Ora Funky Cat 400 Pro+ Fahrbericht
Retro-Stromer mit 300 km Reichweite

Ein cooler Freund will der Ora Funky Cat dem Namen nach sein, denn in China gilt die Katze und nicht der Hund als treuer Begleiter des Menschen – so viel zur Völkerverständigung. Schauen wir doch mal, was das kompakte E-Auto draufhat.

Ora Funky Cat 400 Pro+
Foto: Jan Greune

Der Wind hat sich gedreht. Er weht jetzt aus Osten. Heute fegt er sogar mit Orkanstärke über Mallorca hinweg, wo wir den neuen Ora Funky Cat fahren. Ja, das Wetter könnte kaum besser zum Thema passen. Schließlich wollen chinesische Elektroautos den deutschen Markt gerade im Sturm erobern. So auch Ora, das als eine von acht Marken zu Chinas ältestem privat geführten Autohersteller Great Wall Motor (GWM) gehört. Dazu kooperiert die E-Auto-Marke mit BMW beim nächsten Mini.

Der große E-Ratgeber

Stilmix aus Mini, Nissan, Leaf und Fiat 500e

Und das ist nicht zu übersehen: Denn der Funky Cat strahlt wie die englische Style-Ikone aus runden LED-Scheinwerfern. Klar, er basiert schließlich auch auf dessen künftiger Elektroplattform. Allerdings baut er mit 4,24 Metern Länge eher kompakt als kleinwagig und orientiert sich mit Silhouette und Heck am ersten Nissan Leaf und Fiat 500e. So viel zum Stilmix, der sich nur mit sieben Farbtönen samt Dach individualisieren lässt und sich je nach Lack innen farblich anpasst. Dazu gibt es fünf feste Ausstattungsvarianten mit zwei Batteriegrößen: 48 kWh sowie 63 kWh (brutto). Wobei die 300 genannte Basisversion – die Zahl steht für die gerundete WLTP-Reichweite – schon gut ausgestattet vorfährt, fünf Jahre Garantie bietet und mit fünf Sternen bei Euro NCAP crasht.

Ora Funky Cat 400 Pro+
Jan Greune
Abgeschaut hat sich Ora das Design bei Mini, Fiat 500e und Nissan Leaf.

Klasse auch, wie funky der Cat innen anmutet: Fein abgesteppte, teils neoprenartige Stoffe fügen sich klapperfrei zu einer stylishen Wohnkapsel zusammen. Die überwacht ein Sensor an der A-Säule permanent, während einem die vollklimatisierbaren, etwas seitenhaltarmen Sitze der 400-Pro+-Version den Rücken massieren. Fast genauso gern kuschelt man sich in die zweite Reihe dank üppiger Bein- und ausreichend Kopffreiheit. Blöd nur, dass ganz hinten kaum noch Platz für Gepäck bleibt. Mit 228 bis 858 Litern fällt der Kofferraum, der über eine hohe Ladekante verfügt, minimalistisch aus, zumal hier noch die Ladekabel mitreisen. Eher bescheiden ist auch das Ladetempo: Mit maximal 67 kW soll es an der CCS-Säule rund eine Dreiviertelstunde dauern, bis der SOC von 15 auf 80 Prozent geklettert ist. An der AC-Wallbox braucht Vollladen dreiphasig mit 11 kW circa sechs Stunden.

Hallo Ora: Schiebedach öffne dich!

Viel Zeit, die man sich am besten mit der Sprachbedienung vertreibt: In der Vorserienversion ohne Android Auto oder Apple CarPlay versteht "Hallo Ora" vieles, bei fehlendem Empfang jedoch nicht immer alles. Fenster, Schiebedach, Heckklappe und Klima lassen sich aber intuitiv anquatschen. Zudem sollen auch umgangssprachliche Begriffe aktiv erlernt werden. Trotzdem bleibt ein Nachteil: Bis auf vier Mini-artige Chromkippschalter in der Mitte erfummelt man die meisten Fahrzeugfunktionen über die kleinteiligen Touchscreenflächen oder die touchsensiblen Felder auf dem Lenkrad. Wer sich dabei zu lange ablenken lässt, den ermahnt Ora: "Seien Sie nicht geistesabwesend! Bitte Konzentration beim Fahren."

Ora Funky Cat 400 Pro+, Innenraum, Cockpit
Jan Greune
Die Lenkung zählt nicht zu den Stärken des Funky Cat. Ebenso wie die zu touchlastige Infotainment Bedienung.

Also dann fokussieren wir uns aufs Wesentliche: das Fahren. Was man dem rundlichen Funky Cat vielleicht gar nicht zutraut: Er bietet durchaus Fahrspaß. Sein permanenterregter Synchronmotor vorn mobilisiert 126 kW (171 PS) und lässt maximal 250 Nm Drehmoment auf die Vorderräder los. Klingt nach überschaubarer Leistung, und trotzdem ringen die Pirelli P7 beim Anfahren oft um Halt, während der Funky Cat gefühlt sogar etwas schneller als in 8,2 Sekunden auf Tempo 100 sprintet.

Endlich Kurvenkratzen

Auf den rennradtauglich geteerten, kurvigen Landstraßen durch die mallorquinischen Berge gefällt das Fahrwerk mit seiner ausgewogen-sportlichen Abstimmung. Es bietet auch ohne adaptive Dämpfertrickserei guten Federungskomfort und reicht mit serienmäßigen 18-Zöllern nur Querfugen unsanft durch. Überhaupt wirkt sich der oft beschworene tiefe Schwerpunkt der zentral platzierten Batterie im Fahrzeugboden positiv auf das Fahrverhalten des 1,6-Tonners aus. Der Funky Cat bleibt in Kurven lange neutral, wankt wenig und schiebt erst im Grenzbereich sicher über die Vorderräder.

Dabei ist meistens der Sportmodus aktiv. Nicht nur, weil dann die volle Leistung anliegt, sondern auch, weil so die Lenkung etwas präziser arbeitet, ohne jedoch allzu viel rückzumelden. Mehr Gefühl beweist Ora dagegen bei der Abstimmung der Bremsanlage: Der Übergang von elektrischer zu mechanischer Verzögerung ist kaum spürbar und die Energierückgewinnung bei Bedarf so stark, dass man selten per Pedal verzögern muss. Schade nur, dass sich die drei Rekuperationsstufen sowie der Ein-Pedal-Modus tief in einem Untermenü verstecken. Wer flott unterwegs ist oder auch die maximal möglichen 160 km/h ausreizt, wird die maximale Reichweite kaum erreichen, die Ora abhängig von der Batteriegröße mit 310 bis 420 Kilometern angibt. Schnellfahren macht ohnehin nur wenig Spaß, denn schon ab 100 km/h bricht sich der Wind lautstark an der A-Säule. Zudem agieren Abstandstempomat und Spurhalter zwar sicher, allerdings bis höchstens 120 km/h.

Nicht billig, aber mit etabliertem Händlernetz

Und so schnell kommen wir zum Preis. Der Ora Funky Cat 300 startet ohne Wärmepumpe und mit kleiner Batterie bei 38.990 Euro. Für den hier gefahrenen umfangreich ausgestatteten 400 Pro+ samt 63-kWh-Batterie sind ab 47.490 Euro fällig. Selbstbewusste Preise also, die dem Ansturm auf die über 140 Emil-Frey-Händler etwas den Wind aus den Segeln nehmen.

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Fazit

Mit retrohaftem Design sowie ausgewogenem Fahrkomfort lockt Ora all diejenigen in den fein anmutenden Funky Cat, die weniger Wert auf Transportaufgaben, schnelles Laden oder intuitive Bedienung legen. Dazu sind fünf Jahre Garantie und das große Händlernetz gute Argumente.

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AUTO MOTOR UND SPORT 10 / 2024
AUTO MOTOR UND SPORT 10 / 2024

Erscheinungsdatum 25.04.2024

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