Toyota GR Yaris (2021) Fahrbericht
Die Held-Kugel

Subaru WRX STI? Mitsubishi Evo? Alle Geschichte. Dafür startet jetzt der Toyota GR Yaris, nur 3,95 Meter kurz, 1,3 Tonnen schwer, 261 PS stark und mit einer Handvoll Differenziale im Allrad-Antriebsstrang. Feuer frei!

Toyota GR Yaris Fahrbericht Mendig 2020
Foto: Harald Dawo

Heiteres zeichnet sich ab, im trüben November-Wetter, und so wabert durch die diesige Luft der Busch, der Wilhelm, ruft laut: "Stets findet Überraschung statt, da, wo man es nicht erwartet hat". Genau. Bei Toyota beispielsweise. Zornig knurrend entleibt sich gerade das Dreizylinder-Triebwerk im kurzen Bug des Yaris, dreht wild entschlossen im zweiten Gang über 6.000 Umdrehungen. Dann: Hart Bremsen, Lenkimpuls nach links, die Vorderreifen beißen, die hinteren bleiben tapfer in der Spur, sofort wieder ans Gas, der Kleinwagen hechtet der vorgegeben Linie, einem leichten Linksbogen, schlupffrei hinterher. Wieder: Bremsen, umsetzen nach rechts, dann erneut früh und tapfer ans Gas. Vorne zerrt’s ganz sacht, hinten drückt es kräftig. Knapp jenseits von 6.500 Umdrehungen hochschalten in den dritten Gang, knickknack, lässig aus dem Handgelenk, auf kurzem Weg, präzise geführt. Was bitteschön ist denn das?! Ein derartiger Kugelblitz, ausgerechnet von Toyota?

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Nun gut, dass sich bei den Japanern etwas bewegt, und zwar vor allem kratzbürstig unterhalt- statt hybridisch enthaltsam, materialisierte sich zunächst mit dem GT86, dann mit dem GR Supra, entglitt etwas mit dem unglücklichen Yaris GRNM. Dieses Ding hier aber wirkt so, als habe es Toyota-CEO Akio Toyoda und Tommi Mäkkinen, der den Einsatz in der Rallye-Weltmeisterschaft für das Unternehmen verantwortet, an einem launigen Abend mit nicht wenigen Getränken, die ein gesetzliches Mindestalter erfordern, ausgedacht. Und gleich die Serienproduktion beschlossen. An allen Controlling-Gremien vorbei.

Einzigartig im Konzern

Denn obwohl der GR Yaris mit Performance Paket (geschmiedete Felgen auf Michelin Pilot Sport 4S, Torsen Sperrdifferenziale für Vorder- und Hinterachse, spezielle Fahrwerksabstimmung) mal eben 37.690 Euro kostet, dürfte die Marge überschaubar ausfallen. Weil: Der 1,6-Liter-Turbobenziner? Bislang einzigartig im Konzern. Soll übrigens eine Beschleunigung von Null auf 100 km/h in 5,5 Sekunden ermöglichen, bei 230 km/h ist Schluss. Der permanente Allradantrieb mit elektronischer Steuerung? Bislang einzigartig im Konzern. Die dreitürige Karosserie mit 259 zusätzlichen Schweißpunkten? Bislang einzigartig im Konzern. Das Chassis, eine Mischung aus Klein- und Kompaktwagenplattform mit doppelten Querlenkern rundum? Na, raten Sie mal.

Toyota GR Yaris Fahrbericht Mendig 2020
Harald Dawo
In nur 5,5 Sekunden sprintet der Toyota GR Yaris auf Tempo 100. Eine große Marge bringt das allerdings nicht unbedingt.

Das Dach besteht aus Carbon, spart so 3,5 Kilogramm ein, man sieht allerdings eine Folie. Das Schleifen und Lackierung wäre dann doch zu teuer geworden. Die Rohkarosserie wiegt damit durch die zusätzliche Verwendung von Aluminium (Türen, Heckklappe) 27,5 kg weniger als die des Standard-Yaris. Die spezielle Karosserie rechtfertigt Toyota mit dem WRC-Einsatzfahrzeug für die kommende Saison, dass die Türen und Heckklappe übernehmen muss. Die Homologation bedingt übrigens auch die Anzahl der zu bauenden Straßenfahrzeuge: 25.000 Exemplare weltweit. Was bleibt also noch vom braven Kleinwagen übrig? Scheinwerfer, Heckleuchten, Dachantenne – und die zu hohe Sitzposition.

Zackiger Mono-Scroll-Lader

Daher fällt dir schnell der Himmel auf den Kopf, wenngleich die Ergonomie stimmt, Lenkrad, Pedalerie und Schalthebel liegen in optimaler Distanz. Nur mit dem Rausgucken ist das so eine Sache, denn der große Monitor und der tief hängende Innenspiegel wirken zuweilen wie ein Testbild für die Ideallinie. Längerer Rechtsbogen, Belagwechsel, sachtes Übersteuern, weiter Beschleunigen. Das Dreizylinder-Triebwerk mit kombinierter Saugrohr- und Direkteinspritzung spricht in jedem Drehzahlbereich bemerkenswert fix an, leistet sich lediglich beim Anfahren einen leichten Hänger – Zaubern kann die Gazoo Racing (GR)-Truppe dann eben doch nicht. Dennoch: Gemessen an für die Leistung von 261 PS notwendige Größe kommt der Mono-Scroll-Lader zackig auf Touren, was die Japaner mit einem speziellen Kugellager sowie nahe am Wastegate-Ventil angeordneten Steuerungselementen begründen, die den Gasfluss auf der Turbinenseite beschleunigen sollen.

Toyota GR Yaris Fahrbericht Mendig 2020
Harald Dawo
Der Mono-Scroll-Lader kommt zackig auf Touren. Im Cockpit informiert ein Display über das Druckniveau.

Bei 3.000/min liegt das maximale Drehmoment von 360 Newtonmeter an, die Leistungsentfaltung erfolgt allerdings linearer oder besser gesagt weniger explosiv als erwartet. Das Sechsgangschaltgetriebe unterstützt den Motor mit einer sehr guten Spreizung, jeder Schaltvorgang bietet so viel Genuss, wie es noch nicht einmal ein großer Löffel warmer Schokoladenpudding vermag. Dazu aktiviert ein Tastendruck die automatische Zwischengasfunktion. Gut so, denn Hacke-Spitze könnte diesseits von Schuhgröße 46 eher schwierig sein, denn die Pedale liegen weniger eng beieinander als vermutet.

Kraftverteilung je nach Modus

Runterschalten vom fünften in den dritten, Einlenken, der frische Asphalt lässt den Grip an der Hinterachse schwinden, erst recht, als sich die Vorderreifen (225/40 ZR 18) rundum mit dem reibungsintensiveren Beton dahinter verzahnen. Die mechanische Traktion reicht jedoch nahe ans Unerschütterliche, den GR Yaris kannst du dir schon mal ohne aktiviertes Stabilisierungsprogramm gönnen, oder eben erst einmal mit dem etwas nachsichtigeren Expert-Modus. Selbst auf Sport, also dann, wenn die Kraftverteilung des Allradantriebs mit 30 Prozent vorne und 70 Prozent hinten startet, keilt der Toyota nicht aus, drückt bestenfalls mal mit dem Hintern, dessen höchster Punkt ganze 95 Millimeter unter dem des Standard-Yaris liegt. Im Track-Modus verteilt sich die Kraft gleichmäßig auf beide Achsen, im eher drögen Normal-Modus kommen 60 Prozent vorne an. Wobei es sich dabei immer um die Grundverteilung handelt, die in Abhängigkeit von Gaspedalstellung, Lenkwinkel, Raddrehzahl und Gierwinkel angepasst wird.

Tatsächlich passt auf dem Rundkurs in Mendig der Track-Modus am besten, denn er erzieht dem Toyota eine Art lebendige Unerschütterlichkeit an, erlaubt teils hemmungslosen Leistungseinsatz, ohne fades Untersteuern fürchten zu müssen. Womöglich würdest du es zu spät merken, denn bei aller Mühe, die sich die Gazoo-Truppe sicher gab, fehlt es der Lenkung ein wenig an Rückmeldung. Das mag daran liegen, dass die elektromechanische Konstruktion den Aktuator Segment-typisch auf der Lenksäule statt unten an der Zahnstange trägt. Letzteres lässt sich bei Kleinwagen bauraumtechnisch nur bedingt realisieren.

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... eine Erfrischung der Kleinwagen-Landschaft.... ein komplett überflüssiges Modell.

So sei es, du arrangierst die schnell damit, schon allein deshalb, weil der GR Yaris zu jenen Autos zählt, die es nach dem Verständnis vieler heute gar nicht mehr geben dürfte. Es wäre ein Jammer. Alleine das Gefühl, in einem Kleinwagen mit dem Bumms und dem Grip eines großen herumzutollen, selbst auf Asphalt. Hey, was muss das auf Schnee und Schotter für eine Gaudi sein! Zumal zwischen den Sitzen tatsächlich ein echter Handbremshebel steckt, der genau das macht, was er in diesem Fall soll: Das Heck nach außen kicken! Und wieder donnerpöttelt der Dreizylinder, noch eine Runde, und noch eine, bis sich alles Diesige verkrümelt. "Es ist ein lobenswerter Brauch: Wer was Gutes bekommt, der bedankt sich auch", sagt Wilhelm Busch. Dann sage ich mal: "Danke, Toyota!"

Fazit

Gibt’s doch gar nicht? Gibt’s doch: Immens viel Technik auf nur 3,95 Meter Länge, Leistung, enorme Agilität und Traktion. Na ja, eine albern-hohe Sitzposition und eine etwas stumpfe Lenkung auch, doch der Spaßfaktor des GR Yaris ist enorm. Der Preis für einen Kleinwagen auch, nicht jedoch für so ein Knallbonbon. Oder besser gesagt: Für ein Rallye-Homologationsmodell in bester WRX-STI-Evo-Tradition. Einer muss es ja machen. Jetzt eben Toyota.

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AUTO MOTOR UND SPORT 10 / 2024
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Erscheinungsdatum 25.04.2024

148 Seiten