"Sonntagsauto"
Lamborghini LM 002, herrlich häßlich

Der Lamborghini LM 002 war ein SUV-Vorreiter, doch nicht gerade alltagstauglich: Er überforderte die Finanzen aller, die keine Ölquellen besaßen.

Lamborghini LM 002, herrlich häßlich
Foto: Hans Neubert

Vor dem Lamborghini LM 002 haben wir doch alle Angst. Hand aufs Herz: Auch die Männer. Schon wenn er dasteht, als unüberschaubare Sammlung von Kanten, Ecken und Ausbuchtungen, ist er ein furchterregender Anblick. auto motor und sport schrieb 1987: „Seine Gestalt ist frei von jeder Verzierlichkeit italienischen Designs. Der geländige Lamborghini ist einfach nur ein herrlich häßlicher Brocken.“

Lamborghini LM 002 ist beherrschbar

Unterdrücken wir also den Fluchtreflex, nähern wir uns. Am Fahrereinstieg des Lamborghini LM 002 sitzt ein massiver, elektrischer Zentralschalter. Einmal gedreht, und das Monster schweigt. Gut zu wissen, das macht Mut. Zweites Missverständnis: Der LM 002 hat zwar die optische Präsenz eines Überseecontainers. Dazu in etwa die gleiche Form. Was aber nicht bedeutet, dass im Innenraum viel Luft ist. Wer einsteigt, wird von Leder und Edelholz auf wunderbar luxuriöse Weise eingeklemmt. Nur die Hand, die den erschütternd gewöhnlich wirkenden Zündschlüssel hält, lässt sich noch bewegen.

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Hans Neubert
Luxus à la LM: Holz und Leder klemmen die Passagiere gemütlich ein. Per Drehknopf wird der Vorderrad-Antrieb aktiviert.


Stier-Temperament trotz hohem Gewicht

In der Youngtimer-Ausgabe 04/2007 unserer Motor Klassik-Schwesterzeitschrift heißt es: „Er benimmt sich. Willig zwölfzylindert es los, fällt sofort in einen freundlich singenden Leerlauf und dreht auch kalt sauber hoch. Der Klang ist gedämpft und eher sirrend als brummelnd. Ein Monstermotor? Eher ein Mustermotor. Nicht gerade mit dem überschäumenden Temperament eines Murcièlago, aber für 2,7 Tonnen Leergewicht doch wie ein Stier: 8,2 Sekunden, und schon stemmt er sich mit 100 km/h durch den Wind. Die zwölf Freunde unter der seltsam geformten Motorhaube des Lamborghini LM 002 machen ihre Arbeit richtig gut.“ Doch die eigentlich satte Zahl von 510 Newtonmeter ist erst bei 4.500/min erreicht, die 450 PS versammeln sich gar bei extremen 6.800 Touren. „Dafür geht die Lenkung  so leicht, dass man unwillkürlich prüft, ob das Lenkrad mit dem Rest des Wagens verbunden ist.“

Rassebulle braucht ungefähre Richtungsempfehlungen

Schon wieder ein Missverständnis: Es geht nicht darum, den Lamborghini LM 002 zu steuern. Sondern darum, seinen Pirelli Scorpion Zero mit der aberwitzigen Dimension 345/60 R17 ein paar ungefähre Richtungsempfehlungen zu geben. Respekt vor diesen speziell auf Wüstensand abgestimmten Walzen ist angebracht: Jedes Stück kostet 800 Euro. Mit dem Tragkraftindex von 123 kann jeder von ihnen 1.550 Kilogramm schleppen. Und weil hinter der 123 auch noch ein V steht, geht das sogar bis 240 km/h. Das genügt: Die überlieferten Höchstgeschwindigkeiten  reichen von 210 bis 223 km/h. Im Fahrzeugbrief stehen gar nur 201 km/h.

Entwicklung des LM 002 forderte viel Geduld

Hans Neubert
Der Rambo Lambo braucht offenbar keine harte Männerhand. Sondern eher etwas weibliche Nachsicht, Einfühlsamkeit und Geduld.

Der Rambo Lambo braucht aber keine strenge Männerhand. Sondern eher etwas Nachsicht, Einfühlsamkeit und Geduld. Geduld war auch eine wesentliche Voraussetzung bei der Entwicklung des Lamborghini LM 002. Über 9 Jahre zog sie sich hin, unter anderem, weil Lamborghini durch wirtschaftlich schwierige Zeiten schlitterte wie ein Countach über Glatteis. Ferrucio Lamborghini, der charismatische Gründer, hatte sich 1973 endgültig aus seinem Unternehmen zurückgezogen, um Vino anzubauen. Händeringend suchten die neuen Eigner, die Schweizer Georges-Henri Rossetti und René Leimer, nach frischen Geldquellen. Gut, dass das amerikanische Konsortium MIT einen Partner für die Entwicklung und Produktion eines Jeep-Nachfolgers suchte. Die Chance für Lamborghini, schließlich hatte man als Traktorenhersteller begonnen – die Entwicklung des LM 002 wurde gestartet.

Gleichzeitig allerdings hatte Lamborghini gemeinsam mit BMW den M1 entwickelt. Und sollte ihn anschließend auch produzieren. Leicht unsolide jedoch der Umgang mit Finanzen: Man investierte das von der italienischen Regierung vorgeschossene Geld für die Produktion des M1 in die Entwicklung des Geländewagens. Die Kooperation mit BMW endete darauf mit einer Vollbremsung, der M1 wurde bei Baur in Stuttgart gefertigt. Andererseits konnte Lamborghini 1977 auf dem Automobilsalon in Genf den Cheetah präsentieren. Die entgeisterten Messebesucher sahen einen unförmigen Heckmotor-Prototyp mit Rohrrahmen-Chassis, Fiberglas-Karosse, Einzelradaufhängung und Allradantrieb. Ein schwächlicher Chrysler-V8 mit 183 PS und Dreigang-Automatik sorgte für Vortrieb.

LM steht für Lamborghini Military

Es folgte die erfolgreiche Plagiatsklage einer Konkurrenzfirma, weil der Cheetah klar Ähnlichkeit mit ihrem Entwurf aufwies. Dazu kam ein verheerender Praxis-Test in der Wüste von Kalifornien. Danach war nicht nur Schluss mit dem Cheetah, sondern auch mit Lamborghini: 1978 wurde Konkurs angemeldet. Zwei Jahre später kaufte die reiche französische Familie Mimran das Unternehmen und machte den jungen Sohn Patrick zum Chef. Schon im Frühjahr 1981 stand in Genf der weiterentwickelte Cheetah als Lamborghini LM 001. LM stand für Lamborghini Military, und dieser Einsatzzweck war dem Wagen nach wie vor anzusehen. Größter Unterschied: Der Motor war nun der V12 aus dem Countach, saß aber weiter im Heck.

Hans Neubert
Zwölf muntere Freunde unter der Haube: Der V12 wirkt im Lamborghini LM 002 wie ein Alu-Denkmal mit 450 PS.

Überzeugen konnte der Lamborghini LM 001 so wenig wie der Cheetah. So fing Alfieri nochmal von vorn an – wortwörtlich, mit einem Frontmotor. Dazu schuf er ein neues Chassis, baute eine Servolenkung ein und ließ breitere Reifen aufziehen. Das ergab den LMA 002. Versuche mit anderen Motoren reichten bis zu einer Lamborghini-Bootsmaschine mit über 7 Liter Hubraum und einem Drehmoment, das jedem Planeten zur Ehre gereicht hätte, doch damit wäre der Wagen endgültig zu schwer geraten.

Ein König bekam den ersten der exklusiven Geländewagen

Auf dem Brüsseler Salon 1985 stand er dann endlich: der finale Lamborghini LM 002, mit dem Vierventilmotor aus dem Countach QV. Sein Erscheinen löste zunächst ein wahres Fieber unter den Reichen und Schönen der Welt aus. König Hassan von Marokko bekam das erste Serienfahrzeug, Keke Rosberg das zweite und Sylvester Stallone und Malcolm Forbes hatten auch bald einen. Der Sultan von Brunei orderte gleich mehrere Lamborghini LM 002, einen mit verlängertem, kombiartigen Aufbau. Es war alles drin in dem Lamborghini LM 002: elektrische Fensterheber, Klimaanlage, Leder, Holz, Servolenkung, Zentralverriegelung, ein Allradsystem mit Reduktion und vorderen Radnaben, die man von Hand sperren musste.

Die Ausrüstung mit Wüstenluftfiltern und den extrabreiten Reifen zielte auf vermögende Kunden im Nahen Osten ab; der Lamborghini LM 002 war ideal für die Falkenjagd oder schnelle Besorgungen in der nächsten Oase. Sogar die saudiarabische Armee soll sich kurzzeitig für den LM 002 interessiert haben. Bei den Privatkunden jedoch ebbte die Begeisterung schnell ab, vielleicht auch das aus einem Missverständnis. Denn trotz der 220.000 Mark, die etwa beim deutschen Importeur Auto-Kremer auf den Tisch zu legen waren, gab es keine Premiumqualität: Wasser im Fahrerfußraum oder Elektrikprobleme waren keine Seltenheit.

32 Liter Verbrauch auf 100 Kilometer

Mechanisch galt der Lamborghini LM 002 hingegen als zuverlässig. Und auch der Verbrauch schreckte wohl keinen der betuchten Besitzer: 32 Liter auf 100 km gab das Werk an. Mancher Eigner berichtet von 50 Litern. Wie viel nun genau, war schlicht egal, bei Tankversionen mit 180, 290 oder 400 Litern Fassungsvermögen. Wer sich trotzdem für den Verbrauch interessierte, kam als Käufer kaum in Frage.

Lamborghini LM 002
Lamborghini LM 002
Premiere:Autosalon Brüssel 1985
Motor:V12
Hubraum:5.167 ccm
Drehmoment:500 Nm bei 4.500/min.
0 - 100 km/h*9,3 sec.
V-Max*197 km/h
Länge:4.900 mm
Breite: 2.000 mm
Höhe:1.850 mm
Grundpreis:220.000 DM