Gebrauchtvergleich Audi Q2 und Seat Ateca

Es gibt ja Fahrzeugklassen, in denen sogar auf dem Gebrauchtmarkt die Auswahl so groß ist, dass der Kauf letztendlich wie eine Geschmackssache scheint. Das gilt umso mehr, wenn sich beide Kontrahenten wie in diesem Fall Plattform und Technikbaukasten desselben Konzerns teilen. Oder?

In unserem Fall versetzen wir uns dieses Mal in die Lage eines Käufers, der ein Vielzweckauto für die Familie sucht. Dieser fiktive Käufer setzt auf solide VW-Technik, möchte jedoch einen kleinen Hauch mehr Individualität, als sie z.B. der enorm häufig verkaufte Tiguan bietet. Ein Wunsch nach viel Platz und einem flotten, jedoch sparsamen Antrieb ist selbstverständlich. Nach kurzer Recherche fasst er Audi Q2 und Seat Ateca ins Auge. Der eine ein wenig teurer, der andere mit Raumvorteil. Was ist nun die klügere Wahl?

Der Audi Q2 (Typ GA, seit 2017) im Detail:

Der Q2 hat's bei Kennern schwer. Das liegt daran, dass er das direkte Schwestermodell zum VW T-Roc ist. Damit meinen wir nicht die mechanischen Gemeinsamkeiten, die Konzerngeschwister nun mal mit sich bringen, sondern die praktisch unveränderte Rohkarosse, die bis auf die veränderte Front- und Heckpartie und unterschiedliche Türbleche weitgehend dem in Portugal gebauten VW entspricht. Auch das Platzangebot gleicht dem des T-Roc. Und wo ist das Problem? Nun, nicht unverdient musste sich letzterer zu seiner Präsentation 2017 (ein Jahr nach dem Q2) anhören, dass der deutlich günstigere Golf VII nicht nur mehr Platz bietet, sondern auch besser fährt, feiner verarbeitet ist und noblere Materialien besitzt. Übrigens: Die enormen Verkaufszahlen des T-Roc zeigen, dass dieser Umstand vielen Neukäufern offenbar egal war.

Moment, aber es geht um den Q2, nicht um den T-Roc. Zum Glück! Denn genau diese Unzulänglichkeiten vermied man in Ingolstadt bereits zu Anfang. Das markentypisch hochfeine Cockpit im Stile des A3 ist ein Leckerbissen für Haptikfanatiker und mit einer ausgewogeneren Fahrwerksabstimmung und besserer Geräuschdämmung wirkt der Q2 gleich viel wertvoller. Motorseitig bieten Q2 und Ateca praktisch identisches. Einen höchstens für die Stadt passenden 115-PS-Dreizylinder-Benziner, sowie 1,4-2,0-Liter Vierzylinder mit Benzin (150 bis 300 PS) oder Diesel (115 bis 190 PS) für jeden Zweck.

Die Stärken des Q2:

Um ihn vom T-Roc abzuheben, haben wir das Wichtigste bereits vorweggenommen. Der Q2 bietet den gleichen Nutzwert wie die meisten anderen kompakten Crossover, verwöhnt Markenfreunde jedoch mit der edlen Audi-Aufmachung. Einen kleinen Vorteil bietet außerdem das MMI-Infotainment, welches mit seinem Dreh-Drück-Steller in der Mittelkonsole einfach noch souveräner zu bedienen ist, als die über lange Zeit schon sehr intuitiven Systeme von VW, Skoda und Seat. Davon abgesehen genießt der Q2 dieselben MQB-Vorteile wie alle Verwandten des bekannt-guten Golf VII: sparsame und kräftige Motoren mit guter Laufkultur, recht flächendeckende Problemlosigkeit und eine lange Haltbarkeit.

Die Schwächen des Q2:

Die Scharte mit dem Platzangebot kann er nicht auswetzen. Wer bei einem Q2 an einen typischen Vertreter praktischer Kompakt-SUV denkt, dem würde wohl nicht einfallen, dass ein ganz normaler Golf mehr Raum bietet. Deshalb, und wegen der rein Pkw-mäßigen Geländegängigkeit, sprechen wir auch eher von einem Crossover. Dass er mit seinem nur durchschnittlichen Nutzwert wirklich die hohen Preise wert ist, die für ihn aufgerufen werden, lässt sich zumindest in diesem Gebrauchtvergleich infrage stellen. Zumindest gibt es nur wenige Hab-Acht-Punkte, an denen der kleine Ingolstädter immer mal kränkelt. Da wäre zum einen das altbekannte Thema DSG, welches immer wieder zum nervigen Anrucken führt, sowie zum anderen die große Auswahl an kleinen Problemzonen, die Konzernübergreifend immer mal vorkommen, jedoch nie chronisch. Dinge wie die Intaktheit des Klimakondensators (Steinschläge) oder der Zweimassen-Schwungrades (unrunder Motor-Leerlauf, nur bei den Dieseln) gehören dazu. Wir haben sie bereits im Detail in unserer großen Golf-VII-Kaufberatung erklärt.

Der Seat Ateca (Typ 5FP, seit 2016) im Detail:

Tja und dann wäre auf der anderen Seite der Ateca. Auch er ist konstruktiv ganz nah bei seinen Brüdern VW Tiguan und Skoda Karoq (übrigens damit strenggenommen eine Nummer größer als der Q2). Anders als der Audi besitzt er jedoch trotz aller Ähnlichkeiten eine gänzlich eigenständige Karosserie sowie von Natur aus eine Seat-eigene Fahrabstimmung. Und das, was gleich ist, dürfte alle erfreuen: das erstklassige Platzangebot. Bezeichnend ist außerdem, dass er bei vergleichbarer Motorisierung und Ausstattung trotz des enormen Raumvorteils nicht schwerer als der Audi ist. Wer zum Beispiel eher ein Familienauto für die Stadt sucht, als einen drehmomentstarken Allrad-Diesel für die Langstrecke, bekommt einen Ateca, der zwischen 1.300 und 1.400 Kilo wiegt, und sich mit Vorderradantrieb und Schaltgetriebe wunderbar souverän bewegen lässt. Allrad und DSG sind wahrhaftig kein Muss. All dies hüllt sich in markentypische Kanten-Design mit scharfen Knicken sowohl im Blechkleid, wie auch im Cockpit.

Die Stärken des Ateca:

Dick geschrieben und mehrfach unterstrichen findet sich im Notizbüchlein des Autors dieser Zeilen das Wort "Fahrwerk". Hier haben sie in Barcelona ganze Arbeit geleistet und die VW-typisch langwegige Gutmütigkeit um eine Portion Präzision und Direktheit bereichert, ohne dabei den guten Komfort zu schmälern. Das gilt für eben genannte Basisversionen ebenso wie für schwerere Varianten. Und als Kirsche auf dem Sahnehäubchen gibt es das Verstellfahrwerk DCC, deren Feder-Dämpfer-Kombinationen sämtliche Talente des Ateca nochmals verstärken. Es kann einerseits noch knackiger und direkter um enge Ecken turnen und bietet gleichzeitig beinahe nautisches Wogen, wenn es besonders flauschig sein soll – eine tolle Spreizung.

Die restlichen Stärken sind altbekannt. Schon immer bietet Seat ein relativ hohes aber dennoch umfangreiches Angebot an Sonderausstattungen. So sind auch sinnig konfigurierte Exemplare mit einigen Features durchaus bezahlbar. Zudem gefällt die sehr gute Praxistauglichkeit mit dem großen Kofferraum und dem luftigen Interieur, sowie das auffallend niedrige Geräuschniveau auch bei zügiger Fahrt.

Die Schwächen des Ateca:

Den Mangel an echten Krisenherden teilt sich der Ateca mit dem hier verglichenen Q2, sowie mit der restlichen Verwandtschaft. Anders als beim Audi – wohl aber eher aus statistischen Gründen über die Fahrprofile der jeweiligen Besitzer – zeigt sich bei Ateca etwas häufiger ein bekanntes Phänomen: hinten verschlissene Bremsscheiben. Das entsteht, wenn z.B. auf der Autobahn sehr häufig der Abstandsregeltempomat mit Bremseingriffen aktiv wird. Damit das sanft und bei bester Spurtreue vonstattengeht, erfolgen diese zum Großteil an der Hinterachse. Diese potenzielle Verschleißerscheinung stellt aber keinen technischen Mangel dar.

Ernster wird es, wenn die hoch bemessene Anhängelast des 2.0 TDI mit Allrad und DSG (2,1 Tonnen, beim Tiguan sogar bis zu 2,5 Tonnen) regelmäßig ausgenutzt wurde. Das geht enorm auf Kosten der Langlebigkeit des Getriebes und sorgt gar nicht so selten im Extremfall auch für einen Getriebeschaden, bei dem eine der beiden Gangwellen schlicht ausfällt. Konstruktionsbedingt ist ein Doppelkupplungsgetriebe einfach nicht die ideale Wahl für häufigen Betrieb mit schweren Anhängern.

Kaufvergleich: Welchen nehmen?

Nehmen Sie den Ateca. Der bietet viel mehr Auto fürs Geld. Den minimalen Luxusvorteil (in der Haptik, nicht in der Ausstattung) des Q2 bekommen Sie auch in begehrenswerteren Typen mit vier Ringen – und zwar ohne Einbußen in der Praktikabilität.

Bekräftigt wird dieses außergewöhnlich kurze Urteil durch das Preisniveau beider Konkurrenten. Eine Mustersuche nach maximal fünfjährigen Exemplaren mit 150-PS-Benziner unterhalb von 100.000 Kilometern zeigt: Beide beginnen bei knapp 16.000 Euro, allerdings sind praktisch alle Seats deutlich besser ausgestattet und besitzen eine niedrigere Laufleistung als die entsprechenden Audis. Die kommen mit markentypisch karger Grundausstattung und Radkappenrädern daher und werden erst in höheren Preissphären hübscher. Für die selteneren Dieselversionen (ab rund 18.500 Euro) verstärkt sich der Effekt deutlich, und vergleichbare Q2 liegen preislich stets eine Ecke über den Atecas.