McLarens beste Saisonleistung
Der große Red-Bull-Rivale 2024?

GP Brasilien 2023

Lando Norris landete in Brasilien zwei Mal auf dem zweiten Platz. Jeweils hinter Max Verstappen. Der McLaren entwickelt sich immer mehr hin zu einem Allrounder. Red-Bull-Teamchef Christian Horner warnt bereits vor der Papaya-Konkurrenz.

Lando Norris - McLaren - Formel 1 - GP Brasilien 2023 - Qualifikation
Foto: Motorsport Images

Teams mit den technischen Einrichtungen wie Mercedes und Ferrari muss man es immer zutrauen, über den Winter einen großen Schritt bei der Fahrzeugentwicklung zu machen. Doch es gibt im Fahrerlager der Formel 1 gerade einen heißeren Tipp, wer Red Bull vielleicht in der kommenden Saison herausfordern könnte. Das ist McLaren. "Wenn sie ihre aktuelle Form ins kommende Jahr übertragen, sind sie mit Sicherheit ein Anwärter auf den Titel", sagt Red Bulls Teamchef Christian Horner.

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Der Engländer bezieht sich dabei auch auf die Fortschritte, die McLaren unter der Saison gelungen sind. Kein Rennstall hat sein Auto derart verbessert. "Sie kamen in den ersten Rennen kaum über das Q1 hinaus. Jetzt fordern sie sogar Max heraus", staunt Mercedes-Teamchef Toto Wolff, ehe er nachschiebt. "Diese Autos sind so komplex. Keiner ist sicher davor, es mal zu verhauen. Selbst Red Bull hat es in Singapur getroffen. Aston Martin war in Mexiko im Nirgendwo und in Brasilien plötzlich auf dem Podest."

Lando Norris - McLaren - Formel 1 - GP Brasilien 2023 - Sprint
Wilhelm
Lando Norris - McLaren - Formel 1 - GP Brasilien 2023 - Sprint

McLaren gewinnt Allrounder-Qualitäten

Die Groundeffect-Autos geben den meisten Teams auch im zweiten Jahr noch Rätsel auf. Red Bull hat sie mit Abstand am schnellsten entschlüsselt. Deshalb reitet das Weltmeisterteam seit 2022 auf einer Erfolgswelle, die immer höher türmt. Verstappen hat sich zum Unschlagbaren entwickelt. Inzwischen muss man festhalten, dass sich McLaren wenigstens in diese Richtung bewegt. Der MCL60 war anfangs eine Krücke, aus der mit diversen Ausbaustufen ein schnelles Rennauto wurde.

Spätestens mit der letzten Kur in Singapur sind die McLaren auf jeder Rennstrecke ein Podestkandidat. Selbst auf Kursen wie zuletzt in Austin, Mexiko und Brasilien, die von der Papierform keine Großtaten versprachen. Doch McLaren ist es inzwischen egal, ob die Kurvengeschwindigkeiten stark variieren, wie in Austin und São Paulo oder ob sich überwiegend langsame Kurven in den Asphalt legen, wie in der dünnen Höhenluft von Mexiko-Stadt. Der MCL60 hat Allrounder-Qualitäten gewonnen.

Eine Frage der Entwicklungskurve

Auf dieser Basis lässt sich für die kommende Saison aufbauen. "Wir arbeiten bereits seit Juli fast mit Volldampf am nächstjährigen Auto", verrät McLarens Teamchef Stella. "Der Startpunkt des Projekts ist wichtig. Noch wichtiger ist aber die Entwicklungskurve in den sechs bis sieben Monaten danach. Wenn sie steil genug ist, können wir gut abschneiden." Die Entwicklungsgeschwindigkeit ist der Schlüssel.

Man wird bei jeder Aussage das Gefühl nicht los, dass hier ein Team an der Arbeit ist, das einen klaren Plan verfolgt. Das genau weiß, was zu tun ist. In einigen Bereichen hat sich McLaren bereits auf das Niveau von Red Bull begeben. In den schnellen Kurven zum Beispiel. Da staunt manchmal selbst Max Verstappen nicht schlecht über die Performance des Gegners. Auch die mittelschnellen Ecken kann der McLaren.

Teamchef Stella zählt auf, wo die Papaya-Rennwagen auf dem 4,309 Kilometer langen Kurs in Interlagos gut aufgestellt waren. "In den Kurven 2 und 3 im ersten Sektor, in den Kurven 6, 7 und 11 im zweiten Abschnitt." Hier die jeweiligen Kurvengeschwindigkeiten dazu: 145 km/h (2), 210 km/h (3), 280 km/h (6), 215 km/h (7), und 200 km/h (11).

Lando Norris - McLaren - GP Brasilien 2023
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Die Schwachpunkte im McLaren-Paket

Die langsamen Ecken sind es, die McLaren noch beschäftigen. Wenngleich festzuhalten gilt: McLaren ist mit dem Singapur-Upgrade auch in diesem Kurventyp zwischen 80 und 120 km/h besser geworden. Vor allem durch das Verständnis seither. Was hemmt McLaren? Wenn die Fahrer tief in eine langsame Kurve hineinbremsen und dabei einlenken müssen. "Ihr Auto geht dafür besser über Randsteine und Bodenwellen als unseres", hält Verstappen fest.

Red Bulls Ingenieure haben noch ein weiteres Defizit ausgemacht. Der McLaren baue geradeaus einen zu hohen Luftwiderstand auf. Doch auch hier haben die Ingenieure aus Woking nachgebessert. Der Flügeltyp, den man in Zandvoort eingeführt hatte, hilft der aerodynamischen Effizienz. In Brasilien waren die Papaya-Autos auf den Geraden schnell, ohne dafür in den Kurven oder bei der Reifenabnutzung zu büßen.

Das Thema Aufhängungen

Was uns zu einem wichtigen Punkt bringt. Stella hat beobachtet: "Mit frischen Reifen können wir mithalten." Gesehen an der Qualifikation. "Der Red Bull hebt sich von allen anderen Autos auf gebrauchten Reifen ab. Sobald die Reifen nachlassen, verlieren wir. In São Paulo betrug der Reifenabbau im Schnitt 0,1 Sekunden alle zwei Runden. Red Bull schafft es, diesen Verlust zu begrenzen. Je älter das Reifenalter, desto weiter geht die Schere auseinander."

Das ist ein Thema, das McLaren mit dem 2024er Auto unbedingt angehen muss. Eine Mischung aus Verbesserungen bei der Aerodynamik, aber auch bei der Mechanik. Es heißt, dass Red Bull bei den Aufhängungen allen noch etwas voraus hat. "Sie sind sehr wichtig. Nicht nur, um die Aerodynamik bestmöglich zur Geltung zu bringen. Sondern auch als einziges Bindeglied zum Chassis. Die Aufhängungen spielen daher eine fundamentale Rolle bei der Reifennutzung", schildert Stella.

Verstappen - Norris - Formel 1 - GP Brasilien 2023 - Rennen
Wilhelm
Verstappen - Norris - Formel 1 - GP Brasilien 2023 - Rennen

McLarens 180-Grad-Wende

Das ist eine Geschichte für den Winter. "Unter der Saison schafft die Aerodynamik mehr Entwicklungsmöglichkeiten. Die Aufhängungen fasst du da nicht mehr groß an. Das Bodywork baust du mit viel weniger Aufwand um." So gesehen in dieser Saison, als McLaren eine 180-Grad-Wende schaffte. "Wir haben uns bei einigen wichtigen Komponenten vom vorherigen Weg verabschiedet. Beim Unterboden, bei den Verkleidungsteilen, beim Heckflügel und in gewissem Maß auch beim Frontflügel sind wir auf neue Konzepte umgeschwenkt."

Zum Schluss noch eine Aussage, die unterstreicht, dass McLaren ein gutes Grundverständnis der Groundeffect-Autos hat. "Wir sind mit der Planke auf der sicheren Seite." Die Bestimmung der Bodenfreiheit ist kein Problem wie bei Mercedes oder Ferrari. Das Arbeitsfenster ist durch die Entwicklungen unter der Saison größer geworden. Und McLaren muss sich nicht sorgen, dass Bodenwellen wie in Austin oder São Paulo die Skid-Blocks abwetzen.