufsatteln – und gefühlt wohl 100 Dezibel. Nur wer regelmäßig ohne Ohrenstöpsel auf Heavy-Metal-Konzerte geht, dürfte an ähnliche Pegel gewöhnt sein.

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Doch nicht nur die Flut an Sinnesreizen macht den 4C Spider so besonders. Es ist der Schlagabtausch zwischen Mensch und Maschine, wie er bei modernen Autos nahezu ausgestorben ist. Die technische Evolution hat fahrdynamische Kanten abgeschliffen und Kompaktwagen im Sportlook hervorgebracht – irre schnell, einfach zu fahren, aber beliebig. Der 4C dagegen ist irre schnell, nicht immer einfach zu fahren und sehr, sehr speziell. Etwas Ähnliches gibt es nur noch bei Lotus - aber ohne diesen lebenden Motor und mit Alu-Chassis.

Alfa Romeo dagegen gönnt sich ein deutlich aufwendigeres Monocoque aus kohlefaserverstärktem Kunststoff, was derzeit die Produktion stark limitiert: Von den erhofften 3.500 Stück pro Jahr ist die Fertigung noch weit entfernt. Seit März 2013 liegen 2.700 Bestellungen des Coupé vor, aber erst 1.400 Stück wurden ausgeliefert, 244 davon nach Deutschland.

Gewicht liegt doch über einer Tonne

Vor allem auf schlechten Straßen zeigen sich ausschließlich die Vorteile des Kohlefaser-Chassis. Der teure Kunststoff ist derzeit die einzige Möglichkeit, die Struktur leicht und trotzdem stabil zu halten. Wobei natürlich der Traumwert von unter einer Tonne, die Alfa Romeo beim Leergewicht angibt, das Fahrzeug ohne Flüssigkeiten beschreibt.

Betriebsbereit liegt der Spider deutlich über 1.000 Kilogramm, 45 Kilogramm mehr als beim Coupé. Acht Kilogramm stammen etwa von der Verstärkung des Chassis, ein weiteres steckt als Überrollschutz im Scheibenrahmen. 15 trägt die beim Spider serienmäßige Klimaanlage bei und die neu designten Bixenon-Scheinwerfer wiegen sechs Kilogramm mehr als die viel gescholtenen Pendants im Coupé. Das Softtop selbst kommt übrigens auf sieben Kilogramm.

Alfa 4C Spider: steif, hart, spaßig, teuer

Dennoch zeigt sich der Vorteil der Karbon-Technik plakativ: Auf schlechten Straßen gibt es beim 4C Spider kein Klappern, kein Ächzen, keine spürbare Verwindung – nur ein spannendes Fahrverhalten. Jede Bodenwelle beeinflusst die Lenkung, lässt den Alfa tigern, wandern, versetzen. Und der Fahrer hat alle Hände voll zu tun, den Kurs zu korrigieren.

Spätestens jetzt wird man Teil des Konzepts, das da lautet: Es geht ums Fahren, um nichts als das Fahren. Und zwar in seiner rohen, derben, ungehobelten Art. Da gibt es keine Servolenkung, kaum Federung, wenig Geräuschdämmung. Da passt kein Blatt zwischen Konzept und Realisierung; so radikal dürfen die wenigsten Ideen auf die Straße. Bei Alfa Romeo, der gebeutelten Fiat-Tochter schon – vielleicht mit einer Portion Jetzt-isses-eh-egal und viel Ganz-oder-gar-nicht-Mentalität.

Weil sich der 4C auch als Spider so radikal fährt, wie er aussieht. Weil er nach einem Zupacker am Lenkrad verlangt. Weil er außer auf der topfebenen Rennstrecke permanent Korrekturen erfordert. Weil er im Grenzbereich nach wachen Reflexen verlangt. Deshalb wird es einem ziemlich schnell ziemlich warm – nicht nur ums Herz. Und nicht nur, weil die Sonne Norditaliens fröhlich durch die Dachluke scheint.

Das einzige, was das Verhältnis zum 4C Spider nachhaltig abkühlt, ist sein Preis: Er soll in Deutschland 72.000 Euro kosten.

Technische Daten
Alfa Romeo 4C Spider
Grundpreis72.000 €
Außenmaße3990 x 1868 x 1189 mm
Kofferraumvolumen110 l
Hubraum / Motor1742 cm³ / 4-Zylinder
Leistung177 kW / 240 PS bei 6000 U/min
Höchstgeschwindigkeit257 km/h
Verbrauch6,9 l/100 km
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Sport Auto 03 / 2022
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Erscheinungsdatum 04.02.2022

132 Seiten