Renault Scenic E-Tech Electric
WeggeSUVt und eingepreist

Aus dem Kompaktvan Scenic wird in der nächsten Generation ab 2024 ein weiterer SUV mit E-Antrieb. Premiere feierte das Modell auf der IAA 2023 – und wir konnten bereits den Scenic checken. Ab sofort kann bestellt werden.

Als im Jahr 1996 der erste Renault Mégane Scénic auf den Markt kam, begründete der französische Hersteller mit ihm das Segment der kompakten Vans. Opel Zafira, VW Touran und Co. zogen später nach. Mittlerweile liegt das Zeitalter der erfolgreichen Vans viele Jahre in der Vergangenheit, der Name Scenic feiert – nach einer kurzen Verschnaufpause – aber ein Comeback. Mittlerweile wurde er um den "accent" auf dem "e" beraubt, was auch als Zeichen der Neuausrichtung des "Safety Concept Embodied in a New Innovative Car" (wofür die Abkürzung "Scenic" einst stehen sollte) gewertet werden kann.

Der große E-Ratgeber

Der neue Renault Scenic, der nach seiner Weltpremiere auf der IAA Mobility im Frühjahr 2024 auf den Markt kommen wird, hat sich zum Crossover zwischen Kompakt-Fünftürer und SUV gewandelt. Damit ist er ein größerer Bruder des Renault Megane E-Tech, mit dem er sich die CMF-EV genannte Elektroauto-Plattform der Renault-Nissan-Mitsubishi-Allianz teilt. Als Verbrenner wird es den Scenic in Zukunft nicht mehr geben; diese Rolle übernehmen innerhalb der Renault-Modellpalette Austral und Espace. Im Gegensatz zur Studie Scenic Vision aus dem Jahr 2022 arbeitet im Neuling auch keine Wasserstoff-Brennstoffzelle als Reichweiten-Verlängerung, sondern ein rein batterieelektrischer Antrieb.

620 km Reichweite im Renault Scenic

Das südkoreanische Unternehmen LG liefert die NMC-Akkus (Nickel Mangan Cobalt) zu. Im Basismodell steckt ein 60 kWh großer Stromspeicher, der eine Reichweite von 420 Kilometern ermöglichen soll. Der unter der vorderen Haube untergebrachte Elektromotor leistet 125 kW (170 PS) und entwickelt ein maximales Drehmoment von 280 Nm. In 9,3 Sekunden soll der Scenic damit auf 100 km/h beschleunigen, die Höchstgeschwindigkeit wird bei 150 km/h elektronisch begrenzt. Bei Energiebedarf zieht der Basis-Scenic am Schnelllader Gleichstrom mit maximal 130 kW. Wie von der Marke Renault gewohnt, ist das Laden von Wechselstrom, beispielsweise an einer öffentlichen Ladesäule oder einer Wallbox, dreiphasig mit 22 kW möglich.

In Verbindung mit einem 160 kW (218 PS) starken Elektromotor mit 300 Nm maximalen Drehmoments wird der Renault Scenic mit 87 kWh Akku-Kapazität angeboten. 620 Kilometer weit soll diese Variante fahren können. Zumindest, so lange man nicht die Werksangaben von 8,4 Sekunden für den Spurt auf 100 km/h und die Höchstgeschwindigkeit von 170 km/h auslotet. Am Schnelllader soll die Ladekurve auf bis zu 150 kW klettern, während auch hier Wechselstrom mit 22 kW gezapft wird. Die beiden Elektromotoren baut Renault, wie das Auto auch, in Frankreich. Sie sollen ohne Seltene Erden auskommen.

Format eines kompakten SUV

Der neue Elektro-Franzose ist 4,47 Meter lang, 1,86 Meter breit und 1,57 Meter hoch. Damit streckt er sich deutlich weiter als der 4,20 Meter lange Megane E-Tech; der Radstand nimmt um zehn Zentimeter auf 2,79 Meter zu. Mit einer Länge von 4,51 Metern ist der Renault Austral nur unwesentlich größer als der Scenic, der ebenfalls auf der CMF-EV-Plattform basierende Nissan Ariya misst 4,60 Meter.

Das Design des Renault Scenic betont Ecken und Kanten. Große Räder im Format 19 oder 20 Zoll sowie relativ flache Seitenscheiben lassen jede Erinnerung an einen kompakten Van verblassen. Mit vertikal angeordneten LED-Tagfahrlichtern und flachen Leuchten an Front und Heck folgt er der mit Clio Facelift und Rafale vorgestellten neuen Designsprache der Marke.

Geräumiger Innenraum

Der neue Scenic präsentiert sich als Fünfsitzer ohne jegliche Verwandlungskünste. Bei der Variabilität beschränkt er sich auf eine geteilt umklappbare Lehne der Rücksitzbank. Dann entsteht aber eine hohe Stufe im Laderaum. Hier fehlt ein doppelter Boden. Gepäck muss also über eine hohe Innenkante in das tiefe Loch gewuchtet werden. Immerhin überzeugt das Volumen: 545 Liter fasst der Kofferraum. Nachhaltiges Denken stand auch bei den Materialien im Innenraum im Fokus der Entwickler. Auf Lederbezüge wird verzichtet. Ab 2025 soll in keinem Modell der Marke Renault Leder eingebaut werden.

Kooperation mit Google

Erneut setzt Renault bei der Software auf die Kooperation mit Google und nutzt das Betriebssystem Android Automotive. Der Google Assistant übernimmt die Aufgaben der Sprachsteuerung, die "Maps"-App die Routenführung. Ladestopps werden bei der Streckenplanung berücksichtigt. Zudem wird auf Meldung von der Navigation über den bevorstehenden Halt am Schnelllader der Akku vorkonditioniert.

Auf dem zwölf Zoll großen, vertikal angeordneten Touchscreen-Display gibt es feststehende Icon-Leisten für wichtige Funktionen und die Klimabedienung. Dafür kann man aber auch physische Tasten unterhalb des Bildschirms nutzen. Die Verarbeitung und die verwendeten Materialien wirken hochwertig. Auch Teppichauslagen in den Türtaschen zeigen die Liebe zum Detail bei der Innenraumgestaltung des Scenic.

Marktstart im Frühjahr 2024

Im Frühjahr 2024 kommt der neue Renault Scenic E-Tech Electric auf den Markt. Bestellbar ist er bereits ab Mitte Januar 2024. Mit den Varianten Evolution, Techno, Iconic und Esprit Alpine gibt es vier verschiedene Ausstattungspakete. In der Version mit der 60 kWh großen Batterie ist der Scenic in der Ausstattung Evolution ab 41.800 Euro zu haben. Ab 48.900 Euro kostet die Version mit dem 87 kWh großen Akku, die erst ab dem Ausstattungsniveau Techno zu haben ist.

Preisliste Renault Scenic E-Tech
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Erster Check des Renault Scenic

Der Renault Scénic möchte das erste elektrische Familienauto mit Fokus auf Nachhaltigkeit sein. Letzterer wird im Innenraum konsequent umgesetzt, ohne dabei aufdringlich zu sein. So verzichtet Renault vollständig auf den Einsatz von Leder. Das Lenkrad ist mit einem beschichteten Gewebe bezogen, das auf den ersten Griff einen hochwertigen Eindruck macht. Die Oberfläche des Armaturenbretts besteht zu bis zu 80 Prozent aus recycelten Materialien; bei den Sitzbezügen kommt Renault sogar auf 100 Prozent.

Renault Scenic Check Madeleina Schwantes
Renault /Angelika Emmerling

Guter Sitzkomfort, aber teils gewöhnungsbedürftiges Bedienkonzept.

Der etwas erhöhte Fahrersitz ist bequem und verspricht einen guten Sitzkomfort auch auf der Langstrecke. Das Cockpit ist auf den Fahrer ausgerichtet, sodass sowohl der vertikale Zwölf-Zoll-Bildschirm als auch das 12,3-Zoll-Display hinter dem Lenkrad gut ablesbar sind. Ungewohnt ist jedoch die Tachoskala. Die üblichen digitalen Rundinstrumente ersetzt Renault durch eine aufsteigende Diagonale, welche sich farblich an die jeweils angezeigte Geschwindigkeit anpasst. Die gewohnten Regler für Klimaanlage und Lüftung bleiben im Scénic als haptische Knöpfe unterhalb des zentralen Displays erhalten. Ansonsten finden sich alle Bedienelemente an und hinter dem Lenkrad, so auch der Getriebewahlhebel. Um den freien Blick auf das Cockpit zu gewährleisten, sind Blinker und Scheibenwischerhebel allerdings so positioniert, dass der Fahrer genau wissen sollte, wo was sitzt. Sehen kann man sie leider nur schlecht. Deutlich prominenter ist dagegen der "Multi-Sense"-Drücker für die Auswahl der Fahrmodi positioniert. Auch wenn er optisch den typischen Drehwahlreglern gleicht, muss man sich leider einzeln durch das recht langsam reagierende Menü drücken. Hier besteht definitiv noch Verbesserungspotenzial bis zum Serienfahrzeug, denn die Animationen laufen teils nicht ganz flüssig und laden unterschiedlich schnell auf den beiden Bildschirmen.

Im Fond schafft Renault im neuen Scénic ein großzügiges Platzangebot. Kinder können es sich hier dank der "Ingenious"-Armlehne mit zwei Cupholdern, ausklappbaren Tablet-Haltern und USB-C-Steckdosen gemütlich machen. Auch ohne nachzumessen, scheinen die 27,8 cm Beinfreiheit an den Knien glaubhaft. Als Erwachsener sitzt man leider dennoch nicht bequem. Der Fahrzeugboden ist durch die darunterliegende Batterie deutlich erhöht und so ergibt sich automatisch eine Sitzposition, in der die Beine angewinkelt stehen, ohne dass die Oberschenkel aufliegen können. Bereits bei einer Körpergröße von 1,75 Metern muss der Langstreckenkomfort daher in Frage gestellt werden. Dafür sorgt das Solarbay-Panoramadach nicht nur für ein luftiges Raumgefühl; der Verzicht auf eine klassische Jalousie bringt außerdem drei Zentimeter mehr Kopffreiheit und eine Gewichtsersparnis von bis zu acht Kilogramm.

Das Dach besteht zu 50 Prozent aus recycelten Materialien und wurde in Kooperation mit Saint-Gobain entwickelt. Die Ampli-Sky-Technologie ermöglicht es, die Lichtdurchlässigkeit gezielt zu verändern. Zwischen zwei Flachglasscheiben ist ein Polymer-Flüssigkristall-Film eingebettet, der mit einer Spannungsquelle verbunden wird. Im Normalzustand streuen die willkürlich angeordneten Flüssigkristallmoleküle das einfallende Licht und die Scheibe ist opak, wirkt also wie Milchglas. Liegt eine elektrische Spannung an, ordnen sich die Flüssigkristallmoleküle im elektrischen Feld und das Glas wird für das Auge transparent. Neben diesen beiden vollflächigen Einstellungsmöglichkeiten kann die Transparenz auch separat in der vorderen oder der hinteren Dachhälfte verändert werden. Der animierte Übergang ist dabei ein schöner Touch. Einen haptischen Knopf gibt es allerdings nur vorn an der Deckenleuchte, sodass die Passagiere im Fond entweder den Fahrer oder Google-Assistent per Sprachsteuerung um die Änderung bitten müssen.

Renault Scenic Check Madeleina Schwantes
Renault /Angelika Emmerling

Viel Platz im Kofferraum, aber hohe Ladekante.

Zu einem guten Familienauto gehört neben Platz im Fond auch ein ordentlicher Kofferraum. Mit 545 Litern Volumen schreibt sich Renault hier das größte Platzangebot im C-Segment auf die Fahnen. Leider patzen die Franzosen gründlich bei der Ladekante. Die breite Stoßstange kann man aus Sicherheitsaspekten vielleicht noch verzeihen, auch wenn man sich daran regelmäßig die Hose schmutzig machen wird. Allerdings geht es dahinter fast 25 Zentimeter in die Tiefe, wenn man sich nicht für den voraussichtlich aufpreispflichtigen Kofferraumeinleger entscheidet. Warum hier kein variabler Ladeboden angeboten wird, wie es ihn sogar im Dacia Sandero gibt, ist unverständlich.

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Fazit

Crossover statt Van: Der Renault Scenic wandelt sich im Elektro-Zeitalter zur geräumigeren Megane-Alternative. Einen eigenen Charakter bewahrt er sich durch das Design und größere Akkus. Außer einem Getränke- und Tablet-Halter im Fond bietet der Franzose aber recht wenig innovative Ideen. Von der einstigen Variabilität ist beim Scenic nichts mehr übriggeblieben; auch ein Staufach unter der vorderen Haube für das Ladekabel ("Frunk") wäre schön gewesen. Die Google-Software für Infotainment und Fahrzeugfunktionen kann schon im Foto- und Filmstudio bei der ersten Sitzprobe überzeugen. Auch die Verarbeitung und Materialqualität im Innenraum wissen zu gefallen.

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AUTO MOTOR UND SPORT 11 / 2024
AUTO MOTOR UND SPORT 11 / 2024

Erscheinungsdatum 08.05.2024

148 Seiten