Elektroautos - eine Feldversuch-Bilanz
Aus dem Alltag eines Elektroautos

Halbzeit beim bislang größten Feldversuch zur Elektromobilität in Deutschland: große Akzeptanz bei den Nutzern, kaum Probleme mit der Reichweite. Und wie sieht es bei anderen Modellversuchen aus?

Aus dem Alltag eines Elektroautos
Foto: ams, Mini

Ute Martens aus Berlin-Mariendorf hat ganz klare Vorstellungen: "Elektroautos sollten verstärkt entwickelt werden, um die Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen zu überwinden." Die 55-jährige Ärztin wünscht sich zudem, dass die zur Mobilität erforderliche Energie auch in Europa erzeugt wird. 

Die Neugier auf die Technik hat mich fasziniert

Karl-Thomas Brie, Geschäftsführer einer Firma für medizinische Produkte, hat indes starkes Interesse an Zukunftstechnologien. "Das Elektroauto war schon oft totgesagt. Ich bin gespannt, ob es mit modernster Technik zu verwirklichen ist", sagt der 58-jährige Berliner aus Treptow-Köpenick. Und Martina Nikolajewski aus Rudow räumt freimütig ein: "Mich hat die Neugier auf die Technik motiviert mitzumachen."

Unsere Highlights

Die 44-jährige Finanzfachfrau zählt wie Ute Martens und Karl-Thomas Brie zu jenen ersten 50 Berliner Bürgern, die im bislang größten Feldversuch in Deutschland zur Elektromobilität "Mini E Berlin – powered by Vattenfall" als Testfahrer unterwegs sind – mit freundlicher Unterstützung des Bundesumweltministeriums, das das Zehn-Millionen-Euro-Projekt unterstützt, und unter wissenschaftlicher Begleitung der Technischen Universitäten Chemnitz, Ilmenau und Berlin.

Über 700 Bewerbungen für 50 Autos

Über 700 Bewerbungen waren nach Ankündigung des Vorhabens auf der Mini-Seite im Internet eingegangen, obwohl von Anfang an der Kosten- und Zeitaufwand feststand: 400 Euro monatliche Nutzungsrate für den Mini E, dazu die Verpflichtung, ein Wege- und Ladetagebuch zu führen, sowie drei ausführliche Befragungen durch die Mitarbeiter der TU Chemnitz. Sie wollten unter anderem herausfinden, wer die potenziellen Nutzer sind und welche Beweggründe zur Bewerbung führten. "In der Versuchsflotte ist ein Querschnitt aller Meldungen repräsentiert", sagt Andreas Keinath, der bei BMW unter anderem für Konzeptqualität verantwortlich ist.

Der typische Mini E-Nutzer sieht so aus: meist 35 Jahre und älter, männlich, sehr gebildet und mit überdurchschnittlichem Einkommen. Er hat hohe Affinität zur neuen Technik und nutzt den Zweitwagen für das tägliche Pendeln. Die angebotene Reichweite passt zu seinen täglichen Mobilitätsbedürfnissen. Zudem will er den Umweltschutz und mehr Unabhängigkeit vom Erdöl unterstützen.

Er muss über eine Garage oder einen Stellplatz verfügen, um eine Starkstrom-Steckdose als Schnellladestation zu installieren, und dort muss Verbindung zum Mobilfunknetz bestehen. Warum das so ist, erklärt Glenn Schmidt, bei BMW für Planung und Steuerung von project i verantwortlich: "Ein Herzstück des Versuchs ist das gesteuerte Laden."

Gesteuertes Laden mit Öko-Energie

Und das funktioniert so: Der Nutzer gibt per Internet an, wann er morgens das Auto zu 100 Prozent geladen vorfinden will. Da die meisten Fahrzeuge deutlich länger stehen als die zur Vollladung nötigen vier Stunden, kann der Strom bevorzugt dann fließen, wenn Windstrom-Spitzen ins Netz eingespeist werden oder wenig Nachfrage herrscht. Organisiert wird dies per Mobilfunk über einen Zentralserver der TU Ilmenau. Auf Knopfdruck ist daneben aber auch Sofortladung möglich – mit zertifiziertem Ökostrom, versteht sich. "Das gibt den Nutzern ein großes Sicherheitsgefühl", sagt Glenn Schmidt – 88 Prozent gaben dies jedenfalls zu Protokoll. Und über 90 Prozent der Nutzer sind überzeugt, gesteuertes Laden trage zum effektiven Einsatz erneuerbarer Energien bei.

"Nach Ende der ersten sechsmonatigen Versuchsphase zeigte sich allerdings, dass das Anschlussverhalten erheblich schwankt, was kontraproduktiv für die Idee des gesteuerten Ladens ist", so Schmidt. Denn nur etwa alle drei Tage gingen die Mini E ans Netz, so die Bilanz – drei Viertel davon jedoch zur Nachtzeit. Vattenfall hat inzwischen mehr als 30 Ladestationen in Berlin errichtet, 50 sollen es werden. "Das ist mehr als ausreichend, weil die Kunden überwiegend die Lademöglichkeit zu Hause nutzen", sagt Schmidt. Die meisten Ladestationen befinden sich auf privatem, aber öffentlich zugänglichem Grund. "Die Standortwahl muss zum Nutzerverhalten passen." Ideale Standorte sind für ihn Parkplätze großer Firmen, Parkhäuser, Einkaufszentren, aber auch Kultureinrichtungen wie Museen oder Kinos und Naherholungsgebiete.

Die Reichweite des E-Mini ist vielen ausreichend

Der Mini E-Fahrer legt im Schnitt 37,8 Kilometer pro Tag zurück, im Mittel 9,5 Kilometer pro Tour. Die längste Einzelfahrt im Versuch betrug 158 Kilometer. Und schließlich steht der Mini E im Durchschnitt neun Stunden in der Garage. Um auszuloten, ob und wie sich das Nutzerverhalten gegenüber konventionellen Autos unterscheidet, ist eine Referenzflotte von 40 BMW 116i und Mini Cooper im Versuch mit unterwegs. Sie sind mit einem Fahrtenschreiber ausgerüstet, der jede Tour erfasst und analysiert. Bilanz der ersten Phase: Die registrierten Längen durchschnittlicher Einzelfahrten unterscheiden sich in dieser Klasse nicht. Auch die mittlere Fahrstrecke pro Tag und die Zeit, in der das Auto nicht bewegt wird, sind gleich.

Mehr als 90 Prozent der Mini E-Fahrer empfinden die durchschnittliche Höchstreichweite von 150 Kilometern für ihre täglichen Bedürfnisse als ausreichend, und 66 Prozent sehen keine Defizite bei der Flexibilität gegenüber einem herkömmlichen Fahrzeug. "Das ist ein sehr gutes Ergebnis für einen Versuchsträger mit Einschränkungen beim Platzangebot", freut sich Andreas Keinath. Denn für die BMW-E-Prota-gonisten ist der Mini-Stromer ein reines Experimentiergerät. Die bislang gewonnenen Erkenntnisse lassen sie optimistisch auf die Markteinführung des 1er in E-Version und auf die Zukunft des BMW Megacity-Vehicle blicken.

Großversuche auch in England und den USA

Doch wie beurteilen das Kunden in anderen Märkten? Haben sie abweichende Bedürfnisse und Gewohnheiten? Zur Beantwortung dieser Fragen sind weitere 40 Mini E seit Oktober vorigen
Jahres in England in der Region Oxford und 450 Exemplare seit Juni 2009 in den US-Bundesstaaten Kalifornien, New York und New Jersey unterwegs. Partner sind die dort ansässigen Universitäten und Energieversorger. "Die Feldversuche werden nach der gleichen Systematik und mit dem gleichen Aufwand durchgeführt wie in Deutschland", sagt Andreas Keinath.

In Großbritannien hat E-Mobilität schon fast Tradition: Seit Ende 2006 stromern 100 Elektro-Smart durch die Citymaut-Metropole London. Eine endgültige Bilanz liegt noch nicht vor.Daimler hat dort zudem zehn Fuso Canter Eco Hybrid bei Kunden wie Postdiensten im Einsatz. Nächstes Jahr sollen in der Region London darüber hinaus in größerer Stückzahl Mercedes Vito mit Elektroantrieb an Flottenbetreiber ausgeliefert werden. Auch in den USA zeigt Daimler bei leichten und schweren Nutzfahrzeugen grüne Flagge: Dort sind derzeit über 450 Kleintransporter des Typs Freightliner Walk-in Hybrid und 2.700 Orion Hybrid-Busse im Einsatz – Tendenz steigend.

Für Pariser Großversuch fehlen die Elektro-Autos

Nur schleppend kommt dagegen der Plan der Grande Nation voran, den Pariser Verkehr mit E-Antrieb zu beschleunigen. Die französische Hauptstadt wollte schon vor Monaten 3.000 Autos mit E-Antrieb zum Verleih bereitstellen und 1.000 Ladestationen im Stadtgebiet installieren. Kein Autohersteller war in der Lage, kurzfristig 3.000 Elektroautos zu liefern – das Projekt "Autolib" lässt auf sich warten.