Voyah Free
Wie „Premium“ ist dieser Chinese?

Mit Voyah startet eine chinesische Premium-Marke für Elektroautos auch in Europa. Nach Norwegen in der Schweiz steht 2024 Deutschland auf dem Fahrplan. Wir waren mit dem Oberklasse-SUV Voyah Free unterwegs.

Du denkst, jetzt kann man stetigen Fluss der neuen Marken aus China mal einen Moment innehalten und durchatmen – da rollt ein neuer Testwagen heran. Sein Name Voyah Free. Nie gehört, nie gesehen? Gut, dass es auto motor und sport gibt. Voyah ist das 2021 gestartete Premium-Label des staatlichen Konzerns Dongfeng, bei uns über einen Importeur bereits mit den Marken DFSK (ein Joint Venture mit Sokon Motors) und Forthing vertreten. Drei elektrische Baureihen werden in China unter dem Voyah-Schirm bereits angeboten, mit dem Free kommt die erste davon jetzt nach Europa.

IAA 2023

Ab 2024 auch in Deutschland

9/2023, Voyah Free
Bernd Conrad

Nach Norwegen startet der Voyah Free jetzt in der Schweiz, ab 2024 auch bei uns.

Kurz nach dem ersten Aufschlag in Norwegen ist jetzt die Schweiz dran. Das Start-up Noyo Mobility, gegründet vom erfahrenen Automanager Dr. Daniel Kirchert (BMW, Byton, Infiniti) kümmert sich um den Import und baut ein Servicenetz auf. Noch in diesem Jahr soll es bei den Eidgenossen losgehen, in Deutschland und Österreich soll der Voyah Free im Jahr 2024 starten. Als Vertreter der gehobenen SUV-Klasse mit Elektroantrieb will es der noch unbekannte Chinese mit etablierten Konkurrenten wie Audi Q8 e-tron, BMW iX und Mercedes EQS SUV, aber auch mit dem Nio EL7 aufnehmen.

In Sachen Aufmerksamkeit heimst der Voyah Free schon mal Punkte ein. Menschen drehen sich nach dem dunkelgrünen Testwagen um, fotografieren ihn sogar. Ob es an der unbekannten Marke, der optischen Präsenz der 4,91 Meter langen, 1,95 Meter breiten und 1,66 Meter hohen Karosserie oder einem Missverständnis liegt? Die Front mit der steilen Maske und vertikalen Gestaltungselementen erinnert an den Maserati Levante, das Heck mit dem Schriftzug im LED-Band an den Porsche Cayenne, die Blechfläche darunter an den Range Rover Sport.

"Aha", mag man denken, "die Chinesen kopieren nur". So kann man das nicht stehen lassen. Die genannten Stilmittel integrierten die Designer des Free zu einem eleganten Gesamtfahrzeug, bei dem Proportionen und Elemente wie die geschwungene C-Säule eigene Akzente setzen. Mit der langen vorderen Haube und steilen A-Säulen hätte man in der Verbrenner-Welt die Eigenschaften einer Hinterradantriebs-Plattform mit längs eingebautem Motor erklärt. Auch beim Elektroauto sorgen diese Proportionen für einen sportlichen Auftritt auf dem 20-Zoll-Rädern.

Ein Blender will der Voyah Free nicht sein, sondern auch mit inneren Werten überzeugen. Der 560 Liter große Kofferraum bietet auch an den Seitenwänden Teppichverkleidungen. Ladekabel und Co. fahren im vorderen Staufach (72 Liter Volumen mit). Viel Platz auch für große Menschen gibt es im Fond des SUV, wenngleich das Batteriepaket im Fahrzeugboden für angewinkelte Beine sorgt. Fahrer und Beifahrer lümmeln auf bequemen Sesseln, die sich beheizen und lüften lassen. Auch eine Sitzmassage gibt es. Das Auf und Ab der Polsterelemente geht aber mit einer recht hohen Geräuschkulisse einher.

Ebenso sauber wie Verarbeitung und Materialgüte soll die Innenraumluft sein. Die Klimaautomatik hat eine Reinigungsfunktion, zudem kann bei Bedarf ein Duftspender aktiviert werden.

Das Cockpit erhebt sich

9/2023, Voyah Free
Bernd Conrad

Bei Mercedes nennen sie es Hyperscreen. Drei große Displays im Cockpit des Voyah Free.

Nach dem Motorstart erhebt sich das Armaturenbrett mit seinen drei 12,3-Zoll-Displays elektrisch. Es fährt über die gesamte Breite um einige Zentimeter nach oben. Je nach aktivierter Ansicht kann man die Inhalte des zentralen Bildschirms mit denen des Beifahrer-Monitors austauschen. Hilfreich, wenn der Co-Pilot beispielsweise einen neuen Radiosender suchen will. Leider kann die Navigation nicht wechseln, was Sinn machen würde.

Hinter dem Lenkrad lässt sich die Kartenanzeige der Routenführung, zusätzlich zum Mittendisplay, aufrufen. Außerdem kann man die Anzeigen der virtuellen Instrumente variieren. Die Bedienung erfolgt über die Touchscreen-Funktion auf zwei der drei Displays. Für wichtige Klimafunktionen gibt es zudem eine sauber eingepasste Leiste mit physischen Bedienelementen, weitere Knöpfe finden sich in der Mittelkonsole. Hier wartet auch ein Touch-Feld im Lexus-Stil auf Fingerkontakt. Die Audiolautstärke ließ sich hier während der Testfahrten zuverlässig verstellen. Manchmal auch die Display-Helligkeit. Wann und warum das der Fall war, bleibt aber aktuell noch ein Geheimnis des Voyah Free.

Genug herumgedrückt? Noch nicht ganz. Erst der Startknopf, dann das Fahrpedal. Schon im Komfort-Fahrmodus legt die über 2,3 Tonnen schwere Fuhre dynamisch ab. Der Elektroantrieb mit einer Maschine pro Achse hat eine Systemleistung von 360 kW (489 PS) und entwickelt ein Drehmoment von 720 Newtonmetern.

Fährt schnell, assistiert nur bis Tempo 130

410 davon wirken auf die Hinterräder. Bei voller Beschleunigung spürt man den Druck, die Vorderachse wird etwas leicht. Ob dies auf nasser Straße oder rutschigem Untergrund für ein Aufwecken der Traktionskontrolle sorgt, konnte während der Testfahrten an einem trockenen Sommerwochenende noch nicht ausprobiert werden.

In 4,4 Sekunden soll der Voyah Free auf 100 km/h beschleunigen. Die Höchstgeschwindigkeit wird mit 200 km/h angegeben. Die erreicht er auf der leeren Autobahn mit Leichtigkeit. Linear nimmt er Tempo auf, bei "Tacho 208" fährt er sanft in den Begrenzer.

Die Luftfederung mit adaptiver Dämpfersteuerung senkt die Karosserie bei höheren Geschwindigkeiten leicht ab. Auch so bietet der Free viel Komfort, der stabile Geradeauslauf gefällt. Störend sind die hohen Windgeräusche, die flatternde Oberfläche der Motorhaube stört zudem das Qualitätsempfinden.

Entspannter kann man es bei niedrigerem Tempo angehen lassen, denn nur dann assistiert der Voyah Free die Reise. Adaptive Geschwindigkeitsregelanlage und Spurführungsfunktion arbeiten zuverlässig, aber nur bis 130 km/h. Darüber steigen beide aus. Auch ein Nachtsichtgerät ist an Bord.

500 km Reichweite

9/2023, Voyah Free
Bernd Conrad

100 kW DC-Ladeleistung sind für ein Reisefahrzeug zu wenig.

Eine Herstellerangabe für den Stromverbrauch steht noch aus. Am Ende der Testfahrten – mit Check der Höchstgeschwindigkeit wie beschrieben – steht der Wert von 27 kWh je 100 Kilometer auf der Anzeige des Bordcomputers. Ob man im Alltag Werte um 20 kWh schafft?

Mit der Energie auf dem 106 kWh (netto 100 kWh) großen ternären Lithium Akku soll, ohne Autobahneskapaden, eine Reichweite von 500 Kilometern nach WLTP-Norm möglich sein. Spätestens dann muss der Voyah Free ans Kabel. Die Leistung am Schnelllader fällt übersichtlich aus: Nur 100 kW sind hier in der Spitze möglich. Viele Mitbewerber laden deutlich schneller. An der Wallbox oder einer öffentlichen Ladesäule zieht der Free Wechselstrom dreiphasig mit 11 kW.

Lange Standzeiten am Stromanschluss bieten immerhin genug Zeit, die Fragen anderer Autofahrer zu beantworten, darunter auch die nach dem Preis. Offiziell gibt es noch keine Information für den deutschen Markt. In der Liste der förderfähigen Elektrofahrzeuge des zuständigen Bundesamts für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (Bafa) wird der Voyah Free jedoch schon gelistet. Mit Mehrwertsteuer kostet er bei uns 76.990 Euro.

Teures Sonderangebot

9/2023, Voyah Free
Bernd Conrad

Der Voyah Free ist 4,91 Meter lang.

Trotz der umfangreichen Serienausstattung, die auch ein dimmbares Panorama-Glasdach und Dynaudio-Soundsystem, aber keine Smartphone-Integration mit Apple CarPlay oder Android Auto umfasst, eine stolze Summe. Im Vergleich zur Konkurrenz wird der Voyah Free aber fast zum Schnäppchen, auch im China-Vergleich. Der Nio EL7 kostet, wenn man bei ihm den 100 kWh großen Akku mit dem Auto kauft, stolze 94.900 Euro und somit fast 18.000 Euro mehr.

Noyo Mobility bietet den Voyah Free in der Schweiz (dort umgerechnet ab etwa 73.200 Euro) mit einer Neuwagengarantie von fünf Jahren bis 100.000 Kilometer an, auf den Akku stehen Hersteller im Importeur für acht Jahre bis zu einer Laufleistung von 160.000 Kilometern gerade.

Fazit

Der Voyah Free steht nicht gleichbedeutend für die Neuerfindung des Rads in der Elektro-Premium-Klasse. Mit seiner hochwertigen Verarbeitung und dem antrittsstarken Elektroantrieb kann der große SUV aus China aber durchaus eine Alternative für markenoffene Kunden sein – sofern Leasing, Finanzierung und Service nach dem Kauf stimmen.