Opel Astra GSe
War die erste Fahrt mitreißend?

Lang ist es her, dass Opel ein echtes Sportmodell einer Baureihe auf die Räder gestellt hat. Mit dem Astra GSe ändert sich das nun zur Freude der Opel-Fans. Aber ist der 225 PS starke Plug-in-Hybridantrieb die richtige Wahl?

Opel Astra GSe
Foto: Opel

Der Hot Hatch ist vom Aussterben bedroht. Für viele Hersteller ist er zu CO2-intensiv und steht dem Erreichen der EU-Flottengrenzwerte im Weg. Für manche Marken lohnt sich schon die Basis nicht mehr – siehe Mercedes A-Klasse und Ford Fiesta. Opel hingegen belebt sein GSe-Kürzel wieder, macht das E für Einspritzung zum e für electric und krönt die Astra-Reihe mit einem sportlichen Topmodell, dass sich nicht negativ auf die EU-Emissionsbilanz auswirkt. Der 225 System-PS starke PHEV-Antrieb mit Achtgang-Wandlerautomatik ist zwar Konzernware mit freundlichen Grüßen aus Frankreich, aber der GSe bekommt neben haltstärkeren Sitzen, eigenständigem Design durch Front-, Heckschürze und Felgen vom Manta-GSe-Concept-Car auch ein paar fahrdynamische Zusätze. Etwa ein angepasstes Fahrwerk mit um zehn Millimeter tiefergelegter Karosserie, frequenzselektive Dämpfer, die ohne elektrische Verstellmöglichkeit selbstständig auf unterschiedliche Anforderungen reagieren können sollen und eine überarbeitete Lenkungsabstimmung. Man wolle emotionalen, aber verantwortungsvollen Fahrspaß bieten, sagt Opel.

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Das mit dem Fahrspaß ist aber so eine Sache, vor allem eine der Erwartungen. Wer nun mit einem Sportkompakten alter Schule rechnet, wird erst mal enttäuscht sein. Zwar zeigen die ersten andalusischen Kehren die gute Präzision und die subtile, nicht aufdringliche Direktheit der Lenkung und die schnelleren Ecken auch die angenehme Neutralität des Chassis sowie die trittfeste Traktion des Fronttrieblers dank gut applizierter Stabilitätselektronik. Auch schlechtere Straßenabschnitte bringen den Astra nicht aus der Ruhe, denn das Fahrwerk zeigt sich straff, aber dank genügend Federungsreserven aufbaustabil. Nur gelegentlich verteilt die Vorderachse auf mit Lenkwinkel überfahrenen Schlaglöchern leichte Stöße – ein kleiner Makel, mit dem auch der Standard-Astra zu kämpfen hat. Die Wankbewegungen des mit 1,7 Tonnen recht pummelig geratenen Astra GSe kann es nicht ganz unterbinden, aber zumindest größtenteils unterdrücken. Trotzdem bietet der Opel wenig, was wirklich mitreißt. Viel Feedback lässt die Lenkung nicht durch, was auch an den früh an ihren Haftungsaufgaben scheiternden, rollwiderstandsarmen Reifen (Michelin Primacy 4) liegt.

Träges Räderwerk

Bei den Reifen kann der freundliche Händler ums Eck sicher weiterhelfen. Schwerer wird er es haben, dem Getriebe eine agilere Schaltstrategie zu verpassen, denn während das Chassis den Dynamisierungsauftrag durchaus verstanden hat, weilt der Antrieb noch im Öko-Kerker. Druck? Wenn beide Motoren im Sport-Modus zusammenarbeiten, geht es dank 360 System-Newtonmeter stramm voran. Der Standardsprint auf 100 km/h dauert 7,5 Sekunden. Die Direktheit des Ansprechverhaltens nimmt mit sinkendem Akkustand ab, dann hilft der 81 kW-Elektromotor, der zwischen Motor und Getriebe sitzt, dem 180 PS starken 1.6er-Turbovierzylinder nicht mehr so souverän über das Turboloch hinweg. Der größte Hemmschuh ist aber das Getriebe, das keinen manuellen Modus besitzt. So kann man lediglich vor der Kehre noch mit den serienmäßigen Lenkradwippen herunterschalten, was das Getriebe aber oft nicht daran hindert, mitten in der Kurve wieder so die Fahrstufenleiter raufzuklettern, dass der weiße Blitz am Kurvenausgang regelrecht in sich zusammensackt. Auf den Vollgasbefehl am Kurvenausgang folgt dann nervöses Hin- und Herschalten und das rasche Ende des dynamischen Fahrflusses.

Immerhin: Im Normalbetrieb arbeitet der Antrieb ruhig und harmonisch und spart sich nervigen Lautsprecher-Synthiepop. Gleichzeitig bleibt er so akustisch vollständig zurückhaltend. Der Vierzylinder leiert im Hintergrund vor sich hin. Im Innenraum gibt der Astra das gewohnte Bild seiner Baureihe ab, setzt richtigerweise noch auf reichlich haptische Bedienelemente neben seinem 10-Zoll-Touchscreen. Die GSe-Sitze stützen in Kurven richtig gut und besitzen eine Sitzflächenneigungsverstellung und das von Opel bekannte AGR-Zertifikat (Aktion gesunder Rücken). Sonst bleibt das Cockpit unberührt, was einerseits passt, da das Astra Cockpit einen qualitativ recht ordentlichen Eindruck macht und bei der Bedienung nur wenige Rätsel aufgibt, andererseits dürfte etwas mehr Sport-Schminke schon sein. So bietet das Tachodisplay nur einen winzigen Balken als Drehzahlmesser. In einem Sportmodell darf auch eine etwas sportlichere Anzeigenoption einprogrammiert sein.

Mehr Nutz- als Unterhaltungswert

Insgesamt bleibt der Astra ein angenehmer, kaum zugespitzter Alltags-Begleiter. Der Kofferraum bietet mit 352 bis 1.268 Litern klassengemäßen Nutzwert, der Fond ist zwar etwas enger bei manchem Konkurrenten aber immer noch für die meisten Erwachsenen ausreichend. Für Elektro-Pendler interessant: Rund 63 Kilometer Reichweite sind laut WLTP mit vollem 12,4 kWh-Akku drin. Hierfür muss der Elektro-Modus angewählt werden, da der Astra in der Hybrideinstellung auch innerorts häufig zwischen den Antrieben wechselt. Der Übergang von Rekuperation zur hydraulischen Bremse geschieht unmerklich, nur das Ansprechverhalten ist etwas nervös. Nimmt man den Fuß vom Gaspedal, segelt der Astra. Erst der über den Getriebehebel wählbare B-Modus aktiviert die automatische Rekuperation. Die Batterie lässt sich in rund vier Stunden wieder vollständig laden, mit dem optionalen 7,4-kW-Bordlader sogar in unter zwei. Wichtig dabei: Der schnellere Bordlader arbeitet einphasig, daher kann man die 7,4 kW nur an 22-kW-Säulen und -Wallboxen nutzen.

Opel Astra GSe
Opel
Opel belebt das GSe-Kürzel nicht nur mit den beiden Astra-Varianten wieder, sondern auch mit dem Grandland.

Noch mehr Nutzwert bietet der ab April erhältliche Astra Sports Tourer GSe. Er bietet das gleiche Rezept mit mehr Platz in der zweiten Reihe dank 57 Millimeter mehr Radstand und 516 bis 1.553 Litern Kofferraumvolumen. Gleiches gilt auch für den schon erhältlichen Grandland GSe, der sogar 300 PS bietet. Aber schon der Astra-Fünftürer entfernt sich preislich stark von der Idee des preiswerten, praktischen Kompaktwagens. Er steht mit 45.510 Euro Grundpreis in der Preisliste – stattliche 6.200 Euro über einem VW Golf GTI. Dafür bringt der Astra eine reichhaltige Ausstattung mit, die sich nur noch um LED-Matrixlicht, Lederbezüge, Navigation, Head-up-Display, beheizbare Frontscheibe, Panoramadach und den 7,4-kW-Bordlader erweitern lässt. Mangels Plug-in-Hybrid-Förderung bleibt der Astra GSe aber ein teures Vergnügen.

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Ein tolles Auto mit schickem Design, das endlich wieder ein echter Golf-Gegner ist.Ein Schritt in die richtige Richtung - aber ein zu kleiner, um den Rückstand aufzuholen.

Fazit

Wer einen dynamisch angehauchten teilelektrischen Kompakten sucht, liegt mit dem kräftigen und komfortablen Astra GSe genau richtig. Hot-Hatch-Fans müssen sich bis zu ihrem Start ins E-Zeitalter noch etwas gedulden. Eine bessere Schaltstrategie wäre schon mal ein Anfang.

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AUTO MOTOR UND SPORT 10 / 2024
AUTO MOTOR UND SPORT 10 / 2024

Erscheinungsdatum 25.04.2024

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