Wasserstoff-Rennserie HYRAZE League
Die Zukunft des Motorsports?

Mit der "HYRAZE League" soll ein neues Rennsport-Zeitalter eingeläutet werden – mit Brennstoffzelle und Lenken ohne Lenksäule. Wir verraten, was hinter der neuen Wasserstoff-Rennserie steckt, die zudem auch noch auf das Thema eSports setzt.

HYRAZE League - Concept - 2020
Foto: HWA

Nicht nur der Name, der sich aus "HYdrogen RAcing Zero Emission" und der eSports-Anleihe "League" zusammensetzt, ist etwas umständlich. Was hier an Technologie unter der Karosserie aus einem Naturfaser-Verbundwerkstoff untergebracht werden soll, sprengt vielleicht sogar die Vorstellungskraft vieler, die sich schon seit Jahren mit Motorsport beschäftigen.

Erst recht, wenn man den Zeitplan sieht. Bereits in rund zwei Jahren sollen Testfahrten absolviert werden, 2023 dann zunächst eine nationale Serie starten, nach aktuellem Plan auf der ADAC-Plattform, ehe bis 2025 auch eine globale Serie etabliert sein soll.

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Herzstück des HYRAZE-Rennwagens ist eine Wasserstoff-Sauerstoff-Brennstoffzelle, die Elektromotoren an allen vier Rädern speist. So sollen insgesamt 800 PS auf die Strecke gebracht werden. Bei einem Zielgewicht von 1.500 kg muss jedes PS also weniger als zwei Kilogramm antreiben.

Öko-Antrieb mit Action-Garantie

Vernichtet wird die Geschwindigkeit nicht etwa über Kohlefaserbremsen, sondern zu 80 Prozent über Rekuperation und nur zu 20 Prozent über eine klassische Reibpaarung. Das geschieht über relativ lange Bremswege, die viele Überholmanöver ermöglichen sollen.

Die Bremse sitzt dabei in einer Kapsel, die den entsprechenden Feinstaub einfängt. Später wird der Feinstaub umweltneutral entsorgt. Anders als bei reinen Elektroautos braucht man nur eine kleine, aber sehr leistungsfähige Pufferbatterie, um die beim Bremsen rekuperierte Ladung aufzufangen.

HYRAZE League - Concept - 2020
HWA
Unter der aerodynamisch klar reglementierten Außenhülle verbirgt sich ein wahres Hightech-Feuerwerk.

Auch die Reifen sollen aus besonders schnell nachwachsenden Rohstoffen gebacken werden und nur minimalen Feinstaub generieren – zudem soll die Anzahl der Reifen allgemein stark limitiert werden.

All das klingt schon sehr wie Zukunftsmusik, doch wie man auf Nachfrage bei den Beteiligten erfährt, basiert das gesamte Konzept auf einer Machbarkeitsstudie. Man weiß also, dass man es technisch umsetzen kann. Jetzt muss man den Beweis erbringen.

Virtueller Motorsport und reale Rennen

Dafür haben sich echte Größen zusammengetan. Federführend ist die HWA AG, die bis 2018 für die DTM-Einsätze von Mercedes verantwortlich zeichnete und viel technisches Know-how besitzt. "Um in der Gesellschaft breite Akzeptanz zu finden, muss der Motorsport emissionsärmer, nachhaltiger und kostengünstiger werden", sagt HWA-CEO Ulrich Fritz.

Mit Schaeffler hat man einen Partner, der in Sachen Elektromobilität bestens Bescheid weiß. Man entwickelt schließlich unter anderem den Formel-E-Motor für Audi. Das Joint Venture Schaeffler-Paravan entwickelt das Steer-by-wire-System, wie es heute unter dem Namen "Space Drive" z.B. schon beim GTC Race testweise zum Einsatz kommt.

Audi GTC Race Spacedrive
GTC Race/Alexander Trienitz
Das Steer-by-wire namens „Space Drive” kommt bereits jetzt u.a. in einigen Autos des GTC Race zum Einsatz.

Hierbei entfällt die mechanische Verbindung zwischen Lenkrad und Lenkgetriebe. Die Lenkimpulse werden also rein elektronisch weitergegeben. Auch die Bremsen sollen "by wire", also elektronisch betätigt werden.

Der ADAC beteiligt sich ebenfalls an dem Projekt. Der Automobilclub, der mit der ADAC GT Masters eSports einen hochdotierten Simracing-Wettbewerb ausschreibt, bringt zudem auch das Thema virtueller Motorsport voran. Konkret soll die HYRAZE League auf zwei Säulen stehen: reales und virtuelles Racing. Wer also antreten will, muss das in beiden Disziplinen. Die Ergebnisse aus beiden Wettbewerben zählen zur Gesamtwertung.

Der DMSB, der Simracing als Motorsportdisziplin längst anerkannt hat, wacht über das Geschehen und wird dafür sorgen, dass realer und virtueller Teil der Serie so eng wie möglich verknüpft sind. Hierfür hat man mit der World eSports Association (WESA) einen weiteren Player an Bord, der neben der Abstimmung der beiden Welten aufeinander auch zur Aktivierung der eSports-Szene beitragen soll.

Höchste Sicherheitsstandards

Beim Thema Sicherheit geht der DMSB mit Partner DEKRA Hand in Hand. Um die Wasserstoff-Tanks in den Autos zu schützen, werden sie hinter 10 Zentimeter dickem Vollcarbon eingebaut. Das soll auch bei heftigen T-Bone-Crashs für Sicherheit sorgen.

KTM X-BOW - Kanzel - Cockpit - Reiter Engineering
Reiter Engineering
Wie beim Kampfjet: Ähnlich zum KTM X-Bow GT4 gibt es fürs Cockpit eine Canopy-Lösung. Bei der HYRAZE League soll der Käfig bzw. das HALO mit nach vorne öffnen.

Bei so viel Innovation ist klar, dass der reale Teil der HYRAZE League kein billiges Unterfangen wird. Allein die Brennstoffzelle geht im jetzigen Prototypenstadium in die Hunderttausende. Das rennfertige Auto wird also trotz zunächst einheitlicher Technik sicher einen siebenstelligen Betrag kosten.

Beim technischen Reglement geht man deshalb einen ähnlichen Weg wie die Formel E, die in ihrer ersten Saison komplett auf Einheitstechnik setzte und erst danach bestimmte Komponenten freigab. Interessierte Hersteller können also anfangs nur die Außenhülle entwickeln, um den Marketing-Effekt zu nutzen.

Die grundlegenden Aero-Werte sind dabei festgelegt: Maximaler Abtrieb (der sehr gering gehalten werden soll), minimaler Luftwiderstand und die Größe der Flächen für die Kühleinlässe. Mit dieser Strategie der nur schrittweisen Öffnung soll der Kostendruck reduziert werden. Später sollen die Hersteller aber natürlich auch ihr Technik-Knowhow unter der Außenhülle einbringen, um ihrerseits größere Lerneffekte für die Straßenmodelle zu haben.

Noch eine gute Nachricht zum Schluss: Obwohl die Autos an sich mit neuer Technologie nur so vollgestopft sind, soll der Fahrer, der übrigens wie in einem Kampfjet unter einer geschlossenen Kanzel sitzt, jederzeit Herr der Lage sein. Es soll keine komplizierten Boost- oder Torque-Vectoring-Stategien geben. Keinen Renningenieur, der dem Fahrer die ganze Zeit Einstellungen oder den Zustand der Reifen ins Ohr souffliert. Bei 800 PS und sehr wenig aerodynamischem Abtrieb verspricht zumindest das Racing noch nach ganz nach alter Schule abzulaufen.