Kommentar zur geplanten GT3-DTM
DTM auf dem Irrweg

Die DTM ist gerettet. 2021 fährt die einstige Tourenwagen-Vorzeigeserie mit GT-Fahrzeugen. Doch selbst wenn dieses Vorhaben ein Erfolg wird, hat man eine große Chance verpasst. Ein Kommentar.

DTM - Hockenheim
Foto: Daimler

Deutschland ist ein Tourenwagenland. Schaut man sich den Boom der DTM in den 80er-Jahren an, dann weiß man, wonach sich das Herz der Rennfans sehnt. Harte Rad-an-Rad-Duelle, Technik und Fahrer zum Anfassen und den Effekt: "Da! Das Auto, was gerade gewonnen hat, steht auch bei mir in der Garage!"

Natürlich besaß auch damals nicht jeder einen Ford Sierra Cosworth oder BMW E30 M3, aber vielleicht die etwas zivileren Brüder. Es sind genau diese Jahre, sagen wir mal von 1987 bis 1993, an die sich viele Fans heute noch erinnern. Und wer die Zeit durch spätere Geburt nicht selbst miterlebt hat, der kann sich an den legendären Szenen – egal ob auf dem Flugplatzkurz in Mainz-Finthen oder auf der Nürburgring-Nordschleife – kaum sattsehen. Es war die goldene Zeit der Tourenwagen, der nicht nur die Zeitzeugen die eine oder andere Träne nachweinen.

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DTM - Nürburgring 2020
ITR
Auf Abschiedstournee: Die aktuellen DTM-Autos bestreiten nur noch drei Events mit je zwei Rennen.

Wettrüsten in der DTM

Die DTM hat im Prinzip schon im besagten Jahr 1993, als erstmals Klasse-1-Fahrzeuge zugelassen wurden, ihre einstige DNA begraben. Der Erfolg der Serie ließ die Macher das Maß aus den Augen verlieren. Weil die Kosten in astronomische Sphären schnellten, war die DTM nur drei Jahre später tot. Als die Serie im Jahr 2000 wiederbelebt wurde, war wieder alles fast wie früher. Die Autos waren schon damals reinrassige Prototypen. Gitterrohrrahmen, V8-Saugmotoren und Heckantrieb sorgten in Verbindung mit einer nur homöopathischen Dosis Aerodynamik und einer annähernden Serienoptik dennoch für Tourenwagen-Feeling. Wie die Autos in spektakulären Driftwinkeln um den Kurs flogen, Spiegel an Spiegel, Stoßstange an Stoßstange, das war großes Kino.

Mit den Jahren ging das Wettrüsten wieder los. Zunächst zwischen Mercedes und Opel, dann stieß 2004 auch Audi werksseitig dazu und mit Einführung der bis heute verwendeten Monocoque-Boliden 2012 sorgte auch Neuankömmling BMW dafür, dass die Latte in allen Bereichen noch einmal höher gelegt wurde. Zwar hatte man spektakuläre Autos, doch die Rennen wurden eher Prozessionen. Zu ausgeklügelte Aerodynamik, zu hohe Leistungsdichte sowohl zwischen den Herstellern als auch Fahrern. Wer im Qualifying die Runde nicht traf, hatte auch im Rennen schlechte Karten. Krücken wie der DRS-Klappflügel oder das seit 2019 verwendete Push-to-pass sorgen zwar für künstliche Spannung, doch das Gefühl der alten DTM und der Frühphase der neuen DTM wollte nicht zurückkehren.

Der Ausstieg von Audi aus dem aktuellen Class-1-Geschehen und der damit verbundene Tod der DTM in der heute bekannten Form war die große Chance für ITR-Chef Gerhard Berger, neue wie alte Fans wieder einzufangen. Die glorreichen Tage des Tourenwagensports nach Deutschland zurückzubringen. Hätte man gleich im April, als Audis Ausstieg verkündet wurde, Nägel mit Köpfen gemacht, statt mit aller Macht irgendeine hochtrabende Lösung zu finden, könnten längst eine Handvoll Hersteller in ihren stillen Kämmerchen sitzen und echte Tourenwagen entwickeln.

ADAC GT Masters - Lausitzring 2020
ADAC
Die Zukunft: Wie beim ADAC GT Masters kommen ab 2021 auch in der DTM GT3-Autos zum Einsatz.

DTM für Tourenwagen-Fans gestorben

Sie auf Basis von Rohkarossen mit mindestens vier Türen und mit standardisierten Gleichteilen von Grund auf aufbauen. Fahrwerksgeometrien immer wieder neu durchdenken und bald schon zum Test auf die Rennstrecke gehen. Aus den mit E-Fuels betriebenen Zweiliter-Serienmotorblöcken mit Einheitsturbo versuchen, die per Reglement angestrebten 400 PS herauszukitzeln. Und im Frühjahr 2021 Teil eines prall gefüllten, bunt gemischten Starterfeldes zu sein, das der DTM nicht nur historisch, sondern auch in der Neuzeit vollumfänglich gerecht wird – zum Bruchteil der Kosten, die in der aktuellen DTM veranschlagt werden.

Stattdessen jetzt also GT3. Die DTM, die zu allem Überfluss auch noch ihren Namen behält, wendet sich dem GT-Sport zu. Natürlich sind die Autos spektakulärer als irgendwelche 400-PS-Tourenwagen, aber es dürfte klar sein, dass die Rennen es definitiv nicht werden. GT3 ist eine Kundensportkategorie, in der alles auf Fahrbarkeit ausgelegt ist. So fahren beispielsweise im ADAC GT Masters die Fahrzeuge – bis zum Boxenstopp – oft wie an der Perlenkette. Die DTM wird da kaum anders aussehen.

Hier gibt es zwar auch Stopps, aber der Fahrer bleibt sitzen. Auch die technische Umsetzung ist noch unklar. BMW hat verkündet, man wird am aktuellen GT3-Modell keine Upgrades mehr vornehmen, um es DTM-tauglich zu machen. Schließlich sollen dort aufgemotzte GT-Renner zum Einsatz kommen. Der neue M4 GT3 wird aber erst im September 2021 homologiert. Wird es also ein Übergangsjahr mit vollwertigen GT3 geben?

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BTCC
Großbritannien macht vor, wie es geht: In der BTCC fahren seriennahe Tourenwagen beinharte Rennen aus.

Es gilt noch einige Fragen zu klären. Meine brennendsten als bekennender Tourenwagen-Fan sind aber: Warum der Irrweg GT? Warum eine dritte GT3-Plattform in Deutschland neben GT Masters und Nürburgring-Langstreckenserie? Und wenn man es weiterdreht: Warum eine fünfte (!) starke GT3-Serie in Europa, wenn man noch die GT World Challenge Europe – Sprint und Endurance – mit einbezieht? Warum nicht wieder echte Tourenwagen? Wovor hat bzw. hatte man denn Angst?

Mit der GT3 setzt man auf ein nun scheinbar sicheres Pferd. Die DTM kann mit ihr sogar zum großen Erfolg werden – oder aber auch der GT3-Kategorie einen schweren Stich ins Herz verpassen, wenn die Herstellerengagements ausarten. Verstehen Sie mich nicht falsch: Ich wünsche mir für Motorsport-Deutschland sogar, dass die GT3-DTM Erfolg hat. Gerhard Berger hat es geschafft, die Serie zu retten, und damit auch die gesamte Eventplattform sowie alle Jobs, die daran hängen. Doch auch wenn die DTM weiterlebt: Für Tourenwagen-Fans ist sie trotzdem spätestens mit Ablauf der Saison 2020 gestorben. Die große Chance, eine neue goldene Ära der Tourenwagen einzuläuten, hat man jedenfalls verpasst.