Opel Vivaro-E Hydrogen
Wasserstoff-Alternative mit Brennstoffzelle

Opel baut auf Basis des Vivaro-E ein Wasserstoff-Brennstoffzellenfahrzeug. Jetzt konnten wir erstmals mit dem alternativen Elektroantrieb auf Erkundungsfahrt gehen und einen Blick auf die Produktion des emissionsfreien Transporters werfen.

Opel Vivaro-E Hydrogen Fahrbericht Wasserstoff Brennstoffzelle
Foto: Opel

Dem Elektroantrieb gehört auch nach Meinung von Opel die Zukunft. Doch wie ein Elektromotor im Auto am besten mit Energie versorgt wird, darüber gibt es in der Fachwelt unterschiedliche Ansichten. Eine Wasserstoff-Brennstoffzelle als Stromquelle als Alternative zur schweren Traktionsbatterie eines BEV hat durchaus technische Vorzüge zu bieten, speziell beim Tank-Tempo. Auf Basis des Vivaro-E baut Opel einen entsprechend zum Brennstoffzellen-Fahrzeug modifizierten Transporter, der sich als Alternative zum batterieelektrischen Vivaro anbieten soll.

Unsere Highlights

Die Produktion des Opel Vivaro-E Hydrogen (in der Bildergalerie zeigen wir viele Details davon) ist etwas ungewöhnlich. Für den "Wasserstoff-Transporter" werden serienmäßige Opel Vivaro E zerlegt, die große Traktionsbatterie durch Wasserstofftanks ersetzt, eine Brennstoffzelleneinheit installiert und eine neue, kleinere "Puffer-Batterie" unter den Vordersitzen installiert. Das klingt nicht nur aufwendig, es ist auch tatsächlich so.

Produktion in Handarbeit

In einem separaten Teil des Opel-Werks in Rüsselsheim werden die aus dem nordfranzösischen Stellantis-Werk Hordain angelieferten Elektro-Transporter von 70 Mitarbeitern per Hand zerlegt, die Komponenten getauscht und das Fahrzeug wieder zusammengebaut. An Stelle der Traktionsbatterie, die nach dem Ausbau zurück ins Werk Hordain geschickt wird, sind dann drei Speicher-Zylinder aus Kunststoff in einem Metallgehäuse unter dem Fahrzeug verschraubt, die das Wasserstoffgas mit einem Druck von 700 bar speichern. 4,4 Kilo Speicherkapazität haben die Drucktanks.

05/2021, Opel Vivaro-e Hydrogen
Opel Automobile GmbH
An Stelle der Unterflur-Batterie des Elektro-Vivaro sind im Vivaro-E Hydrogen die Druckspeicher für Wasserstoff untergebracht.

Statt der originalen Batterie kommt ein kleinerer Lithium-Ionen-Akku mit 10,5 kWh Kapazität zum Einsatz, denn der Brennstoffzellen-Vivaro ist genau betrachtet ein Wasserstoff-Plug-in-Hybrid. Die Batterie, die unterhalb der beiden Vordersitze montiert ist, stammt aus dem Konzernregal und ist normalerweise zum Beispiel im Peugeot 508 Hybrid verbaut. Unter der E-Tankklappe findet sich wegen der Basis des Elektro-Vivaro die "große" CCS-Steckdose für wahlweise Gleichstrom-Ladung, nachgeladen wird jedoch ausschließlich per Wechselstrom mit maximal 11 kW Leistung. Die vollgeladene Batterie alleine ist für rund 50 Kilometer elektrische Reichweite gut, das könnte auch im Zweifelsfall recht hilfreich sein, eine der nicht ganz so zahlreichen Wasserstoff-Tankstellen zu erreichen.

PHEV-Batterie aus dem Peugeot 508

Die Brennstoffzelle selbst wird überhalb des elektrischen Vorderachs-Antriebsmoduls verbaut, hier findet die komplette Technik Platz im Motorraum des Vivaro. Opel geht diesen auf den ersten Blick ungewöhnlichen Weg der Kombination Wasserstoff-PHEV, um eine kompaktere Brennstoffzelle verbauen zu können. Diese liefert maximal 45 kW elektrische Leistung und ist daher nicht dazu geeignet, den 100-kW-Antriebsmotor mit maximaler Leistung anzutreiben. Daher unterstützt die maximal 90 kW leistende PHEV-Batterie den Antrieb bei hohen Lastanforderungen, zum Beispiel bei Beschleunigungsvorgängen oder bei hohem Tempo.

Opel Vivaro-E Hydrogen Fahrbericht Wasserstoff Brennstoffzelle
Dani Heyne
Umgewöhnen muss man sich nicht: Der Vivaro-E Hydrogen fährt so wie der batterieelektrische Vivaro-E.

Im Fahrbetrieb ist von der neuen Stromversorgung für den bekannten Elektroantrieb nichts zu bemerken. Der Opel Vivaro-E Hydrogen beschleunigt, fährt, bremst und federt praktisch genauso wie die batterieelektrischen Modelle des Konzern-Kastens, die auch als Pkw-Varianten zum Beispiel als Zafira-e Life oder Fiat E-Ulysse bei den Händlern stehen. Auch im Cockpit gibt es dabei keine Umgewöhnung, im Gegenteil: Die Betriebsbereitschaft wird wie in alten Zeiten noch mit einem echten, mechanischen Zündschlüssel im Zündschloss an der Lenksäule hergestellt. Auch die analogen Instrumente, die natürlich mit entsprechenden Anzeigewerten für den Wasserstoffantrieb umgestaltet sind, wirken wenig futuristisch.

Zur Serienausstattung zählen die 180-Grad-Panorama-Rückfahrkamera, Toter-Winkel-Warner und Parkpilot für Front und Heck. Das Apple CarPlay und Android Auto kompatible Multimedia Navi Pro-Infotainment lässt sich per Spracherkennung oder über den Farbtouchscreen bedienen. Eine Wasserstoff-spezifische Routenplanung mit Einbindung der vorhandenen Tankstellen ist nicht möglich und wird angesichts der geringen Produktionszahlen wohl auch nicht so schnell kommen.

Trotz Zukunfts-Technik ein klassisches Umfeld

Für den Betrieb wird per Kippschalter die jeweilige Fahrstufe eingelegt, weiterhin lassen sich nach Bedarf jederzeit drei Fahrprogramme (Eco, Normal und Sport) abrufen, die entsprechenden Einfluss auf Fahrleistung und Verbrauch haben. Ein weiterer Taster aktiviert bei Bedarf die hohe Rekuperationsstufe, mit der das sogenannte One-Pedal-Driving dank der sehr starken Verzögerung in den meisten Verkehrssituationen möglich ist, ohne das Bremspedal zu betätigen.

Die Fahrleistungen, speziell beim Beschleunigen aus dem Stand, sind völlig ausreichend für einen Kleintransporter. An der Ampel spurtet der Opel Vivaro-E Hydrogen richtig munter davon, erst außerorts wird es etwas zäher. Die Höchstgeschwindigkeit ist bei 110 km/h elektronisch limitiert. Von der arbeitenden Brennstoffzelle ist während der Fahrt nichts zu hören, der Wasserstoff-Vivaro stromert so leise dahin wie das BEV-Modell. Ungewöhnlich an alledem ist lediglich, dass die Kapazitätsanzeige der PHEV-Batterie, nachdem man ihr mit ein paar Spurts und hohem Tempo ein paar "Striche" abgezwackt hat, im normalen Betrieb wie von Geisterhand wieder steigt, weil die Brennstoffzelle sie bei ruhiger Fahrt nachlädt.

Bis zu einer Tonne Zuladung

Dass der Vivaro-E Hydrogen im Endeffekt nicht anders fährt und federt als der batterieelektrische Vivaro-E, liegt auch am praktisch unveränderten Gesamtgewicht. Statt der entfernten großen Traktionsbatterie, die rund 500 Kilo wiegt, treten die kleinere PHEV-Batterie, die Drucktanks und die Brennstoffzelle mit insgesamt gleichem Gewicht den Weg in das Auto an. Die Nutzlast des Vivaro-E Hydrogen beträgt dabei eine Tonne, gebremste Anhänger dürfen ebenfalls maximal 1.000 Kilo schwer sein.

Lohn des großen Umbau-Aufwands ist vor allem die Geschwindigkeit des Tankvorgangs. Rund drei Minuten dauert es, die leeren Wasserstofftanks komplett neu zu befüllen, was für rund 400 Kilometer Reichweite steht. Da bekommen Elektroauto-Fahrer natürlich große Augen. Der Tankvorgang selbst ist so einfach wie bei einem Verbrenner. Dem gegenüber steht natürlich das eher dünne Netz von derzeit rund 100 Wasserstofftankstellen in Deutschland. Damit sind zwar auch Langstrecken problemlos möglich, allerdings bietet sich diese Lösung dennoch vor allem für Anwender an, die vor Ort über eine schnell erreichbare Tankmöglichkeit verfügen, zu finden sind diese in der Netzübersicht des Betreibers H2.Live.

Großzügige Förderung

Das Kosten-Kapitel ist nicht ganz so einfach zu beantworten. Am leichtesten fällt das noch bei den Tankrechnungen: Das Kilo Wasserstoff kostet aktuell deutschlandweit an den Tankstellen 12,85 Euro, eine komplette 400-km-Tankfüllung für den Vivaro-E Hydrogen kommt damit auf rund 56 Euro. Was das Auto selbst kostet, will Opel auch auf mehrfache Nachfrage nicht verraten. Dass die von 70 Mitarbeitern von Hand aufgebauten 20 Exemplare pro Woche rein rechnerisch auf einen enormen Stückpreis kommen, ist dabei jedenfalls klar. Abgefedert wird das Ganze jedoch durch ein Förderprogramm des deutschen Verkehrsministeriums, das bei Nutzfahrzeugen 80 Prozent des (rechnerischen) Mehrpreises gegenüber einem vergleichbaren Dieselmodell ersetzt. Heißt im Klartext: Der Preis, den Opel offiziell für das Förderprogramm meldet, wird zu einem entsprechenden Teil aus Steuergeldern gesponsert. Endkunden erhalten lediglich ein Leasingangebot für den Vivaro-E Hydrogen, kaufen kann man das Auto nicht. Die monatliche Leasingrate liegt laut Opel bei 700 Euro.

Eine wirklich wirtschaftliche Produktion, die sich auch ohne Fördergelder rechnet, ist in der aktuellen Form kaum vorstellbar. Allerdings will man bei Stellantis entsprechend skalieren, sobald die Nachfrage steigt. Momentan bauen die Opel-Mitarbeiter auch die baugleichen Peugeot- und Citroen-Modelle auf Brennstoffzellenantrieb um, rund 1.000 Modelle jährlich sind hier im Gespräch. Weil perspektivisch ab 2024 auch die großen Stellantis Transporter (zum Beispiel Opel Movano oder Citroen Jumper) wahlweise mit Wasserstofftechnik fahren sollen, ist eine Steigerung auf rund 10.000 Brennstoffzellentransporter jährlich geplant. Dann wird man wohl auch eine kostengünstigere Eintaktung der Wasserstoff-Antriebe in die reguläre "Fließband"-Produktion aufnehmen.

Umfrage
Welche Technologie wird sich generell durchsetzen?
25104 Mal abgestimmt
ElektroantriebWasserstoff-Brennstoffzelle

Fazit

Für Nutzer, die aus Zeit- oder Logistikgründen darauf angewiesen sind, ihren elektrisch angetriebenen Transporter schnellstmöglich auftanken und damit in Betrieb halten zu können, ist die Brennstoffzellentechnik sehr ansprechend. Dem Problem der aufgrund geringer Stückzahlen sehr hohen Kosten wird aktuell mit viel Steuergeld als Förderung begegnet, auf Dauer muss sich die Wasserstofftechnik jedoch auch ohne Fördergelder gegenüber dem batterieelektrischen Antrieb rechnen. Bei Opel ist man in dieser Hinsicht zuversichtlich und rechnet langfristig mit einer starken Produktionsausweitung für wasserstoffbetriebene Transporter. Auch der Ausbau im Tankstellennetz soll kräftig steigen. EU-weit sollen bis zum Jahr 2030 rund 2.500 Wasserstofftankstellen bereitstehen.

Die aktuelle Ausgabe
AUTO MOTOR UND SPORT 11 / 2024
AUTO MOTOR UND SPORT 11 / 2024

Erscheinungsdatum 08.05.2024

148 Seiten