Audi R8 LMS Ultra und R18 E-Tron Quattro
24h-Sieger im direkten Duell

Der Audi R8 LMS Ultra und der R18 E-Tron Quattro haben 2012 die 24-Stunden-Klassiker in Le Mans und am Nürburgring gewonnen. auto motor und sport bittet zusammen mit den Instruktoren Dindo Capello und Markus Winkelhock zum Duell.

Audi R8 LMS Ultra, Audi R18 E-Tron Quattro, Fahrzeuge
Foto: Achim Hartmann

Sowohl der Audi R18 E-Tron Quattro wie auch der R8 LMS Ultra tragen noch die Spuren ihres Ein-Tages-Marathons. Bevor die beiden Sieger der 24-Stunden-Rennen in Le Mans und am Nürburgring ins Museum gepackt werden, darf ich sie noch einmal in Hockenheim bewegen. "Wir haben nach den Rennen nur den Staub mit Wasser abgespült", erklärt Audi-Rennleiter Wolfgang Ullrich. Mit Stolz zeigen die beiden leichte Kampfspuren - schwarze Gummi-Male, kleine Beulen und abgeblätterte Lackstellen.

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Die Technik aber ist top-fit. Und der R18 E-Tron kann mit einer Besonderheit aufwarten: einem Hybridsystem. Das Massenschwungrad mobilisiert bis zu 150 Kilowatt und gibt diese Leistung ab Tempo 120 an die beiden Vorderräder ab. Dann zieht er über alle Viere - Quattro eben.

Hybrid-Antrieb verlangt besondere Vorsicht

Nachdem der Sechszylinder-Diesel warmgelaufen ist, heult das Schwungrad weiter. Pumpen erzeugen ein Vakuum, damit es freier laufen kann - maximal 45.000 Umdrehungen liegen dabei an. Das Schwungrad besteht aus kohlefaserverstärktem Kunststoff. Das Hybridsystem rotiert direkt neben dem Fahrer. Und was passiert bei einem Unfall? Es soll sich durch Hitze selbst auflösen. Das Harz verdampft, die Fasern fallen einfach nach unten. Ullrich: "Ich habe das am Prüfstand gesehen."

Der R18 operiert mit 400 Volt. Deshalb gibt es vor dem Start eine extra Hybrid-Einweisung. Auf dem Dach steht ein Kästchen mit dem Warnhinweis: "Achtung Hybridaufbau!" Neben dem Tankdeckel ist eine Leuchtdiode. Blinkt sie grün, wird Spannung aufgebaut. Grünes Dauerlicht bedeutet: Es liegen 400 Volt Spannung an. Rot: Achtung, ein Defekt!

Im Cockpit gibt es für den Fahrer zwei Leuchtdioden mit den gleichen Signalen. Und ganz wichtig: Rollt der R18 Richtung Box, dann hat der Pilot einen Drehschalter bis zum Anschlag nach rechts zu drehen und das System zu entladen. Anschließend wird ein Kippschalter nach oben gezogen und das System entschärft. Als Erster darf nun der Elektriker mit Gummi-Stulpenhandschuhen ans Auto. Er kontrolliert und erklärt das Auto für "frei". Erst jetzt können die restlichen Mechaniker Hand anlegen.

700 PS im Audi R18 E-Tron Quattro

Insgesamt kommen V6-Turbodiesel und Hybridsystem auf eine Leistung von 700 PS, die wir heute eigentlich nicht wirklich brauchen. Hockenheim präsentiert sich von der garstigen Seite: drei Grad, nasse Piste. Dindo Capello soll den Le Mans-Sieger warmfahren. Nach ein paar Runden fällt er ein vernichtendes Urteil: "Ich glaube nicht, dass du bei diesen Bedingungen mit einem solchen Sportwagen viel Spaß haben wirst. Pass ja auf. In der Links nach Kurve zwei habe ich das Auto fast verloren."

Es ist immer noch richtig nass. "Vor der Mercedes-Tribüne blockieren die Räder. Am Eingang zum Motodrom ist der R18 praktisch unfahrbar. Und in der Senke fährst du innen wie auf Eis, außen wie auf Schnee." Renningenieurin Leena Gade meint: "Normalerweise haben wir in den Reifen eine Temperatur von mindestens 50 Grad. Jetzt sind es 15."

Das kann ja heiter werden. Zunächst klemmt es auch noch am Sitz. In den von Dindo komme ich erst gar nicht rein. Tom Kristensens Sitz kneift übel an den Hüften. Nur die Kunststoffschale von Marcel Fässler passt einigermaßen. Platzangst darf man im R18 nicht haben.

Links macht sich das Hybrid-Schwungrad breit, rechts kauert der Chauffeur. Warum eigentlich rechts? Die meisten Rennstrecken gehen doch rechtsherum. "Das Moncoque ist sehr eng. Und der Fahrer braucht neben dem Kupplungspedal noch eine Abstützung. Wenn wir ihn links platziert hätten, dann säße er schräg im Auto. Sitzt er rechts, dann können wir mit dem Gaspedal ganz an die Cockpit-Wand", erklärt Ullrich.

Fehlstart in der Boxengasse

Die Spannung steigt - und das nicht nur beim Hybridsystem. Zündung an. Den roten Starterknopf am Lenkrad gedrückt - und der Sechszylinder-Diesel meldet sich artig zum Dienst. Kupplung treten und den Ersten mit der Schaltwippe einlegen. Aber das Display schlägt Alarm. Also erst den Neutralknopf drücken und dann erneut in den Ersten. Kupplungspedal raus - und der Motor stirbt ab. Peinlich. Noch mal von vorn.

Aber dann geht es auf die Piste. Es sieht zunächst alles gar nicht so schlimm aus. Etwas feucht, ja. Aber Dindo hat nicht übertrieben. Sobald man etwas pusht, hagelt es augenblicklich Aha-Momente. Die Räder stehen beim Anbremsen blitzartig, und der Audi R18 rodelt weiter. Dafür gibt es eine Traktionskontrolle, die sich in zwölf Stufen am Lenkrad verstellen lässt. Dindo rät zu Stufe neun. "Aber verlass dich nicht drauf. Wir fahren mit 700 PS." Also vorsichtig aufs Gas, und wenn das Auto gerade steht, dann runter mit dem Pedal. Der Vortrieb ist berauschend.

Der Audi R18 schießt förmlich nach vorn und schnupft die Gerade weg. Dabei hat er mit einem Handikap zu leben: Erst bei Tempo 120 zieht der Hybrid auch die Vorderräder nach vorn. "Auf manchen Strecken haben wir Nachteile gegenüber dem Toyota, der seine zusätzliche Hybridleistung an die Hinterachse abgibt und deshalb laut Reglement auch bei niedrigen Geschwindigkeiten die Zusatz-Power einsetzen darf", erklärt Ullrich.

Sichtverhältnisse im Cockpit eingeschränkt

Heute ist weniger Vortrieb, sondern eher Grip das Problem. Vor der Mercedes-Tribüne steht Wasser. Okay, das wird etwas rutschen. Aber es hört nicht auf. Der Einlenkpunkt ist längst vorbei, und der Audi R18 rutscht bis an die Kerbs am Kurvenaußenrand. Apropos Scheitelpunkt. Der Chauffeur sitzt recht tief im R18. Die Sicht nach vorn ist ganz gut. Für die Frontscheibe gibt es sogar Abreißfolien. Acht sind normalerweise aufgeklebt, zwei sind nach dem 24-Stunden- Rennen noch übrig.

Problematisch ist die Sicht seitlich. Die hochaufragenden Kotflügel versperren die Sicht in die Kurve. Steigt auch noch Gischt aus den Öffnungen der Kotflügel auf, wird der Scheitelpunkt zum Scheidepunkt. Wenn der Audi R18 nicht ohnehin mit stehenden Rädern am Einlenkpunkt vorbeirodelt, dann rumpelt er schon mal über die Randsteine am Kurveninnenrand - was noch peinlicher ist.

Später beruhigt mich Ullrich: "Über dieses Problem klagen alle. Aber wir müssen nun mal mit diesem Reglement leben. Vor allem, wenn sich ein Auto am Kurveneingang gedreht hat und noch in die Piste reinragt, dann kommt es zu Problemen." Beim Testen hat man schon seitliche Kameras und Monitore benutzt, aber die Fahrer kamen nicht klar damit.

Ganz anders verhält es sich mit dem fehlenden Innenspiegel. Den Heckbereich überwacht eine Kamera, das Bild erscheint auf einem Monitor - was toll funktioniert. Doch das Problem mit den hohen Kotflügeln und der bescheidenen Sicht bleibt. Deshalb setzt Audi bei einigen Strecken einen so genannten Spotter ein: einen Beobachter, der die Fahrer von außen warnt, wenn in den blinden Kurven Ungemach droht.

Ein Spotter würde mir nicht viel nützen, denn der Funk funktioniert auf der Strecke lausig. Ich höre Renningenieurin Gade zwar vage, verstehe sie jedoch nicht. Später flachst sie: "Das sagen meine Fahrer auch immer." Ich rolle Richtung Box. Jetzt den Drehschalter für das Hybridsystem auf Stufe zwölf, dann den Kippschalter nach oben. Ich hab das Potenzial des Audi R18 nicht ausgeschöpft, dafür waren die Bedingungen einfach zu schlecht. Aber es war ein spannendes Erlebnis.

Potenzial im Audi R8 LMS lässt sich erahnen

Und jetzt bin ich gespannt, wie der Nürburgring-Sieger Audi R8 LMS Ultra auf mich wirkt. Es ist eine völlig andere Welt, ein ganz anderes Raumgefühl. Man sitzt wie in einem normalen Sportwagen. Das Lenkrad lässt sich verstellen, und zur Traktionskontrolle gibt es auch noch ABS.

Welcher Luxus unter diesen Bedingungen. Inzwischen ist die Piste sogar etwas abgetrocknet. "Aber", warnt Nürburgring-Sieger Markus Winkelhock, "verlass dich nicht zu sehr auf die Traktionskontrolle. Das Auto neigt dazu, auch mal blitzartig auszubrechen."

Also Achtung: Vor der Mercedes-Tribüne steht immer noch etwas Wasser, Eingang Motodrom und in der Senke ist es weiterhin rutschig. Aber was soll's. Das hat jetzt wenigstens mit Rennfahren zu tun. Auch wenn die montierten Regenreifen nicht optimal zu den Mischverhältnissen passen: Es lässt sich erahnen, welches Potenzial in dem GT-Renner steckt - besonders auf der Bremse.

Die beiden Siegertypen rollen nun ins Museum. Für 2013 wird der Audi R18 E-Tron Quattro weiterentwickelt, der Audi R8 LMS tritt wieder am Nürburgring und in Spa zu den 24-Stunden-Rennen an. Nun aber sollen dort Privat-Teams um den Sieg fahren. Man kann nur hoffen, dass die Bedingungen dann besser sind als an diesem Novembermorgen in Hockenheim.