Chevrolet Corvette Stingray (C8) Cabriolet
Wasserscheu trotz Klappdach

Nach zwei Jahren schafft es die Corvette Stingray nun endlich offiziell nach Europa. Als kleine Entschädigung dürfen wir nun die Cabrio-Version fahren – auch bei Regen in einer Intensität, die selbst dem Coupé Probleme bereiten würden. Welche, lesen Sie hier.

Chevrolet Corvette C8 Cabrio
Foto: Lena Willgalis

So haben wir uns das nicht vorgestellt: Anders als die Schönwetterbilder suggerieren, macht der Herbst genau dort weiter, wo der Sommer aufgehört hat: Mit schmuddeligem Regenwetter. Nicht gerade optimale Voraussetzungen für die erste Ausfahrt mit einem Mittelmotor-Cabriolet, wie der Corvette Stingray. Dabei hat die C8 einen echten Sprung gemacht. Und zwar einen weit nach vorne, in die Moderne. Nein, das liegt nicht nur am ausgemusterten Blattfederwerk oder neuem Mittelmotor-Layout – also Heck-Mitte statt Front-Mitte. Sondern auch an Google im Infotainment.

Unsere Highlights

Das wissen Sie natürlich längst schon alles. Schließlich hat sich letztes Jahr ein umgemodeltes US-Coupé als Vorbote der C8-Ära in den großen auto motor und sport Einzeltest verirrt – oder hat ihn viel mehr gerockt. Und jetzt? Kommt das Cabrio, wie das Coupé offiziell zu uns. Ganze zwei Jahre dauerte die Homologation. Warum so lange? Abgas-Vorschriften, Lärm-Emissionen und natürlich Corona – Ja, auch wir können’s nicht mehr hören.

V8-Sauger mit Beat

Aber keine Angst, viel besser klingt was hinten aus den partikelgefilterten und somit Euro-6d-konformen Endrohren wummert. Ganz glar V8. Genauer: LT2 – ein 6,2-Liter-Smallblock mit zentraler, tiefliegender Nockenwelle und Wurzeln im Vorgängertriebwerk. Immer noch turbolos – ein echtes Alleinstellungsmerkmal unter den Mittelmotorsportlern. Was neu ist am V8? Offiziell: alles. Bohrung und Hub bleiben aber identisch. Wegen der zentralen sowie 2,5 Zentimeter tieferen Einbaulage erhielt der Achtzylinder ein neues Kühl- und Abgassystem, eine flachere Ölwanne, Trockensumpfschmierung und gleich drei Öl-Pumpen.

Schade nur, dass man die roten Ventildeckel bei der Oben-ohne-Vette nicht sieht. Statt der Glasscheibe wie im Targa-Coupé erstrecken sich hier zwei Airdome-Buckel samt versenkbarer Mittelscheibe und der Verdeckkasten über den V8. Der einzige optische Unterschied zwischen den C8-Varianten. Denn die achte Generation, wurde von Anfang an als Cabrio (mit-)entwickelt. Das extrem steife Chassis braucht deshalb keine Verstärkung. Obwohl die Haut des Daches erstmals nicht aus Stoff gefertigt ist, wiegt das Cabrio mit Klapp-Verdeck samt Mechanik nur 35 kg mehr als das Coupé. So verschiebt sich der Schwerpunkt nur leicht nach oben, aber das Design bleibt. Wie zum Beweis kaufen sie drüben in der neuen Welt nun fast so viele Cabrios wie Coupés – beim Vorgänger war es noch maximal ein Fünftel.

Nach Europa kommt die Stingray übrigens stets mit dem Z51-Performance-Paket, das unter anderem 345 und 350 Millimeter große Brembo-Bremsscheiben, die Spoiler für zusammen 180 kg mehr Abtrieb und eine geänderte Hinterradachsübersetzung beinhaltet. Und die Leistung? Mehr als genug, obwohl bei der Europäisierung ein paar Pferde und Drehmoment verloren ging. Übrig bleiben 482 PS und 613 Nm Drehmoment.

Fahrer sitzt hoch im Zentrum

Jetzt aber einsteigen: Und zwar würdevoll, ohne Yoga-Grundkurs. Man thront recht hoch in den gut ausgeformten Integralsitzen. Die Übersicht nach vorne? Bestens, auch dank der kurzen Frunk-Haube. Nach hinten? Na, raten Sie mal. Im geschlossenen Zustand erleichtert ein digitaler Innenspiegel den Blick zurück. Zudem eliminiert, die Kamera im Klappdach den toten Winkel. Blöd nur, dass sich Digitalbild und Reflektionen der Mini-Heckscheibe im Spiegelbild überlagern. Nichts, was sich nicht mit etwas Herumgefummel an der Spiegelposition beheben ließe.

Da wir sowieso gerade rumspielen: Schauen Sie sich doch bitte dieses Cockpit an! Allein das Jet-artige oben wie unten abgeflachte Lenkrad samt Schaltwippen und variablen Digitalanzeigen sowie Head-up-Display dahinter. Dazu ein beledertes Fahrmodi-Wählrädchen und Automatik- Wahlknöpfe. Das sieht alles gut aus, und fasst sich auch so an. Auch wenn Leder und Alcantara hier und dort ein paar Fältchen schlagen, verlaufen die Ziernähte fein säuberlich auf den verschiedenen Lederebenen und die Spaltmaße passen. Karbon ist zudem nicht nur Deko, sondern echt. Die Integralsitze schmiegen sich serienmäßigen auf Knopfdruck an, pumpen die Lordosenstütze auf, heizen ein oder kühlen ab.

Wie K.I.T.T. mit Google

Chevrolet Corvette C8 Cabrio
Lena Willgalis

Zugegeben das Interieur hat etwas von K.I.T.T. Und wissen Sie was, wie der Knight Rider versteht auch die neue Vette jedes Wort. Das ist aber nicht der Verdienst von Dr. Bonnie Barstow oder der Foundation für Recht und Verfassung, sondern Google-Software zu verdanken. Dass Navigieren auf dem schnell reagierenden Touchscreen, der sich dem Fahrer stark zuwendet, so kein Problem ist, dürfte jedem klar sein. Und auch die Klimaanlage bedient sich dank vertikal verlaufender Tasten bestens. Die C8 hat aber noch mehr Tricks drauf: So liftet sie die Vorderachse (1.950 Euro) an Tempo-Schwellen in drei Sekunden um fünf Zentimeter auf Knopfdruck in die Höhe – merkt sich die Stellen aber leider nur in den Staaten automatisch. Dafür zeichnet die Stingray auch hierzulande alles auf, natürlich nicht zur Überwachung von Verbrechern, sondern für Rundenzeitenanalysen.

Die Stingray macht sich ungern nass

Nun, davon sind wir heute, nicht nur mangels verfügbarer Rundstrecke, sondern auch wegen Dauerregens weit entfernt. Zwar stoppt die Digitaluhr den Beschleunigungsversuch auf 100 km/h automatisch mit, doch was dabei rauskommt, ist keiner Rede wert. Im Idealfall sollte es in 3,5 Sekunden klappen. Doch nicht heute: Auf der fast autoleeren A3 steht Wasser auch jenseits der Spurrillen. Die 296 km/h Topspeed ausloten? Daran ist nicht zu denken. Selbst Kurven Fahren ist zunächst nicht drin. Denn die Michelin Pilot Sport 4S auf 19- Zoll-Felgen vorn und 20 Zöllern hinten kommen bei lediglich zehn Grad Celsius nur schwer auf Temperatur. Dabei gelten die Michelin Pilot Sport 4S auf 19-Zoll-Felgen vorn und 20 Zöllern hinten als perfekte Alltags-Sport-Allrounder. Doch vor den Wassermassen, die sich gerade über den Spessart ergießen, müssen auch sie kapitulieren.

Damit die C8 überhaupt vom Fleck kommt oder halbwegs in der Spur bleibt, regelt die Traktionskontrolle permanent. Schon bei leichten Gasstößen droht einen das Heck zu überholen. Früher hätte man an dieser Stelle behauptet: Dass die Corvette ein Sportwagen für echte Männer sei. Heute empfehlen wir die Stingray im Regen diversen Fahrern nur, wenn die auch wirklich wissen, was sie tun.

Chevrolet Corvette C8 Cabrio
Lena Willgalis

Also Cruisen im (Schlecht-)Wetter-Modus. Und siehe da: Fahrkomfort, das kann die C8. So dämpft das 2400 Euro teure Magnetic Ride Fahrwerk sowohl lange als auch kurze Wellen souverän weg. Zu soft? Dann drehen Sie einfach am Rad, also dem für die Fahrmodi (Reise, Sport und Rennstrecke). Alternativ könnte man das Fahrwerk mechanisch auf der Hebebühne um zwei Zentimeter tiefer holen.

Drying by doing

Zeitsprung: Nachmittag. Es trocknet leicht ab. Zudem sind wir warm geworden, die Corvette und der Redakteur. Also Dach auf, und los. Während man im Coupé selbst Hand anlegen müsste, falten sich die Metallelemente auf Knopfdruck in 17 Sekunden noch bei Tempo 50 hinter den Sitzen zusammen. Die Frisur braucht jetzt dringend eine Dreiwetter-Taft-Dusche, weil der Fahrtwind sie ordentlich durchkämt. Fällt dann die Windschott-Scheibe, steht auch dem V8-Orkan nichts mehr im Weg.

So zoomt man sich mit einem Druck auf den Z-Knopf am Lenkrad in den gleichnamigen Modus – das geht schneller als sich durch die Fahrprogramme zu wühlen oder sich den Mein-Modus zu konfigurieren. Getriebe, Lenkung, Bremse, Auspuff, Gas- und Bremspedalkennlinie – alles steht jetzt auf Attacke. Und die Traktionskontrolle lässt die Zügel im Nässe-Betrieb (es gibt noch Trocken, Sport und zwei Rennstrecken-Konfigurationen) spürbar länger.

Chevrolet Corvette C8 Cabrio
Lena Willgalis

Der Achtgang-Doppelkuppler ist ohnehin kurz übersetzt, legt die Gänge brutal nach. Trotzdem zupft man gern selbst an den Alu-Wippen. So lassen sich Quersteher beim Herausbeschleunigen, durch automatisches Runterschalten umschiffen. Druck ist auch so stets genug vorhanden, denn Unmengen Hubraum versammeln schon im Drehzahlkeller genügend Newtonmeter, entfesseln alle 482 Pferde aber erst kurz vor dem Begrenzer bei Sechs-Sechs.

Auf der Landstraße fährt man so quasi alles im dritten Gang. Dabei spricht der Sauger unfassbar direkt an. Beschleunigungsgedanken werden unmittelbar in Vortrieb umgesetzt. Ebenso direkt: Die Lenkung. Die Corvette lenkt präzise ein und meldet jede Kleinigkeit. Dazu weiß auch der Bremsfuß was passiert. Obwohl das E-Boost-Bremssystem den ABS-Regelbereich natürlich gern verschweigt, sind Biss und Dosierung beeindruckend. Und wissen Sie was? Genau so haben wir uns das vorgestellt.

Der Preis bleibt heiß

Das gilt auch für den Preis des Cabrios, oder besser das, was man für mindesten 93.400 Euro bekommt. Klar, drüben in den Staaten ist die Corvette mit Einstiegspreisen von rund 60.000 Dollar ein echter Schnapper. Allerdings kauft dort keiner die nackte Basis mit Ganzjahresreifen. Bei uns ist das erwähnte Z51-Paket zudem genauso serienmäßig wie die meisten Annehmlichkeiten. So sind auch Head-up-Display oder elektrische Voll-Klima-Sitze bei der 2LT-Version stets an Bord.

Fazit

Die Unterschiede zur Stingray mit festem Dach sind überschaubar: Der V8-Sauger begeistert hier genauso wie das vergleichsweise günstige Preis-Leistungs-Verhältnis – schließlich ist das Cabrio für 93.400 Euro bereits sehr umfangreich ausgestattet. Das zickige Nass-Handling-Verhalten erfordert Mut und Können vom Fahrer.

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AUTO MOTOR UND SPORT 11 / 2024
AUTO MOTOR UND SPORT 11 / 2024

Erscheinungsdatum 08.05.2024

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