McLaren Artura
120 Grad-V6 im neuen Hybrid-Chassis

McLaren lebt den Supercar-Zeitgeist mit dem ersten Serien-Hybrid der Marke. Kompakt, clever, 680 PS. Fragen? Beantworten wir umgehend.

McLaren Artura
Foto: McLaren

Nun hat es auch die Truppe aus Woking erwischt. Bisher richteten sie sich im Supersport-Segment mit ihren Biturbo-V8 in unterschiedlicher Ausprägung samt Carbonchassis gemütlich ein, packten je nach Modell ein paar PS drauf oder einen Kofferraum rein.

Bis jetzt. Denn so ganz ohne Strom geht zukünftig nichts mehr, siehe Marktbegleiter Ferrari, die gleich zwei Plug-in-Hybride an den Start bringen. Und wie deren 296 GTB setzt auch der McLaren Artura (der Name ist eine Kombi aus "Art" und "Futur") im Zentrum auf einen Dreiliter-V6 mit 120 Grad Bankwinkel. Wobei McLaren die Sache mit ihrem ersten Serienhybrid ansonsten konsequent eigenständig angeht. Basierend auf einem neuen Chassis, MCLA genannt aus dem ebenfalls neuen Composites Technology Centre MCTC nahe Sheffield), welches das zentrale Carbon-Monocoque an Front und Heck mit Hilfsrahmen aus Aluminium kombiniert. Diese nehmen bei einem Crash Energie auf, können repariert oder getauscht werden, wo man das gute Stück früher wegschmeißen musste. Wäre ärgerlich, nicht nur wegen des Grundpreises jenseits 230.000 Euro. Auch clever: das Akkugehäuse versteift das Chassis, die hinteren Radaufhängungen nutzen wegen des kompakteren Motors radikaler positionierte Lenker für optimale Kinematik, sind zudem leichter (pro Seite 2,4 Kilogramm) sowie steifer.

Unsere Highlights
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Die Scherentüren sorgen stets für Aufsehen.

1,5 Tonnen Gewicht, 31 km E-Reichweite – heißt es

Die linearen Federn und die adaptiven Dämpfer samt vorausschauender Strategie sollen ja optimale Bedingungen erhalten. Weshalb McLaren gechipte Reifen verwendet, die permanent ihren Zustand melden und überhaupt die Vernetzung an Bord per Ethernet beschleunigt, was für Informationen quasi in Echtzeit sorgt und Kabel spart (minus 25 Prozent). So kann der biturbogeladene 585 PS-V6 plus seiner ins neue Achtstufen-Doppelkupplungsgetriebe integrierten E-Maschine (95 PS, 225 Nm) noch müheloser anreißen. Wie gesagt, kurz die Spitzen schneiden ist nicht, der Artura ist radikal neu – Executive Director Darren Goddard betont dabei explizit den ganzheitlichen Ansatz – und mit knapp 1,5 Tonnen sogar relativ leicht. Immerhin schleppt er den 130 Kilo-Hybrid-Ballast mit sich herum, wovon 88 Kilogramm auf den Akku entfallen. Mit 7,4 kWh netto knapp, jedoch ausreichend für elektrischen Topspeed 130 oder eine entsprechende Reichweite bis zu 31 Kilometer. Wird also nix mit dem E-Kennzeichen bei uns.

Lenkrad nur zum Lenken, Topspeed 330 km/h

Schlimm i wo. Schließlich geht es bei Volllast in drei Sekunden auf 100 km/h, in 8,3 auf 200 und in 21,5 auf 300, bevor man bei 330 abregelt. Warum eigentlich, so präzise wie der Sportler agiert. Leicht fühlt er sich an, ausbalanciert, ehrlich. Ob das auch an der elektrohydraulischen Lenkung liegt, die wie sie bei McLaren behaupten grundsätzlich transparenter arbeitet als elektromechanische? Gut möglich. Klar ist, dass es einem der Artura leicht macht hinterm Lenkrad, das – ja Wahnsinn – ausschließlich zum Lenken gedacht ist. Sämtliche Bedienelemente platzieren sie drumherum, aber nicht dran. Ob das mit dem daneben reinmontierten Infotainment-Kasten a la iPad allerdings so eine gute Idee ist, sei jetzt mal dahingestellt. Die Fahrmodi sind jedenfalls schnell justiert und während der Fahrt problemlos zu wechseln, was sowohl die Hybrid-Strategie als auch die Fahrdynamik betrifft. Die Assistenz reicht dabei bis zu einem Drift-Modus – auch ein Fall für das elektronisch gesteuerte Hinterachsdifferenzial, welches das Antriebsmoment situativ hin und her jongliert.

McLaren Artura
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Das Cockpit des McLaren Artura.

Hybrid-Kombo mit Punch und Drehfreude

Und natürlich den Antriebsstrang, dessen V6 am Gasfuß weniger wie ein aufgeblasener Downsizer rüberkommt, sondern ein akkurater Verbrenner. Je nach Modus bei langsamer Fahrt von der E-Maschine vertreten oder sanft unterstützt, dramatisiert sich sein Auftritt bei Modus-Eskalation. So hilft der Stromer dem Kurzhuber über Schwächephasen in niedrigen Drehzahlen hinweg und unterstützt extraschnelle Schaltvorgänge, während Direkteinspritzung mit 350 bar, symmetrisch aufgebaute, kugelgelagerte Turbolader samt elektronischen Wastegates sowie kurze Abgaswege ihn auf schnelle Reaktion plus Drehfreude trimmen. Check, sagen wir, sowie das Teil anreißt, durchzieht, ausdreht. Roter Bereich 8.200, Begrenzer bei 8.500.

Schnelles Schalten, feiner Sound

Da muss man den Dreiliter nicht zwingend hindrehen, will es aber. Einfach so. Aus Spaß. Er will es ja auch. Blitzartiges Schalten (200 Millisekunden) ohne Rucken, rauf und runter, bei gedankenschnellem An- und Absprechen. Untermalt von feiner Akustik aus der kompakten Abgasanlage. Kein Rowdy-Geschrei, keine Luftpumpen-Gesäusel. Klasse. Und typisch McLaren, wo man ja in der Regel charakterlichen Sicherheitsabstand zum Exzess hält. Auch beim Artura, der feinmechanisch habhaft lenkt, sich spielerisch und trotzdem ernsthaft (und schnell!) bewegen lässt, ein klares Bekenntnis zu Mittelmotor und Hinterradantrieb ablegt. Nie stressend, bei Bedarf durchaus fordernd, liefert er permanent vom Wohngebiet-Stromern bis Track-Attack.

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Geladen wird entweder intern vom Motor oder extern per Typ 2-Kabel.

Bremse ohne Rekuperation, dafür mit Transparenz

Wozu auch die Bremse beiträgt, die sich frei von Rekuperationsaufgaben voll dem, na? – richtig: Bremsen widmen kann. Gut so, das Carbonensemble mit Sechskolbenzangen vorn verzögert mit ultrafestem Druckpunkt, transparentem Gefühl und – soweit überprüfbar- hoher Standfestigkeit. Auch clever statt eines mechanischen Rückwärtsgangs erledigt die E-Maschine den Rangierbetrieb, wofür der Akku stets eine eiserne Reserve zurückhält. Apropos Akku: dieser speist sich entweder intern vom Motor oder extern per Typ 2-Kabel. Wie gesagt, ohne Strom geht ja heute fast nix mehr.

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Fazit

McLarens erster Serien-Hybrid pflegt mit seinem V6-Biturbo und 680 PS Systemleistung bei aller zeitgenössischer Stromerei und Digitalisierung noch feinste Fahrdynamik. Siehe tastenfreies Lenkrad, elektrohydraulische Lenkung und rekuperationsfreie Bremse. Der Artura beherrscht Alltag, Landstraßenspaß und Racetrack zugleich.

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AUTO MOTOR UND SPORT 10 / 2024
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Erscheinungsdatum 25.04.2024

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