Staufragen von der Rückbank
Warum zischen die Bremsen von Lkw?

Lkw im Stau sind eine reiche Quelle interessanter Fragen von der Rückbank. Für Likes von hinten kennt man besser die Antworten. Heute: Was zischt da, wenn Lkw bremsen?

Staufragen gelöst
Foto: Knorr Bremse

Aus der beliebten Rubik: "Staufragen von der Rückbank" heute: "Mama, Papa, warum zischt der Lkw immer? Und wieso hat der da so viel bunte Schläuche?". Da helfen keine Klimaautomatik und belüftete Sitze gegen den Angstschweiß an Stirn und Rücken. Die Stammhalter brauchen Input. Die vordere Sitzreihe muss liefern. Zwei Fragen, viele Erklärungen von auto, motor und sport.

Was zischt denn da?

Fahrzeuge über 7,5 Tonnen zulässigem Gesamtgewicht haben meist Druckluftbremsen anstatt einer hydraulischen Bremsanlage wie im Pkw. Tritt der Fahrer das Bremspedal wird zuvor erzeugte Druckluft durch eine Legion an Schläuchen und Ventilen zu den Radbremsen geleitet. Dort presst die Druckluft die Bremsklötze über Membranen oder Kolben auf die Scheiben. Dieser Überdruck in den Bremsen entweicht beim Lösen mit einem Zischen. Wir hören also nicht das Zischen beim Bremsen selbst, sondern wenn die Bremse wieder öffnet.

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Jetzt zischt es schon wieder

Jetzt könnte der Nachwuchs siegessicher nachlegen: "Kuck, jetzt steht er und zischt nochmal." Konter: Der Fahrer entscheidet sich die Hand- oder Feststellbremse zu nutzen. Dabei kommt ein einzigartiges Bauteil der Druckluftbremse zum Einsatz. Der sogenannte Federspeicher. Eine starke Feder drückt dauerhaft auf die Bremse und hält sie geschlossen. Sie löst sich nur unter hohem Luftdruck von fünf bis sieben bar. Fällt der Luftdruck unter einen bestimmten Sicherheitswert, als Beispiel durch ein Leck, den Ausfall des Motors oder wenn der Anhänger sich löst, dann schließt diese Bremse ohne Kompromiss als Notbremsanlage. Im Falle der Feststellbremse wird der Federspeicher entlüftet und die Druckluft entweicht zischend. Übrigens: Das ist der Grund warum große Rettungsfahrzeuge im Depot dauerhaft extern mit Druckluft versorgt werden. Sie können sofort losfahren und müssen nicht erst auf Luft im System warten.

Was sind das für bunte Schläuche?

Die Herrscher des Fonds sprechen auf die Schläuche an, die zwischen dem Zugfahrzeug und dem Anhänger baumeln. Alternativ deuten sie dabei auf die beiden Spiralschläuche zwischen Sattelzugfahrzeug und Auflieger. Farblich unterscheiden sie sich oder die Anschlüsse in Rot und Gelb. Der rote Schlauch oder der rote Anschluss markieren die Vorratsluft, also die Luft, die zum Bremsen dient und zusätzlich den Federspeicher öffnet. Gelb ist die Steuerungsleitung. Sie gibt quasi den Bremswunsch des Fahrers weiter. Koppelt man den Anhänger an oder ab und lässt den roten Anschluss "alleine", dann koppelt man den Hänger quasi vom kontrollierten Bremssystem ab. Unter Umständen rollt der Hänger dann alleine los und stoppt erst bei Abreißen der roten Leitung. Daher kommt die goldene Lkw-Regel "Rot steht nie allein". Übrigens: Wenn zwischen dem roten und gelben Schlauch noch ein blauer ist, dann ist das Druckluft beispielsweise zum Erhöhen des Reifenfülldrucks.

Warum bremsen Lkw mit Luft?

Druckluftbremsen sind gesetzlich nicht vorgeschrieben. Soll jedoch ein Anhänger über 3,5 Tonnen zulässigem Gewicht gezogen werden, dann muss dieser an der Bremsanlage des Zugfahrzeugs angeschlossen sein, da bietet sich die Druckluft an. Technisch ist die Druckluftbremse allerdings nötig, da eine hydraulische Bremse mit den maximal zulässigen 44 Tonnen Gewicht hoffnungslos überfordert wäre, der Bremskraftverstärker das Format eines Gartenhauses hätte und mehrere Liter Bremsflüssigkeit im System wären. Der größte Unterschied ist die Funktionsweise selbst: Eine Autobremse bremst rein über die Fußkraft am Pedal: Je stärker das Pedal getreten wird, desto mehr Bremskraft wird erzeugt. Bei der Druckluftbremse moduliert nicht die Kraft am Pedal die Bremse, sondern der Weg, den das Pedal zurücklegt.

Strom und Wasser in der Bremse

Bonusrunde: Die Druckluftbremse ist für Lkw oder Fahrzeuge gesetzlich nicht vorgeschrieben. Geregelt ist ab bestimmten zulässigen Gesamtgewichten die Anzahl unterschiedlicher, voneinander unabhängiger Bremsanlagen. Bei Lkw über 9 Tonnen und bei Bussen über 5,5 Tonnen ist neben der eigentlichen Betriebsbremse eine Dauerbremsanlage vorgeschrieben. Sie muss verschleißfrei wirken können und in der Lage sein in einem Gefälle von sieben Prozent die Geschwindigkeit des vollbeladenen Lkw bei 30 km/h dauerhaft zu halten. Retarder, die per Wirbelstrom, Kühlwasser oder Öldruck bremsen sind heute verbreitet. Früher gab es noch Staudruckbremsen: Klappen im Auspuff, die den Motor durch das Stauen von Abgas drosseln. Da Retarder mit sinkender Geschwindigkeit an Bremskraft verlieren sind sie eigentlich nicht geeignet oder gedacht das Fahrzeug bis zum Stillstand zu verzögern.

Gewicht nach hinten

Wer den Finishing-Moove bringen will, der erklärt den Wissbegierigen hinten, warum mancher Lkw mit Anhänger nur hinten einen Koffer-Aufbau (so genannte Wechselbrücken) trägt und vorn nichts. Geparkte Wechselbrücken sehen aus wie Container mit Stelzen. Muss nur eine weiter, kommt sie auf den Hänger. Auch das liegt am Bremssystem: Die Druckluftbremse funktioniert, wie oben beschrieben, völlig anders als die im Pkw. Das Bremspedal trägt einem raffinierten System von Ventilen und Steuerkreisen den Bremswunsch an. Was danach passiert hängt von vielen Faktoren an. Im Falle eines gezogenen Hängers erkennt das sogenannte Anhängerbremsventil die angehängte Last und versorgt die Bremsen des Anhängers stärker mit Druckluft. Der Hänger bremst stärker und stabilisiert den Zug. Ohne diese Voreilung oder umgekehrt beladen würde der Anhänger ins Schlingern geraten, da das Zugfahrzeug früher oder und durch die dynamische Achslastverschiebung stärker bremst. Denn: Lkw, Auflieger oder Hänger bremsen abhängig der Last unterschiedlich. Bei wenig Last wird mit weniger Kraft gebremst als belastet, was den Effekt und Vorteil des Gewichts auf dem Anhänger erhöht. Obacht: Das gilt nur für Fahrzeuge mit Druckluftbremse und Anhänger.

Noch was zum Angeben

1. Ein vollbeladener Lkw mit 40 Tonnen braucht mit 36 Metern nur gut 14 Meter mehr Bremsweg von 80 auf 0 km/h als ein Pkw mit 3,5 Tonnen.

2. Wenn ein Anhänger per durchgehender Bremsanlage, also Druckluft gebremst ist, darf er das 1,5-fache zulässige Gewicht des Zugfahrzeugs haben: 15 Tonnen Gewicht des Anhängers dürften von einem nur 10 Tonnen schweren Zugfahrzeug gezogen werden.

3. Der ziehende Teil des Lkw wird Zugfahrzeug genannt. Zugmaschine ist umgangssprachlich und technisch falsch. Eine Zugmaschine zieht nur. Ein Zugfahrzeug trägt einen Teil der gesamten Last selbst. Auch das Vorderteil eines Sattelschleppers trägt die Stützlast.

4. Die Zahl der Achsen eines Lkw geben einen Hinweis auf sein Gewicht. Je Achse addieren wir gut acht Tonnen Gewicht. Einzelachsen dürfen immer 10 Tonnen tragen, Doppelachsen je nach Abstand und Federung zwischen 11 und 19 Tonnen.

5. Wer an einem Auflieger vorbeifährt, sieht manchmal zwei oder drei große gelbe Felder oder "Löcher" an der Seite. Das sind Tragpunkte für den Kran, wenn der Auflieger auf den Zug gehoben wird, um große Strecken zurückzulegen.

6. Lkw nutzen die gleiche Druckluft oft für die Luftfederung der tragenden Achsen. Das ermöglicht die Niveauregulierung unter Last ebenso wie das Heben und Senken der Aufbauten zum Be- und Entladen.

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...auf der Straße im Fernverkehrs-Truck....im Gelände auf einem stabilen Baustellen-Lkw.

Fazit

Spiel, Satz und Sieg: Wer mit diesen geballten Infos nicht für offenen Münder bei den Fragenden und anerkennende Blicke vom Nebensitz sorgt, sollte an seiner Vortagstechnik arbeiten – denn Druckluftbremsen oder pneumatische Bremsen sind ein faszinierendes technisches Meisterwerk. Nahezu alle Fahrwerkkomponenten moderner Lkw oder Omnibusse hängen an einem Luftsystem. So werden neben der Bremse die Federung und die Niveauregelung per Luft gesteuert – ohne Druckluft wäre der moderne Lastverkehr, wie wir ihn kennen, fast unmöglich.