Mitfahrt Mercedes GLE Coupé
So fährt der X6-Rivale

Mercedes folgt mit dem neuen GLE Coupé den erfolgreichen Pfaden des BMW X6. Ab Mitte 2015 soll der Crossover-SUV das Coupé-Erlebnis auf eine neue fahrdynamische Stufe heben. auto motor und sport war exklusiv bei Erprobungsfahrten in den USA dabei.

11/2014, Mercedes GLE Mitfahrt
Foto: Daimler

Der Graben wäre eine logische Option, rein fahrphysikalisch gesehen. Über zwei Tonnen Auto, basierend auf der Plattform der eher untersteuernd-komfortablen ML-Klasse, und ein Entwicklungschef, der einlenkt wie Rosberg auf Kampflinie vor Hamilton. Da darf der Beifahrer schon mal eine prädiktive Schadensanalyse starten und sich vor dem geistigen Auge vorstellen, wie sich die roten Felsen des von Mercedes für die letzten Abstimmungsfahrten ausgesuchten Valley of Fire bei Las Vegas in die verhüttete Front des Coupés dolchen.

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Das hieße aber, die Rechnung ohne die Fähigkeiten des neuen Mercedes GLE Coupés zu machen. Dem Auto, das Mercedes ab 2015 – basierend auf dem ML, Pardon, zukünftig GLE – als BMW-X6-Konkurrent platziert.

Mercedes GLE zeigt sich überraschend handlich

Sparen wir uns an dieser Stelle eine ausschweifende Diskussion über Sinn oder Unsinn solcher Crossover-Modelle. Sinnvoll ist für einen Autohersteller ein Auto, das seinen Markt findet, und der X6 hat als Hochparterre-Coupé bisher 260.000 Käufer angelockt. Von denen will Mercedes mit einer eigenen Interpretation jetzt auch was abhaben. So wie der BMW 2er Active Tourer andersrum vom B-Klasse-Erfolg.

Entwicklungsleiter Andreas Zygan forderte also von seiner Mannschaft für das neue Mercedes SUV-Coupé exzellente Längs- und Querdynamikfähigkeiten sowie Präzision und natürlich Komfort – es ist ja immer noch ein Mercedes. Die Kraxeleigenschaften stehen dagegen im Hintergrund. Trotzdem dauert es einen Moment, bis der Beifahrer die erlernten Erwartungen an so ein mächtiges Vehikel und dessen äußerst spurtreu-neutrales Einlenken in Popometer und Hirn zusammenbekommt. Die Agilität des Mercedes GLE bleibt überraschend, selbst wenn man kurz zuvor noch über das Handling des X6 gestaunt hat.

Mercedes GLE variiert Fahrdynamik auf Knopfdruck

„Wir fahren auf diesem Auto bis zu 22-Zoll-Räder der 325er-Dimension und damit die größten serienmäßig für einen Mercedes erhältlichen Reifen. Dazu haben wir eine komplett neu abgestimmte Lenkung eingebaut“, liefert Zygan die ersten technischen Mosaiksteinchen für die Fahrdynamik. „Ohne Rücksicht auf unseren üblichen kostensparenden Lenkungsbaukasten wollten wir eine direktere Lenkung. Das GLE Coupé soll sich richtig sportlich und eigenständig anfühlen.“

Das tut es, und die recht geringen Lenkbewegungen Zygans verdeutlichen die zackige Lenkübersetzung von 17,5 : 1 im Vergleich zu über 19 : 1 beim ML. Gleichzeitig senkten die Ingenieure den Schwerpunkt um ein bis zwei Zentimeter ab und integrierten „Fahrdynamik 2.0 durch Dynamic Select“, wie es Zygan nennt. Auch hier folgt Mercedes wieder den Pfaden BMWs und bietet die schwäbische Variante eines Fahrerlebnisschalters mit den Stufen Glätte, Komfort, Sport und Sport plus an. „Im Gegensatz zu anderen Lösungsansätzen erlebt der Fahrer hier die verschiedenen Fahrprogramme sehr deutlich“, sagt Zygan. Die Regelsysteme passen dabei die Charakteristik von Fahrwerk, Lenkung und Antriebsstrang an die verschiedenen Modi an. Etwas Show ist heute unvermeidbar, also verändern sich dabei sogar die Instrumentenbeleuchtung und das dynamische Fahrlicht.

Im Komfort-Modus ist das Mercedes GLE Coupé ein entspannter und sehr leiser Cruiser, der sich auch auf den weiten Highways Amerikas sehr wohl fühlt. Trotz sportlicher Bereifung nimmt er auch harte Querfugen sehr gelassen und wechselt die Gänge kuschelsanft und zügig. Die 9G-Tronic oder – wie die Entwickler lieber sagen – NAG-3 (neues Automatikgetriebe der dritten Generation) ermöglicht mit etwas größerer Gangspreizung effizientere Fahrweise und macht sonst das Beste, was ein Automatikgetriebe tun kann: nicht auffallen.

Konfiguriert sich der Pilot in den Sport-Modus, kommen leichte Schaltrucke in den Fahrfluss, die die Dynamik verdeutlichen sollen. Dazu werden die stufenlos regelbaren Dämpfer des ADS-Plus-Systems straffer, und der Sechszylinder-Biturbo beißt bissiger und mit kernigerem Ton zu. Immer wieder würzt eine Prise Zwischengas beim Zurückschalten den kehlig-sportlichen Sound.

Wanken erfolgreich ausgetrieben

Vor allem die aktive Wankstabilisierung lindert den sonst aufbrausenden hohen Seegang eines solchen Autotrumms auf fast schon sensationelle Weise. Bei gerader Fahrt entkoppelt sie die Stabilisatoren für möglichst hohen Komfort. Man kann diesem Autokonzept sicherlich kritisch gegenüberstehen, aber was die Mercedes-Ingenieure an Fahrdynamik rausgeholt haben und wie sich der GLE gegen Untersteuern stemmt, das ist sehr beeindruckend. Wenn Zygan durch die Wüste bei Las Vegas pfeilt, fühlt es sich an, als wäre eine halbe Tonne Gewicht weggeregelt worden.

Dabei konnten die Ingenieure im Gegensatz zu BMW nicht auf die querdynamische Wunderwaffe Torque Vectoring, also die aktive Kraftverteilung auf der Achse, zurückgreifen. Dafür ist der Baukasten des bisherigen ML einfach nicht mehr ausgelegt. Der Mercedes-Allradantrieb verteilt die Kraft dagegen gewohnt zwischen den Achsen und kann mit einer adaptiven Bremse zumindest etwas Torque Vectoring simulieren. Viel Aufwand, um ein Mountainbike zum Rennrad zu machen, aber einer, der sich lohnt, weil das Coupé sich völlig anders fährt als der Basis-SUV. Zygan grinst: „Auf Knopfdruck pumpt der Neue Adrenalin“ – in ein bekanntes Interieur, möchte man hinzufügen. Denn dort hat sich bis auf etwas Sportkosmetik, eine stilisierte Zielflagge in den Instrumenten und eine neue Digitalshow, nicht so viel getan.

Was sich an den Motoren exakt ändert, wollte Zygan dagegen nicht verraten. Der mühelos bullige Antritt im Valley of Fire lässt aber darauf schließen, dass die bekannten Sechszylinder-Turbos noch etwas mehr Feuer bekommen haben. Richtig brennen wird es aber, wenn irgendwann die AMG-Version mit dem neuen Vierliter-V8 aus den Hallen darf.

Sendetermin: Mercedes GLE Coupé bei VOX „auto mobil“ am 16.11.2014, 17 Uhr.