DTM-Meister Rockenfeller im Interview
"Ein halber Millimeter macht den Unterschied"

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Der frisch gebackene DTM-Champion Mike Rockenfeller über sein Erfolgsgeheimnis, über die Kameradschaft im Audi-Team sowie über die Existenzängste, die ihn 2007 nach seinem Unfall in Le Mans plagten.

Mike Rockenfeller
Foto: Audi

Was haben Sie in der abgelaufenen DTM-Saison besser gemacht als Ihre Konkurrenten ?

Mike Rockenfeller: Die Fahrwerksabstimmung hat den Unterschied gemacht. Wir haben die Testfahrten im Frühjahr gut genutzt. Wir haben ein Setup gefunden, das immer zu mindestens 95 Prozent gepasst hat. Und wenn wir mal bei nur 90 Prozent lagen, wussten wir, wie wir schnell auf 95 Prozent oder gar auf 99 Prozent kommen. Wir wussten, an welchen Schrauben wir drehen müssen. Die Trainingszeit wurde im Vergleich zu 2012 halbiert. Da blieb im Freien Training nicht mehr viel Zeit für große Experimente.

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Worauf kommt es denn beim Setup eines DTM-Autos in erster Linie an ?

Mike Rockenfeller: Ganz besonders wichtig ist die Fahrzeughöhe. Bei der Bodenfreiheit geht es um wenige Millimeter. Sogar ein halber Millimeter kann schon den Unterschied ausmachen. Dann muss man aufpassen, sich nicht in extreme Probleme hinein zu manövrieren. Dazu gehört zum Beispiel das so genannte Bouncing. Die schnellen Nickbewegungen des Autos gilt es zu vermeiden. Und zum Dritten war es wichtig, den Optionsreifen, der 2013 erstmals zum Einsatz kam, richtig zu verstehen. Viel Gelegenheit zum Ausprobieren hatten wir nicht: Im Winter habe ich fünf Satz Options gefahren, das war´s.

Das Setup eines DTM-Autos ist manchmal eine Wundertüte, stimmt´s?

Mike Rockenfeller: Da erwähne ich mal das Beispiel BMW auf dem Lausitzring: 2012 haben sie dort gewonnen, 2013 waren alle M3 auf einmal im Nirgendwo. Warum? Es lag am Setup, nehme ich an.

Ihrem Phoenix-Audi-Team sagt man nach, dass dort eine besonders familiäre Atmosphäre herrscht.

Mike Rockenfeller: Vor den jeweiligen Rennwochenenden fahre ich immer schon am Dienstag in die Eifel zum Team. Da besprechen wir alles, aber wir gehen auch mit der ganzen Mannschaft zusammen Radfahren oder zum Essen. Das kannte ich in dieser Form früher nicht.

Wann haben Sie geahnt: 2013 wird mein Jahr?

Mike Rockenfeller: Nach den Tests vor der Saison waren wir selbstbewusst. Nach meinem Sieg beim zweiten Saisonrennen in Brands Hatch dachte ich: Das könnte was werden in diesem Jahr. Wichtig ist es, immer locker zu bleiben. Wenn man verkrampft, läuft nichts zusammen.

Am sportlichen Reglement der DTM wurde viel herumgekrittelt. Haben Sie konkrete Verbesserungsvorschläge?

Mike Rockenfeller: Ich würde die zwei Pflichtboxenstopps abschaffen. Meiner Meinung nach würde es genügen, wenn man ins Reglement schreibt, dass im Rennen beide Reifentypen von Hankook verwendet werden müssen. Dann könnte jedes Team entscheiden, ob man ein, zwei oder drei Stopps macht. Eine solche Regelung hätte zudem den Vor teil, dass die Blaue-Flaggen-Regelung, die am Norisring für viele Diskussionen sorgte, wegfiele. Und man könnte auch wieder während einer Safety-Car-Phase stoppen. Prinzipiell muss man alles für eine gute Show tun. Die Leute sollen die DTM geil finden.

Sie haben 2007 in der DTM debütiert. Es hat lange gedauert, bis Sie den Durchbruch geschafft haben. Wie schwierig war es, in diesen Jahren nicht den Mut sinken zu lassen?

Mike Rockenfeller: Bis 2010 saß ich in Vorjahresautos von Audi und ich war, hart gesagt, dazu da, das Feld aufzufüllen. Audi hat zwar immer versucht, uns gleichwertiges Material zu geben. Und wir waren ins Team voll mit eingebunden. Doch in den Jahren 2007 bis 2010 war ich nach den Rennen schon oft geknickt und enttäuscht. Ich habe oft mit der Entscheidung von Sportchef Dr. Ullrich gehadert, mich nicht ins neue Auto zu setzen. Aber ich wusste: Du bekommst deine Chance in der DTM. Und außerdem hatte ich ja noch die Sportwagen-Rennen. 2008 gewann ich mit Alexandre Prémat die Le Mans-Serie. Da redet zwar keiner davon. Aber das starke Schwesterauto von Audi und die schnellen Peugeot mussten wir auch erst mal schlagen.

Aber Ihr Debüt in Le Mans im Jahr 2007 war ein Albtraum.

Mike Rockenfeller: Ich fuhr mein erstes großes Sportwagen-Rennen für Audi. Die ganze Sportwelt schaut zu – und ich mache das Auto kaputt. Da bist du der Vollidiot.

Hatten Sie da Existenzängste nach dem Motto: Jetzt schmeißt mich der Sportchef raus?

Mike Rockenfeller: Zweimal in meiner Karriere hatte ich solche Befürchtungen: Als Porsche-Junior habe ich bei einem Super-Cup-Rennen in Monza einen Massencrash ausgelöst. Fünf Autos waren danach Schrott. Ein Horror! Und dann eben das misslungene Le Mans-Debüt. Aber das Team hielt an mir fest, und Dr. Ullrich gab mir immer wieder eine Chance. Das ist einzigartig, dafür bin ich super dankbar.

Im Motorsport ist der Teamkollege oft der ärgste Feind. Ist das in Le Mans wirklich anders ?

Mike Rockenfeller: Die Kameradschaft ist mit das Schönste an Le Mans. Der Chef gibt die Linie vor und sucht die Fahrer so aus, dass sie zusammenpassen. Wir freuen uns auch dann ehrlich, wenn das Schwesterauto gewinnt. Wir teilen alles. Schließlich haben wir ja auch ein Jahr lang zusammen für dieses eine Rennen gearbeitet. Das Besondere an Le Mans ist, dass es nur einmal im Jahr stattfindet. Wenn man da einen Fehler macht, dauert es eben zwölf Monate, bis man die Chance bekommt sich zu rehabilitieren. Daher lastet auf den Fahrern ein ungeheurer Druck.

2010 siegten Sie in Le Mans, jetzt in der DTM. Kann man diese Triumphe vergleichen?

Mike Rockenfeller: Nicht wirklich. Die DTM ist die am schwierigsten zu gewinnende Meisterschaft in Europa. Drei Top-Hersteller, die mit Top-Material antreten – das gibt es sonst nirgends. Dazu kommt, dass in der DTM auschließlich absolute Top-Fahrer starten. Es gibt in der DTM keinen einzigen Paydriver. Das Niveau ist extrem hoch. Ich bin megastolz auf meinen DTM-Titel und auch darauf, dass ich ihn schon nach neun von zehn Rennen in der Tasche hatte.

In Le Mans sorgen Sie immer wieder für Aufsehen. 2010 durch den Sieg, im Jahr darauf durch einen üblen Unfall. Welche Erinnerungen haben Sie an diesen 300-km/h-Crash?

Mike Rockenfeller: Da geht dir nichts durch den Kopf. In zwei Sekunden ist alles vorbei. Es tat alles maga weh. Du kriegst keine Luft mehr. Aber sonst weiß ich nicht mehr viel. Die Erinnerung ist etwas verschwommen. Es war aber toll zu spüren, wieviel Mitgefühl die Jungs im Team mit mir hatten.

2013 fuhren Sie keine Sportwagen-Rennen und konzentrierten sich ganz auf die DTM. War das auch ein Schlüssel zum Erfolg?

Mike Rockenfeller: Das glaube ich nicht. Sportwagen und DTM sind sich ähnlicher, als man glaubt. Mit dem Umsteigen hatte ich nie Probleme. In Zukunft würde ich gerne wieder beide Programme für Audi bestreiten.

Was ist die größte Herausforderung bei den Sportwagen-Rennen?

Mike Rockenfeller: DTM und Sportwagen-Rennen – beide haben ihre Reize. Man kann nicht grundsätzlich sagen, dass Le Mans anstrengender ist als DTM. Die große Herausforderung in Le Mans ist das Fahren bei Nacht und bei Regen. Wenn man morgens um fünf dran ist mit Fahren und in die Kälte hinaus muss: Da ist keiner fahrgeil, das können Sie mir glauben. Im Sprühnebel siehst du nichts. Dazu kommt das Aquaplaning. Ausserdem hat man es bei Sportwagen-Rennen immer auch mit schlechten Fahrern zu tun. Da bist du froh, wenn du deinen Job fehlerfrei erledigt hast. Am Ende aber sagen alle: War das geil! Und sind wir bekloppt!

Steckbrief des DTM-Champs

  • Name: Mike Rockenfeller
  • Geburtsort: Neuwied/Deutschland
  • Alter: 30
  • Familienstand: Partnerin Susanne
  • Kinder: keine
  • Beruf: Audi-Werksfahrer seit 2007
Nach einer achtjährigen Lehrzeit im Kart wurde Rockenfeller 2001 von Porsche zu einer Nachwuchssichtung eingeladen und bekam prompt einen Werksfahrervertrag. Seit 2007 fährt Rockenfeller für Audi in der DTM. In 70 Rennen holte er drei Pole-Positions, und 2013 den Titel.

Schlagzeilen machte er auch in Le Mans: Im Audi Sportwagen holte er 2010 den Sieg, im Jahr darauf kam er bei einem üblen Unfall mit leichten Verletzungen davon.

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Sport Auto 03 / 2022
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Erscheinungsdatum 04.02.2022

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