Opel Astra Plug-in Hybrid im Test
Der neue Kompakt-König?

Wie er aussieht, der neue Opel Astra, das wissen wir schon eine Weile – auch was druntersteckt: die Konzernplattform aus dem Stellantis-Clan. Aber wie sieht es für den Kompakten bei den Erfolgs-Chancen aus? Das klärt der Test des Plug-in-Hybrids.

Opel Astra Plug-in Hybrid
Foto: Achim Hartmann

Nichts veraltet schneller als der Fortschritt. Da erfindungsgeistert eine Idee Jahre in den Entwicklungsabteilungen herum, erlebt nur ein paar Minuten Ruhm, um dann zu einer Selbstverständlichkeit zu werden. Oder gar nur zu einer Anekdote, über die sich andere im eitlen Rückblick erheitern. Also ist es an uns, ihn hier endlich recht zu würdigen: den außenliegenden Tankverschluss. Doch, ja, genau den.

Schließlich ist es erst sechs Jahrzehnte her, dass Käferfahrer noch mit der Zapfpistole unter die Bugklappe krauchten, um dort den Tank zu öffnen und zu befüllen – ein Unterfangen, das selten einherging, ohne Gepäck oder zumindest Reserverad mit Kraftstoff zu besprenkeln. So bejubelte Opel beim Start des Kadett A im Juni 1962 als große Innovation dessen außenliegenden Tankdeckel. Sicher ist es da ein diskreter Hinweis an Traditionskenner wie Sie und uns, dass Opel uns zum Test einen Astra mit gleich zwei außenliegenden Tankverschlüssen schickt.

Neue Mobilität im Alltag

Opel Astra: Plug-in Hybrid mit 180 PS

Opel Astra Plug-in Hybrid, Motor
Achim Hartmann
Wegen der guten E-Reichweite von 57 km arbeitet der Benziner im Alltag oft nur in Kurz- oder Teilzeit. Die B-Stufe der Achtgangautomatik intensiviert die Rekuperation auf eine erhöhte Verzögerung. Drei Fahrmodi: elektrisch, Hybrid, Sport.

Das 180 PS starke Antriebstrio aus 1,6-Liter-Turbobenzin-Direkteinspritzer, einer 81 kW starken permanenterregten Synchron-Elektromaschine und der Achtstufenautomatik übernimmt Opel wie das gesamte technische Unterzeug von den Stellantis-Kollegen. Es ist Teil der EMP2-Konzernplattform, die in ihrer Evo-Variante alle Antriebsversionen von Diesel über Benziner und Plug-in bis zum E-Motor aufnehmen kann. Natürlich beschränkt sich die Vereinheitlichung nicht auf den Antrieb. Sie reicht weiter über Fahrwerk, Sicherheits-, Licht- und Assistenzsysteme bis hinein in die Bedienungsstruktur. Bei über 20 Modellen, die im Stellantis-Clan auf der EMP2 aufbauen: Kann Opel da einem weiteren einen eigenständigen Charakter mitgeben – selbst wenn man die Varianz der Plattform berücksichtigt, die vier Spurweiten, fünf Radstände, zwei Cockpit- und zwei Hinterachs-Architekturen erlaubt? Ja, können sie. Und das liegt nicht nur, aber auch am:

Comeback der Käseecke

Trotz der Plattformvorgaben sieht der Astra L unverkennbarer aus als seine Vorgänger F, G, H, J und K (das I haben sie ausgelassen, wegen der Verwechslungsgefahr mit der 1, echt jetzt!). Liegt am neuen, dabei doch traditionellen Frontgrill und an kleinen Details: So bedecken die C-Säulen diese entzückenden geriffelten Dreiecksblenden, die es zuletzt beim Kadett E gab – bekannt und beliebt als "Käseecken". Die Lüftungsdüse links vorn nimmt den Stil jener im Rekord E auf – kleine Reminiszenzen, die Kenner erfreuen, ohne dass es Opel dabei mit der Folklore übertreibt.

Opel Astra Plug-in Hybrid
Achim Hartmann
Das neue "Visor"-Design gibt es nun auch beim Astra. Optional erhältlich ist das hier verbaute Matrixlicht mit 84 LEDs pro Scheinwerfer.

Auch bei den Abmessungen übertreibt es der Astra nicht. Nur 0,3 cm länger als bisher, bewahrt er mit 4,37 m Länge ein kompaktes Format – auch im Innenraum. Anders als etwa der zur Weitschweifigkeit in Platzbelangen neigende Skoda Octavia schafft der Astra ein Platzangebot, das weder einengt noch verwöhnt, sondern – wie es das Kompakt-Konzept ja eigentlich vorsieht – genügt, für vier gut, für fünf gerade noch. Dass es mit dem Gepäck eng werden kann, liegt am 12,4 kWh großen Lithium-Ionen-Akku. Der belagert rund 70 Liter dessen, was ansonsten als Souterrain unter dem Ladeboden bleibt. Zudem lungert die Box mit dem Universalkabel (720 Euro, zum Laden an 230-V-Haushalts- und 400-V-Starkstrom sowie Wallboxen) im Kofferraum herum. Nun, wem das zu knapp ist, dem raten wir, den Sports Tourer zu kaufen, auf die 1100 Euro Aufpreis für den Kombi kommt es bei der Stattlichkeit des Kaufpreises von 40 330 Euro (minus 7178 Euro Kaufprämie) auch nicht mehr an.

Der mit allerlei Extras aufgetakelte Astra-GS-Line-Testwagen erlangt gar eine Summe von fast 46 000 Euro. Dabei zählt das Matrixlicht mit 84 LEDs pro Scheinwerfer zu den erhellenderen Optionen. Doch die größten Qualitäten bringt der Astra ohne teuren Schnickschnack (Dreifarb-Alus, Alcantara-Polster oder E-Sitzverstellung) schon in der aktuellen Basis Elegance für 26 650 Euro mit.

Bessere Bedienung als im Golf

Opel Astra Plug-in Hybrid, Cockpit
Achim Hartmann
Der Aufbau des Bediensystems scheint logisch und funktioniert im Test zuverlässig. Auch optisch kann sich das Interieur des neuen Astras blicken lassen, gefällt mit Lüftungsdüsen im Stil des Rekord E, einem klasse Head-up Display und guten Rundum-Parkkameras.

Etwa die Bedienung: Sie orientiert sich an der neu sortierten Struktur, die auch der Peugeot 308 nutzt. Früher hätten wir gefrotzelt, dass trotzdem alles leicht und eingängig funktioniert – bis auf kleine Details, etwa das Abschalten des Head-up-Displays. Heute, nach zwei Jahren Erfahrung mit dem Bediendrama im VW Golf und seiner Konzernverwandtschaft, erscheint es uns aber angemessen, Aufbau und Zuverlässigkeit des schnell hochfahrenden, verzögerungsfrei und leicht ergründbaren Opel-Systems mit cleverer Mischung aus Direkttasten und Touchscreen-Menüs lobend hervorzuheben.

Auf den Touchscreen lässt sich auch eine Live-Animation des Antriebs-Treibens heranwischen. Im reinen E-Betrieb reicht eine Batterieladung für 57 km. Stöpselt man den Plug-in mit optionalem 7,4-kW-Bordlader (500 Euro) an eine 22-kW-Wallbox, ist der Akku nach knapp zweieinviertel Stunden wieder voll.

Effizienz geht anders

Schon die Kraft des 81-kW-E-Motors verschafft dem Astra eine Drangfülle, die bis 135 km/h und somit über reine Stadttouren hinausreicht. Erst bei intensivem Leistungsbedarf schaltet sich der Benziner zu. Das Hin und Her, An- und Abschalten der Antriebe gelingt sanft verschliffen – auch wegen der Automatik, die so behände und doch diskret aus ihren acht Stufen wählt, dass man nicht einmal im Sport-Modus meint, selbst mit den Schaltpaddeln herumflippern zu müssen. Schließlich erlangt das Temperament da eine Vehemenz, eiliger als jene des Kadett E GSi 16V, den wir bis heute als wildesten Kompakt-Opel verklären – 1987 bis ’91 gebaut, 1039 kg, 150 PS, der ging bei uns in achteins von null auf hundert und hoch bis zwozwanzig. Statt eines GSi/OPC bleibt nun vorerst der Plug-in, bald auch mit 225 PS, der stärkste Astra.

Bei leerem Akku boostet das E-Werk den Turbobenziner mit dem zu, was es per Rekuperation zurückgewinnt. Sehr effizient allerdings fährt der Astra dann nicht mehr. Mit 7,2 l/100 km im reinen Hybridbetrieb verbraucht er im Test exakt gleich viel wie sein unhybridisierter Vorgänger mit 1,4-Liter-Turbobenziner und 145 PS. Einem VW Golf GTE – 60 PS/80 Nm stärker noch als der Astra PHEV – reichen im Test 6,7 l/100 km.

Der Astra patzt beim Bremsen, begeistert beim Fahren

Das Rekuperieren gelingt im B-Modus des Antriebs mit einer festen Verzögerung, die fast an die eines Einpedal- modus heranreicht. Das funktioniert angenehmer und zuverlässiger als der Versuch, die Rückgewinnung auf "D" über die Bremse zu steuern. Das Bremspedal lässt sich schlecht dosieren – du meinst, du trittst auf eine Tüte Gummibärchen (wobei dieser Vergleich wohl den Erlebnisschatz einer vierfachen Vaterschaft voraussetzt, für alle anderen: Fühlt sich an, als trete man auf einen Flummi). Doch die Bremse lässt sich nicht nur schlecht dosieren, sie verzögert auch, nun, zu zögerlich. Aus 130 km/h steht der Astra mit kalter Anlage erst nach 64,8 m. Auch da wieder der Vorgänger-Astra zum Vergleich: Der braucht nur 59,2 m.

Opel Astra Plug-in Hybrid
Achim Hartmann
Wenn der alte Astra steht, hat der neue noch 38 km/h drauf. Fortschritt sieht anders aus.

Dabei hat er es doch auch anderswo drauf – beim Fahren, und das mit herkömmlichen MacPhersons vorn und nun ohne Wattgestänge an der Verbundlenker-Hinterachse. Das gab es beim Astra J serienmäßig, beim K für 250 Euro als Extra (Code GNG – ob das je einer bestellt hat?). Schon wegen der 1652 kg Leergewicht straff in der Grundabstimmung, rollt der Astra harsch über fiese, kurze Unebenheiten, reagiert feinfühliger auf kleinere Kanten, hat lange Wellen und Karosseriebewegungen gut im Griff.

Klingt nun nicht so mitreißend, meinen Sie? Genau; und umso besser. So dauert es zwar acht, neun Kurven, bis du merkst, dass der Astra jenseits der vordergründigen Verlässlichkeit und hohen Sicherheit auch der Vergnüglichkeit zugetan ist. Denn erhöhst du das Tempo, geht er es locker mit. Auch dann bleibt das Fahrverhalten zuallererst verlässlich. Allerdings erlangen Präzision und Rückmeldung der Lenkung nie eine Intensität, die dir bis in die Fingerspitzen prickelt. Doch gelangt das Handling zu einer entspannten Dynamik, einer eiligen Geschmeidigkeit und – wie der ganze Astra – einem eigenen, harmonischen Charakter.

An die einsame Spitze seiner Klasse mag er als Plug-in noch nicht gelangen. Aber vorn dabeier als jetzt war Opel lange nicht mehr. Dazu ist der Astra so klar der beste Opel im Programm, dass sie ihn nach 31 Jahren glatt wieder umbenennen könnten. Zurück in Kadett? Nein – und ach, riskieren wir doch auch mal eine große Klappe: von Astra in A-Star.

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Vor- und Nachteile
Karosserie
Bei tatsächlich kompaktem Format angemessenes Raumangebot für vier/fünf
Solide Verarbeitungs- und gute Materialqualität
Trotz Funktionsfülle eingängige Bedienung
Ordentliche Rundumsicht
Wegen Antriebsbatterie im Heck verkleinerter, aber noch ausreichender Kofferraum
Ideenarme Variabilität
Fahrkomfort
Trotz straffen Grund-Set-ups insgesamt ausgewogener Federungskomfort
Effektive Klimatisierung samt Vortemperierung an Wallbox
Bequeme Ergo-Sitze
Hoppeliger Abrollkomfort
Antrieb
Alltagsrelevante E-Reichweite
Harmonische Kooperation von E-Motor und Verbrenner
Vehemente Fahrleistungen
Gut abgestimmte Automatik
Hoher hybridischer Verbrauch
Fahreigenschaften
Sicheres Kurvenverhalten
Geschmeidige Lenkung
Vergnügliche Agilität
Sicherheit
Breit aufgestellte, gut funktionierende Assistenz
LED Serie, Matrix optional
Aus 130 km/h stabile, aber zu lange Bremswege
Schlecht dosierbares Pedal
Umwelt
Günstiger Verbrauch nach ams-Profil (Akku voll)
Hoher Verbrauch mit leerem Akku im Hybridmodus
Kosten
Günstiger Unterhalt, Prämie
Hoher Grundpreis

Fazit

Der Astra ist ein klasse Auto, im besten Sinn ein echter Opel geworden, mit genug Platz, fähiger Assistenz, gutem Komfort, beschwingtem Handling. Aber trotz, nicht wegen des teuren Plug-in-Antriebs.

Technische Daten
Opel Astra 1.6 DI Turbo PHEV GS Line
Grundpreis40.330 €
Außenmaße4374 x 1860 x 1472 mm
Kofferraumvolumen352 bis 1268 l
Hubraum / Motor1598 cm³ / 4-Zylinder
Leistung110 kW / 150 PS bei 6000 U/min
Höchstgeschwindigkeit225 km/h
0-100 km/h7,4 s
Verbrauch4,9 l/100 km
Testverbrauch7,2 l/100 km
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AUTO MOTOR UND SPORT 10 / 2024
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Erscheinungsdatum 25.04.2024

148 Seiten