Binotto stichelt gegen Mercedes
Ferrari geht das Geld aus

GP Brasilien 2022

Mercedes kommt Ferrari in der Teamwertung immer näher. Auf der Strecke sind die Silberpfeile bereits die Nummer zwei. Ferrari-Teamchef Mattia Binotto schiebt es auf die Entwicklung. Sein Team habe kein Budget mehr für Updates. Außerdem liege der Fokus schon länger auf 2023.

Charles Leclerc - GP Brasilien 2022
Foto: Motorsport Images

Der zweite Platz ist in Gefahr. Mercedes verkürzte mit einem Doppelsieg in Brasilien den Abstand zu Ferrari in der Team-WM auf 19 Punkte. Das lässt sich im Finale von Abu Dhabi noch drehen. Für Ferrari wäre es eine bittere Pille, in einer Saison Dritter zu werden, die man mit dem besten Auto und berechtigten Titelhoffnungen begann.

Der Trend ist eindeutig. Seit dem GP USA hat Mercedes das bessere Paket. Dort schob das Team aus Brackley ein Upgrade nach und speckte den W13 um etwa fünf Kilogramm ab. In Summe gewann man ein paar Zehntelsekunden. Ferrari hat dagegen seit längerer Zeit die Entwicklung am F1-75 eingestellt. Die roten Autos wurden zuletzt in Japan mit einem modifizierten Unterboden bestückt. Das war es für diese Saison.

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Kein Budget mehr für Updates

Ferrari-Teamchef Mattia Binotto ist daher nicht überrascht, dass Mercedes seine Mannschaft überholt hat – und dass die Silberpfeile in Brasilien ihr erstes Saisonrennen gewannen. Er nimmt den Erfolg sogar zum Anlass, ein bisschen gegen die Konkurrenz zu sticheln. "Mercedes hätte bereits die letzten Rennen gewinnen können, wenn sie die richtigen Reifen gewählt hätten." Binotto will damit sagen: Nicht nur Ferrari greift strategisch mal daneben.

Er bezieht sich dabei auf die Rennen in Austin und Mexiko. In den USA war Lewis Hamilton den letzten Rennteil mit harten Reifen gefahren. Max Verstappen überholte ihn noch auf den Mediums. In Mexiko fuhr Red Bull generell eine Stufe weichere Reifen – und schaffte es entgegen den Erwartungen von Mercedes mit einem Boxenhalt über die Distanz.

Während Mercedes sein Auto stetig weiterverbesserte, kam bei Ferrari nichts mehr Neues. "Das ist keine Wahl, die wir freiwillig getroffen haben. Uns ist einfach das Geld ausgegangen", rechtfertigt Binotto. Ferrari hat die Budgetobergrenze ausgereizt. Da konnte die Technikabteilung in Maranello keine Updates mehr auflegen. "Wir können uns die Extra-Kosten für die Produktion der Teile nicht leisten."

Ferrari - GP Brasilien 2022
Wilhelm
In Sachen Power präsentierte sich Ferrari in Sao Paulo wieder in Normalform.

Ferrari-Motor wieder in Normalform

Ein zweiter Grund ist, dass Ferrari sich lieber dem 2023er Modell widmet. Schon direkt nach der Sommerpause wurden die Ressourcen auf das nächstjährige Auto verlagert. Die Baustellen sind identifiziert und sollen ausgeräumt werden. Ferrari braucht ein effizienteres Auto, und muss zurück zu stabilem Abtrieb in den Kurven. Den hatte man zu Saisonbeginn wie kein anderes Auto im Feld.

Mit den Unterboden-Updates in der ersten Saisonhälfte ist Ferrari aber irgendwo falsch abgebogen. Das Arbeitsfenster verkleinerte sich. Der F1-75 entwickelte sich zwischenzeitlich zum Reifenfresser. Sicher schwächten Ferrari auch die strengeren Regeln zur Biegsamkeit des Unterbodens und zur Abnutzung der Schutzplanke, die seit dem GP Belgien gelten. Und die Seuche mit den Motor-Ventilen, die zu reduzierten Laufleistungen und zu Startplatzstrafen führte.

In der Höhe von Mexiko mussten die Ingenieure die Leistung des Sechszylinders-Turbos sogar massiv herunterfahren. Es war eine Ausnahme. Interlagos ist zwar die zweithöchst gelegene Rennstrecke im Formel-1-Rennkalender. Doch auf rund 800 Metern über dem Meeresspiegel fand der Ferrari-Motor wieder zur Normalform. "Wir konnten zu unserem aktuellen Leistungsmaximum zurückkehren." Zwischen den Zeilen hört man heraus, dass Ferrari im Vergleich zum Saisonbeginn mit reduzierter Power fahren muss.

Mercedes vs. Ferrari - GP Brasilien 2022
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Gegen Mercedes zog Ferrari in den letzten Rennen regelmäßig den Kürzeren.

Mercedes zu schnell für Ferrari

In Interlagos gelang Ferrari ein Fortschritt, auch wenn Mercedes schneller war. Die Reifen bauten nicht so stark ab wie so oft in der zweiten Saisonhälfte. Mehr als Platz drei und vier wäre auch bei einem normalen Rennverlauf nicht möglich gewesen. "Mercedes hatte das schnellste Auto. Sie waren schneller als Red Bull und schneller als wir", erkannte Carlos Sainz an.

Maranello taktierte anders als die Rivalen vor sich. Man wählte den Medium- statt dem Softreifen für den Start, und schwamm gegen den Strom. Die Hoffnung war, dass die gelbmarkierte Mischung die Ferrari bei 15 Grad höheren Asphalttemperaturen länger tragen kann. Der Plan sah vor, im zweiten und dritten Rennteil auf der weichsten Mischung Attacke zu machen – wenn es kühler ist.

Das frühe Safety-Car half den Softstartern und machte Ferrari einen Strich durch die Rechnung. Ohnehin erlebten die Piloten in den roten Overalls frühe Rückschläge. Charles Leclerc wurde von Lando Norris von der Strecke geboxt. Als Letzter musste er eine Aufholjagd starten.

Charles Leclerc - GP Brasilien 2022
Wilhelm
Charles Leclerc und Carlos Sainz kämpften in Brasilien mit unterschiedlichen Problemen.

Abreißvisier im Ferrari-Bremsschacht

Sainz zwang ein verheddertes Abreißvisier zu einem frühen Stopp in Runde 17. Es hatte sich im hinteren rechten Bremsschacht verfangen. Dort entzündete sich ein kleines Feuer. "Bremse und Reifen überhitzen. Ich bekam Schwierigkeiten mit der Konzentration. Als ich das Feuer sah, dachte ich, mein Rennen sei gelaufen."

War es nicht. Die Mechaniker entfernten den Übeltäter. Die Bremstemperaturen regulierten sich wieder. Der frühe Reifenwechsel zwang Sainz in eine Dreistoppstrategie. "Ich habe alles um mich herum vergessen, und einfach Vollgas gegeben. Ich wollte einfach sehen, wohin mich das bringt."

Am Ende ging es bis auf das Podest. Teamkollege Leclerc hatte sich vor dem großen Finale bereits auf die siebte Position verbessert. Nach Ende des Safety-Cars kassierte er noch drei Gegner. "Meine Pace und das Gefühl im Auto waren gut. Ich bin zufrieden mit meiner Performance und der Aufholjagd."