Fahrbericht Porsche 718 Cayman GT4
Weniger ist mehr

Verglichen mit dem Durch und Durch technologisierten 911 ist der neue 718 Cayman GT4 ein EInfaltspinsel: Kaum Elektronik, Umso mehr Mechanik. Er hätte das Zeug zum großen Fahrdynamik-Coup, reizt es aber nicht in Gänze aus.

Porsche 718 Cayman GT4, Exterieur
Foto: Maximilian Balazs

Drei Pedale für lediglich zwei Füße, ein Schaltgetriebe anstatt eines Schalters fürs Getriebe, kein Drehradl zum Durchscrollen von Fahrmodi, keine Hinterachslenkung, keine Wankkiller. Kein Witz: Hier wird Sportlichkeit noch traditionell erzeugt. Moderne Zusatzstoffe? Reduzieren sich auf das abschaltbare Zwischengas, auf die ebenfalls abschaltbare Stabilitätskontrolle und auf das Adaptivfahrwerk, das – huiuiui – gleich zwei Härtegrade unterscheidet. Ein Tastenklick, dann straffen sich die Dämpfer; noch einer, und sie relaxen wieder. Das war’s!

Unsere Highlights

Nur mal angenommen, der ganze Active-Progressive-Elektronik-Klimbim wäre für eine zeitgemäße Performance wirklich so existenziell, wie man immerzu erzählt bekommt, dann müssten wir für den Cayman GT4 direkt eine Kerze anzünden. Andersrum sind Autos mit dem Biosiegel „Born in Flacht“ in aller Regel nicht zum fahrdynamischen Scheitern verurteilt. Man kann also davon ausgehen, dass die anachronistische Auslegung System hat, zumal sie sogar von Herzen kommt.

Anachronist mit Leib und Seele

Der Sechszylinder stammt im Grunde aus dem Carrera S, wurde jedoch den GT-Modellprinzipien entsprechend umkonfiguriert: Turbolader und Peripherie flogen raus, der Hubraum wurde erweitert. Größere Bohrung plus mehr Hub ergeben 3995 Kubik und einen gestandenen Saugmotor mit allen Schikanen. Piezos spritzen ein, die Einlassventile fallen größer aus, außerdem stellte man die Ventilbetätigung von Tassenstößeln auf Rollenschlepphebel um. 420 PS leistet das neue Aggregat – 35 mehr als der Dreiachter im Ex. Die Maximaldrehzahl steigt um 200 auf 8.000/min, das Drehmoment stagniert bei 420 Nm, verteilt sich aber besser. 300 Nm liegen zeitig an, das Maximum steht ab 5-000 Touren bereit – etwas später als bisher. Dazu verkürzt sich die Breite des Spektr… Wissen Sie was? Genug der Theorie!

Porsche 718 Cayman GT4, Interieur
Maximilian Balazs
Must-have: Die Vollschalen für 5.355 Euro.

Lieber rein in die Praxis, die mal wieder hervorragend bestuhlt ist: Vollschalensitze! Schweineteuer, ja. Aber auch: ein Musskauf. Dahinter: das Stahlkreuz des optionalen Clubsport-Pakets, vis-à-vis ein Alcantara-Lenkrad mit Zwölf-Uhr-Kringel sowie die drei Rundinstrumente – zwei davon analog. So crazy! Dann: Bühne frei für Seine Eloquenz, den Motor, der von den Partikelfiltern leider die Schallwellen gestriegelt bekommt.

Der Cayman röchelt, raschelt, röhrt, nur richtig brüllen kann er nicht. Korrigiere: Darf er nicht! Wobei auch hier gilt: Für Außenstehende sind die Folgen der strikten Abgasgesetze schwerwiegender als für die Insassen, die beim Ausdrehen noch immer ein richtig rappiges Hämmern auf die Ohren bekommen.

Wirklich arm sind sowieso nur die anderen 718er dran, deren Vierzylinder nun mit einem Schlag noch spröder wirken. Doch der GT-Motor ist halt mehr als eine Drehmomentraspel, er ist ein Athlet, hat mehr Schärfe in den Reaktionen, mehr Flair, mehr Zunder obenraus, ohne unten durchzuhängen. Dabei hat Porsche die Antriebskombo nicht mal in Gänze ausgereizt. Die Schwachstelle? Verbirgt sich in ihrem Highlight – in der Handschaltung, ausgerechnet.

Nicht missverstehen! Grundsätzlich sind die sechs manuellen Gänge die perfekte Ergänzung für eine ehrliche Haut wie den GT4. Erst recht diese hier: präzise Rastung, kurze Wege, klares Schema. Grandios. Die Kupplung jedoch fällt zu lasch aus, schlupft spürbar und konterkariert das resolute Gesamtkonstrukt damit ebenso wie die lange Übersetzung der unteren Gänge: der zweite reicht bis 133 km/h, der dritte bis 188!

Okay, Letzteres muss man womöglich schlucken im Zeitalter des Emissionswahns. Für den geringen Gegendruck beim Anfahren gibt es aber keine EU-Richtlinie. Zwar würde eine kräftigere Kupplung auch die Bedienkräfte erhöhen, doch das wäre eigentlich vertretbar. Erstens: weil es diesmal – Stilbruch! – ein PDK als mühelose Alternative geben wird. Und zweitens: weil so ein GT4 ja auch sonst nicht gerade auf Prinzessin macht. Er ist ein Actionheld. Und jeder, der ihn will, will ihn genau deshalb!

Ach so, die Sprintwerte schulde ich Ihnen noch: 4,7 Sekunden auf 100, 14,5 auf 200. Damit liegt der neue GT4 0,2 Sekunden hinter beziehungsweise gleichauf mit dem alten. Ungut! Ursache? Eine leichte Gewichtszunahme, die das Leistungsplus kontert. 1.379 Kilo wog der 981er, 1.439 wiegt er hier – 16 kg mehr als ein 718 Cayman GTS, aber das nur nebenbei. Immerhin: Seine Spielfreude lässt er sich von dem bisschen Hüftspeck nicht verderben. Wie auch: Fahrwerkskomponenten à la 911 GT3 mit Kugelgelenken in der Anbindung – Renntechnik vom Feinsten, die vor allem auf der Landstraße begeistert.

Porsche 718 Cayman GT4, Exterieur
Rossen Gargolov
1.379 Kilo wog der 981er, 1.439 wiegt er hier – 16 kg mehr als ein 718 Cayman GTS.

Die Vorderräder haften wie Kletten an den Handflächen, Lenkung und Fahrwerk stellen alles direkt durch: porösen Teer, schmierigen Asphalt, die Schuhgröße der Oma des Fahrbahnmarkierers. Insgesamt: ein echtes Erlebnis. „Echt“ im Wortsinn. Im Gegensatz zu seinem Vorgesetzten mit der berühmten Nummer ist der Cayman nämlich noch ein Auto, mit dem du auch mal alleine bist. Tête- à-tête, Mensch und Maschine. Aktion und Reaktion, nichts dazwischen, drüber, drunter oder im Weg. Auch weil die Größe passt: 4,46 auf 1,8 Meter! So ein 992 fühlt sich im Direktvergleich jedenfalls wie eine Raumfähre an.

Etwas zahm, trotzdem grandios

Das Problem mit der Intimität: Nichts bleibt verborgen. Kein Fahrgefühl. Aber auch keine Unschärfe – und sei sie noch so winzig. Im konkreten Fall: der leichte, aber beständige Drang ins Untersteuern, der sich auf der Rennstrecke von einer Tendenz zur Tatsache ausweitet.

Dabei soll sich der neue GT4 gerade in der Performance weiterentwickelt haben. Insbesondere dank der Aerodynamik: Air-Curtains vor den Vorderradläufen reduzieren den Luftpolstereffekt im Radhaus, im Heck klafft ein riesiger Diffusor, der sich derart tief ins Auto gräbt, dass eine neue Abgasanlage entwickelt werden musste. Ertrag: Bei gleichbleibendem Luftwiderstand stieg der Gesamtabtrieb gegenüber dem Vorgänger um 50 Prozent, was sich zusammen mit den anderen Modifikationen in einer um zehn Sekunden verbesserten Nürburgring-Zeit manifestiert.

Nur ist Hockenheim eben nicht die Nordschleife. Die Kurven hier sind eckiger, das Kurventempo geringer. Bedeutet: Der Cayman kann sich nicht am Luftstrom festhalten, er muss mechanisch grippen. Mit den Rädern, nicht mit den Flügeln. Und so hundertprozentig schafft er das nur mit der Hinterachse. Sie wirkt wie auf den Boden laminiert, generiert mehr Traktion als der Motor Drehmoment und lässt sich auch mit Lastwechseln nicht locken.

Porsche 718 Cayman GT4, Exterieur
Maximilian Balazs
Auf dem Hockenheimring muss er mechanisch grippen. Hundertprozentig schafft er das nur mit der Hinterachse. Sie wirkt wie auf den Boden laminiert, generiert mehr Traktion als der Motor Drehmoment und lässt sich auch mit Lastwechseln nicht locken.

Ein bisschen Mitdrehen beim Einlenken auf der Bremse, mehr ist nicht drin – es sei denn, man packt die Brechstange aus. Das alles hört sich jetzt erst mal gar nicht so verkehrt an, vor allem nach einem angenehm niedrigen Schwierigkeitsniveau. Allerdings führt das starre Heck eben auch dazu, dass die Einlenkarbeit größtenteils an der Vorderachse hängen bleibt. Bedeutet: Der GT4 lässt sich nicht nonchalant herumpeitschen, gerade in engeren Bögen verlangt er viel nach Gespür. Er keilt nicht, er schubbert, was auch den Gummi mürbe macht, sodass – für Porsche völlig untypisch – die Vorderreifen schon nach wenigen Runden in die Knie gehen.

Aha, werden Sie jetzt denken, geht also doch nicht mehr ohne Dynamiktricks! Falsch gedacht! Zum einen beschränkt sich die Hängepartie auf wenige Streckenabschnitte. Der Rest des Hockenheimrings hat sich schon lange nicht mehr so real und so gut angefühlt. Zum anderen sind wir hier der festen Überzeugung, dass ein Teil des Potenzials in einem etwas zu zahmen Fahrwerks-Set-up versandet. Oder anders ausgedrückt: Ein Mittelmotorsportler mit diesen Anlagen und dieser Balance müsste nicht so brav fahren, wie dieser Cayman fährt. Die Frage ist also weniger, ob er mehr könnte, sondern ob er vielleicht nicht mehr können soll. Stallorder? Ich will mal so sagen: Die 1,5 Sekunden, die er am Ende auf einen 992 Carrera S einbüßt, kommen Porsche wahrscheinlich gelegen.

Schließlich wäre es ja ziemlich ungeschickt, würde so ein – bei allem Respekt – simples Gerät gleich mal die ungleich teurere Hightech-Ikone niedermähen. Außerdem verdichten sich gerade die Hinweise, dass man die Luft nach oben noch braucht – für eine vermeintliche RS-Version des GT4, die mit Riesenflügel, Tarnanzug und Trallala gerade die Eifel unsicher macht.

Fazit

Ja, die große Fahrdynamik-Sensation bleibt aus. Und ja, auch im Vergleich zum Vorgänger sind die messbaren Fortschritte eher marginal. Dennoch gibt es für all jene, die das typische Porsche-Feeling wollen, aktuell keine bessere Wahl – erst recht, wenn man die Fahrleistung an den Preis knüpft.

Technische Daten
Porsche 718 Cayman GT4 Cayman GT4
Grundpreis94.971 €
Außenmaße4456 x 1801 x 1269 mm
Kofferraumvolumen425 l
Hubraum / Motor3995 cm³ / 6-Zylinder
Leistung309 kW / 420 PS bei 7600 U/min
Höchstgeschwindigkeit304 km/h
Verbrauch10,9 l/100 km
Die aktuelle Ausgabe
AUTO MOTOR UND SPORT 10 / 2024
AUTO MOTOR UND SPORT 10 / 2024

Erscheinungsdatum 25.04.2024

148 Seiten