Wie gut ist der runderneuerte Sauber?
Red-Bull-DNA unter grellgrünem Lack

Sauber betritt mit seinem C44 neues Terrain. Technikchef James Key kehrte mitten im Designprozess nach Hinwil zurück und erklärt, warum dieses Auto für den Schweizer Rennstall totales Neuland ist.

Guanyu Zhou - Sauber - Bahrain Test 2024
Foto: Sauber

Der vierte Platz von Guanyu Zhou in der Testrangliste war ein Boost für das Gemüt. Der 24-jährige Chinese fuhr seine schnellste Runde zwar mit den weichen C4-Reifen, doch das trifft auch auf viele direkte Konkurrenten von Sauber zu. Yuki Tsunoda im Toro Rosso war mit der gleichen Mischung ein Zehntel langsamer, Alexander Albon im Williams drei.

Wenn man das Delta von sieben Zehnteln zwischen den Sorten C3 und C4 mit einrechnet, war Zhou auch schneller als Nico Hülkenberg im Haas und Esteban Ocon im Alpine. Das zeigte der Truppe des viertältesten Formel-1-Rennstalls, dass der C44 zumindest kein Flop ist.

Unsere Highlights
James Key - Sauber - Bahrain Test 2024
Motorsport Images

Technikchef James Key und seine Ingenieure müssen erst einmal durch eine Lernphase mit dem C44.

Red-Bull-DNA im Sauber

Sauber kann mit dem Verlauf der drei Testtage von Bahrain zufrieden sein. Mit 379 Runden liegt man von der Kilometerleistung im vorderen Teil des Feldes. Erst am letzten Testtag musste Valtteri Bottas pausieren. Ein technisches Problem erforderte als Vorsichtsmaßnahme eine längere Untersuchung.

Das neue Auto schlägt aus der Art und entfernt sich in vielen Punkten von seinem Vorgänger. Natürlich ließ sich auch Sauber von Red Bull inspirieren. Hier und da steckt die DNA des Meisterautos in dem grellgrün lackierten Renner aus Hinwil. Es ist das 32. Formel-1-Auto in der Firmengeschichte.

Mit Technikchef James Key kehrt ein alter Bekannter in die Schweiz zurück. Der 52-jährige Engländer hat von 2010 bis 2012 bei Sauber gearbeitet. Diesmal stieß er mitten im Designprozess zu seinem ehemaligen Team, "in dem ich noch viele bekannte Gesichter von damals getroffen habe."

Valtteri Bottas - Sauber - Bahrain Test 2024
Sauber

Bei der Vorderrad-Aufhängung hat Sauber auf Pullrod umgestellt.

Großer Respekt vor Pullrod-Aufhängung

Als Key im vergangenen September seine Arbeit aufnahm, war die Plattform des C44 bereits definiert." Chassis und Aufhängungen waren schon fertig, auch ein paar Aerodynamikentwürfe. Ich hatte nur noch bedingt Einfluss auf einige mechanische Komponenten und den Großteil der Aerodynamikentwicklung."

In vielen Bereichen betraten die Ingenieure Neuland. Zum Beispiel bei der Verpackung der Kühler und Steuergeräte in den extrem unterschnittenen Seitenkästen. Sie bilden zur Bodenplatte eine Art Tunnel, die ähnlich wie beim aktuellen Red Bull aus den Seitenteilen einen Flügel macht. Auch die Kanten der Bodenplatte mit ihrem langen Einzug in der Mitte und dem Slot kurz vor den Hinterrädern sind sehr speziell.

Den größten Respekt hatte Sauber vor der neuen Vorderradaufhängung, die jetzt mit Zug- statt Druckstreben arbeitet. "Die Herausforderung dieser Bauart ist es einen steifen Verbund hinzukriegen, der seine Dämpfungs- und Federungsarbeit ähnlich gut hinkriegt wie eine Pushrod-Aufhängung", erklärt Key. Das nicht so trivial wie es sich anhört. "Bei einer Pullrod-Aufhängung funktioniert alles spiegelverkehrt."

Guanyu Zhou - Sauber  - F1-Test - Bahrain - 21. Februar 2024
Motorsport Images

Die Seitenkästen erinnern an den alten Red Bull. Hier galt es in Bahrain Aerodynamik-Daten zu sammeln.

18 Monate Erfahrungsrückstand

Mechanisch muss man mit Zugstreben gewisse Kompromisse in Kauf nehmen. "Aber schon bei der ersten CFD-Simulation merkst du, dass der aerodynamische Vorteil den mechanischen Nachteil überwiegt." Die Strömung zu den Kühlern und zu den Venturi-Kanälen lässt sich viel einfacher kontrollieren, wenn der Dämpfer-Arm tief am Chassis ansetzt. Auch an der Hinterachse gab es Verbesserungsbedarf. Mit der neuen Kinematik lässt sich die Bodenfreiheit im Heck besser kontrollieren.

Deshalb ist es nicht verwunderlich, dass Sauber sein Testprogramm konservativ auslegte. "Es ging hauptsächlich darum, dieses völlig neue Auto kennenzulernen und alle möglichen Setup-Varianten durchzuspielen, um zu erfahren wie es reagiert. Wir haben 18 Monate Erfahrungsrückstand, was dieses Konzept angeht", verrät Key.

Sein Fazit: "Wir haben jetzt ein gutes Verständnis von dem, was das Auto macht. Es produziert während der Kurvenfahrt stabileren Abtrieb, lässt sich einfacher fahren und ist berechenbarer. Wir kommen nicht mehr so früh ins Bouncing."

Weil sich jetzt schon abzeichnet, dass in der zweiten Tabellenhälfte wieder Hundertstel über Sein und Nichtsein entscheiden, wurden alle denkbaren Szenarien simuliert. Im Vordergrund stand die Performance im Renntrim und das Reifenmanagement. "Ich bin froh, wie der Test verlaufen ist. Wir konnten alle Punkte abhaken. Die Korrelation unserer Werkzeuge zur Rennstrecke passt."

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