Navigationsgeräte im Vergleich
Überzeugt das Smartphone-Navi?

Wozu überhaupt noch Geld für ein Navigationssystem ausgeben, wo doch inzwischen jedes Smartphone ans Ziel lotst? Wir haben Handy-Apps von Google und Apple mit Nachrüst-Varianten sowie teuren Ab-Werk-Routenführern der Autohersteller verglichen.

Navigationsgerät, Technik
Foto: Dino Eisele

Vor 20 Jahren als Luxus-Extra in der automobile Oberklasse gestartet, hat sich die Navigation inzwischen zur Gratisfunktion auf jedem Smartphone hinabdemokratisiert. Zu spüren bekommen dies hauptsächlich Hersteller der einst so beliebten Saugnapf-Lotsen – sie kämpfen seit Jahren mit sinkenden Verkaufszahlen. Kein Wunder, dass sich inzwischen bis auf Garmin und TomTom alle relevanten Anbieter vom Markt verabschiedet haben. Aber auch der Druck auf die Autohersteller wächst, die immer noch sehr hohe Aufpreise für ihre Navigationssysteme verlangen. Grund genug, einen prinzipiellen Systemvergleich anzustellen, bei dem die Smartphones gegen Nachrüstgeräte und Werkseinbauten antreten. In den drei Klassen schickt auto motor und sport exemplarisch jeweils zwei der derzeit besten Geräte an den Start. Für die Handy-Fraktion sind dies das Apple iPhone 5s und dessen koreanischer Konkurrent Samsung Galaxy S5, jeweils mit den vorinstallierten Gratis-Apps.

Smartphone-Navigation ab 0 Euro

Okay, das mit den null Euro ist gelogen, ein Handy plus Vertrag kostet natürlich Geld. Doch wer ohnehin ein Smartphone mit Daten-Flatrate besitzt, für den stellen Navi-Apps kostenlose Alternativen dar. Alternativen, die in vielen Punkten selbst teure Ab-Werk-Lotsen abledern, wie der Test von Google Maps samt Online-Staudaten auf einem Samsung Galaxy und dem Kartendienst mit HD-Traffic von TomTom auf dem iPhone zeigt. Nach dem Druck auf die Sprachtaste nahmen die Smartphones selbst uneindeutige Zielwünsche entgegen ("Zeig mir den Weg zum nächsten Baumarkt") und erkannten konkrete Adressen mit einer sehr hohen Trefferquote. Die Taschencomputer senden Sprachaufnahmen nämlich auf externe Server, wo sie dechiffriert und als Text zurückgeschickt werden.

Steht das Ziel fest, schlagen die Smartphones mehrere Alternativrouten mit Fahrstrecke und geschätzter Ankunftszeit vor. Die Prognosen fielen dabei sehr präzise aus, da die Fahrzeit auf Basis von Echtzeit-Verkehrsdaten berechnet wird. Dank permanenter Online-Anbindung klappte die Aktualisierung der Verkehrslage auch während der Fahrt problemlos. Selbst die Qualität der eingebauten GPS-Antennen – früher ein Schwachpunkt vieler Handys – ist inzwischen auf beeindruckendem Niveau. Nach Tunnel- oder Tiefgaragenausfahrten war die Ortung binnen Sekunden wiederhergestellt, mit leichten Vorteilen für das iPhone.

Angesichts der überzeugenden Vorstellung lassen sich die prinzipbedingten Nachteile verkraften: Speziell das Apple-Display fällt mit seinen vier Zoll nicht sehr üppig aus, Straßennamen lassen sich während der Fahrt daher kaum entziffern, auch die Tastatur mit ihren winzigen Buchstabenfeldern ist nicht autotauglich. Wenn möglich, sollte daher immer die Spracheingabe gewählt werden. Bei hohem Tempo und entsprechendem Innengeräuschpegel dürften die Abbiegehinweise zudem gern etwas lauter tönen.

Das Smartphone-Navi reicht fast immer aus

Im Ausland stößt die Smartphone-Navigation wegen der notwendigen Online-Anbindung an ihre Grenzen – je nach Vertrag fallen nämlich saftige Roaming-Gebühren an. Wer mit den kleinen Smartphone-Displays leben kann, bekommt ansonsten Top-Routenführer, die sich via Internet mit Staudaten versorgen und mit toller Sprachsteuerung begeistern. Um das Handy im Auto legal nutzen zu können, bedarf es jedoch einer Halterung, die im Zubehörhandel (z. B. bei www.brodit-shop.de) ab 20 Euro erhältlich ist. Da Handy-Displays und Navi-Apps viel Strom schlucken, empfiehlt sich ein Ladekabel (für Zigarettenanzünder oder USB-Buchse), um am Ziel nicht mit leerem Akku dazustehen. Wer eine Freisprecheinrichtung mit Musikübertragung besitzt, kann die Abbiege-Ansagen eines per Bluetooth gekoppelten Navi-Handys über die Bordlautsprecher wiedergeben, was deren Verständlichkeit enorm verbessert.

Navigation zum Nachrüsten für rund 300 Euro

Nach dem tollen Ergebnis der Smartphones wächst der Druck auf die Saugnapf-Fraktion. Mit dem Nüvi 2798 LMT-D und dem GO 5000 schicken die Marktführer Garmin und TomTom immerhin zwei ihrer besten Geräte für rund 300 Euro ins Rennen. Das große Sieben-Zoll-Display des Garmin lässt nicht nur Handys, sondern sogar manch fest eingebauten Touchscreen kümmerlich wirken. Große Buchstabenfelder verlangen keine spitzen Finger bei der Adresseingabe, ein geteilter Bildschirm mit übersichtlicher Kreuzungsdarstellung erleichtert die Orientierung beim Abbiegen. Das TomTom ist wahlweise mit Fünf- oder Sechs-Zoll-Bildschirm zu haben und lässt sich wie das Garmin per Sprache steuern. Und zwar ohne manuelles Zutun: Einfach den jeweiligen Schlüsselbegriff nennen ("Sprachbefehl" bzw. "Hallo TomTom"), und schon spitzen die Navis ihre Ohren.

Anders als bei den Smartphones muss sich der Sprecher jedoch an vorgegebene Kommandos halten, da die Sprachverarbeitung nicht auf einem externen Server, sondern intern erfolgt. So sind die Geräte schon überfordert, wenn zuerst der Städtename und dann die Straße genannt wird statt – wie vorgesehen – umgekehrt. Auf der Höhe der Zeit befinden sich dafür die Staumeldungen. Anders als beim Gros der Nachrüst-Kollegen, die noch vom langsamen TMC bedient werden, lassen sich unsere Edel-Lotsen alle paar Minuten die neuesten Staudaten mittels eingebauter SIM-Karte (TomTom) bzw. DAB-Tuner (Garmin) zufunken.

Die vorgeschlagenen Routen überzeugen daher ebenso wie die Genauigkeit der prognostizierten Ankunftszeiten. Wer unabhängig vom Handy navigieren möchte, fährt mit den beiden Lotsen daher prima und spart die im Ausland anfallenden Roaming-Kosten. Im Gegensatz zu den Smartphones müssen die Reiseprofis ihre Karten nicht für jede Fahrt aus dem Internet laden. Je nach Handy-Vertrag und Nutzung kommen dabei schnell Beträge zusammen, für die es bereits günstige Saugnapf-Navis gibt. Einfach ausgestattete Geräte finden sich schließlich schon für unter hundert Euro.

Auslandsspezialisten mit großem Display

Ein Nachrüst-Navi lohnt sich für alle, denen das Display ihres Handys zu klein und dessen Bedienung im Auto zu fummelig ist. Dann sollte gleich ein Gerät mit Sechs- oder Sieben-Zoll-Monitor in Betracht gezogen werden, sonst fällt der Unterschied zu gering aus. Auch wer häufig im Ausland oder in Gebieten mit schlechter Mobilfunkabdeckung unterwegs ist, fährt mit Nachrüst-Navis prima. Besitzt das Auto keine eingebaute Freisprecheinrichtung, nimmt man am besten ein Kombigerät wie das getestete Garmin. Die Befestigung des Nachrüst-Führers sollte jedoch gut geplant werden. Per Saugnapf an die Scheibe gepfropft, behindert der Monitor die Sicht nach vorn. Cleverer lässt sich das Navi daher an Mittelkonsole, Lüftungsgitter oder Armaturenbrett andocken. Maßgefertigte Halterungen für viele Fahrzeug- und Navigationstypen – teils sogar mit integrierter Stromversorgung – gibt es bei Autonet (www.autonet.de).

Navigation ab Werk kostet über 2.000 Euro

Bei den Preisen muss man erst mal durchatmen: 2.725 Euro extra verlangt VW für die Golf-Navigation Discover Pro, der Online-Zugang kostet nochmals 102 Euro. Für den gleichen Betrag ließen sich fünf High-End-Tablet-PC oder zwei 60- Zoll-LCD-Fernseher anschaffen. Beim BMW 3er gehört das Navigationspaket ConnectedDrive mit 3.100 Euro ebenfalls zu den teuersten Extras. Da braucht es schon gute Argumente für die Werks-Lotsen. Und die heißen in erster Linie Bedienung und Präzision: Ohne Kabelgefummel und praktisch ohne Wartezeiten sind die beiden Routenführer nach dem Einsteigen bereit; die Basisfunktionen erklären sich selbst, obwohl VW und BMW unterschiedliche Bedienstrategien (Touchscreen bzw. Dreh-Drück-Regler) verfolgen.

Auf großen und blickgünstig gelegenen Displays lassen sich die Routenanweisungen bestens ablesen, die Steuerung von Freisprecheinrichtung und Multimedia-Komponenten erfolgt über ein einziges Gerät. Zudem gehorchen die Navis selbst bei hohen Umgebungsgeräuschen aufs Wort, wo die Handy- und Saugnapf-Varianten schon nichts mehr verstehen. Die Qualität der Routenführung ist ebenfalls einen Tick besser: Durch die Integration in die Bordelektronik wird neben dem Satelliten- auch das Tachosignal ausgewertet, was zu einer höheren Präzision bei den Abbiegehinweisen führt. Durch die zusätzliche Sensorik behielten die Festeinbauten selbst dann den Überblick, wenn – wie häufig in Stuttgart – in oder kurz nach Tunnels abgebogen werden musste.

Beide Scouts integrieren zudem präzise und schnelle Live-Staudienste in ihre Routenführung. Bei den übrigen Online-Funktionen ziehen die Reiseprofis jedoch den Kürzeren im Vergleich zu den universelleren Smartphones. BMW bietet zwar Dutzende Internetfunktionen an, deren Bedienung fällt jedoch entweder kompliziert aus, oder sie sind nur im Zusammenspiel mit bestimmten Handy-Typen nutzbar. Bei VW beschränkt sich das zusätzliche Web-Angebot auf die freie Sonderzielsuche, Google Earth und Street view.

Tolle Technik, aber sehr hohe Preise

Keine Frage, die Lotsen von BMW und VW navigieren vor allem in der Stadt präziser und lassen sich während der Fahrt ablenkungsärmer bedienen als ihre Saugnapf- oder gar Handy-Kollegen. Für Vielfahrer, die unter Termindruck mehrere Ziele am Tag ansteuern, lohnt sich der Aufpreis nach wie vor. Ab der Mittelklasse gehört ein Navi ohnehin zur Voraussetzung beim Wiederverkauf. Allerdings sind längst nicht alle Geräte so gut wie die getesteten. Einen modernen Routenführer erkennen Sie daran, dass er Online-Staudienste statt TMC nutzt, sich per Sprache programmieren lässt, die Routen auf großen Displays darstellt und Eingaben verzögerungsfrei umsetzt. Bei den Online-Funktionen ist die bequeme Adresseingabe vom heimischen Rechner oder via Handy sinnvoll. Gibt es Ihr Wunschauto ab Werk nicht mit einem entsprechenden Top-Navi, fahren Sie mit einem Nachrüst-Scout besser und billiger.