40 Jahre Renault-Turbos
Aufgeladen, wild und ungezügelt

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Vor 40 Jahren errang Renault den ersten Sieg eines Turbo-Boliden in der Formel 1. Kurz darauf kam die Technik auch bei den Serienmodellen zum Einsatz – teils in abenteuerlichen Autokreationen.

Renault 5 Turbo
Foto: Renault

Ein Wochenende Mitte Juli 1977 markierte eine Zeitenwende in der Formel 1. Mit Renault debütierte ein neues Werksteam in der Königsklasse des Motorsports, und zwar mit einem ungewöhnlichen Motorenkonzept: Der RS01 war nicht mit einem damals üblichen acht- oder zwölfzylindrigen Dreiliter-Saugmotor ausgerüstet, sondern mit einem 1,5-Liter-Turbomotor. Der französischen Equipe schlug im Feld Skepsis entgegen: Die einen belächelten das kleine Motörchen, die anderen hatten Angst vor dem aufgeladenen V6 und versuchten, ihn zu verbieten.

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1. Juli 1979: Erster Turbo-Sieg in der F1

Tatsächlich war der Start holprig. Bei seinem ersten Rennen, dem britischen Grand Prix, fiel der einzige Renault mit Werksfahrer Jean-Pierre Jabouille direkt aus – mit Turboladerschaden, ausgerechnet. Überhaupt war die Anfangszeit des Teams vom unzuverlässigen Antrieb geprägt. Jabouille und sein gelb-schwarz-weißer Rennwagen deuteten immer wieder ihr Potenzial an, kamen aber selten ins Ziel. Erst am 1. Juli 1979 war es soweit: Jabouille siegte beim Heimrennen in Dijon-Prenois; es war der erste Erfolg eines Turbomotors in der F1. Sein Bolide verfügte inzwischen über einen Motor, der von zwei kleinen statt einem großen Lader unter Druck gesetzt wird.

Der Konkurrenz wurde allmählich klar, dass man künftig einen Turbomotor im Heck braucht, um zu gewinnen. Ob Alfa Romeo, Ferrari, BMW oder TAG-Porsche, sie alle setzten in den Achtzigern auf Aufladung und holten in den Spitzenzeiten bis zu 1.400 PS aus ihren Triebwerken. Und ernteten jenen Lorbeer, der nie gewachsen wäre, hätte Renault nicht die Saat gelegt. Der Pionier verabschiedete sich titellos aus seiner ersten Ära in der Formel 1.

Erst 1980 kommt das erste Serienauto mit Turbomotor

Doch das heißt nicht, dass die Franzosen nicht weiter an das Konzept glaubten, dessen Grundidee Firmengründer Louis Renault bereits 1902 zum Patent angemeldet hatte: Ein mechanisch angetriebener „Ventilator” oder kompakter Kompressor beförderte das Gemisch aus dem Vergaser mit erhöhtem Druck in die Zylinder. Das Ergebnis: bessere Kraftstoffeffizienz, aber vor allem eine höhere Motorleistung. Doch bis das Prinzip tatsächlich seinen Weg ins Serien-Automobil fand, dauerte es noch lange. In den Fünfzigerjahren kamen im Lkw-Bau die ersten Turbodieselmotoren auf. Erst 1962 kamen mit den GM-Modellen Chevrolet Corvair Monza und Oldsmobile Jetfire Pkw mit Turbomotoren auf den Markt. Es dauerte mehr als ein weiteres Jahrzehnt, bis der BMW 2002 turbo, der Porsche 911 Turbo und der Saab 99 Turbo bewiesen, dass die Technik auch in sportlichen Serienautos funktionieren kann.

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Renault selbst traute sich erst 1980, Turbomotoren in seine Straßenautos einzubauen. Das Erstlingswerk war der Renault 18 Turbo, dessen 1,6-Liter-Vierzylinder 110 PS mobilisierte und die Limousine auf bis zu 185 km/h beschleunigte. Der Motor, der über eine elektronische Steuerung mit Klopfsensor sowie einen extra mit gekühlter Luft versorgten Vergaser verfügte, kam ebenfalls erfolgreich im Motorsport zum Einsatz: Claude Marreau gewann mit dem turbogeladenen und allradgetriebenen Renault 20 Turbo 1982 die Rallye Paris – Dakar.

Bis zu 350 PS im wilden Renault 5 Turbo

1981 kam der Renault 5 Turbo auf den Markt: Dessen 160 PS starker 1,4-Liter-Turbo saß nicht mehr über den Vorderrädern, sondern längs hinter den Vordersitzen. Mit dem um 20 Zentimeter verbreiterten Kleinwagen betrat Renault die Bühne der Rallye-WM und mischte etwas später mit dem 350 PS starken Turbo Maxi munter im Kreis der Gruppe-B-Helden mit.

Deutlich zahmer, aber dennoch so stark wie ein VW Golf GTI, war der ebenfalls 1981 eingeführte Renault 5 Alpine Turbo, dessen 1,4-Liter-Turbomotor mit 110 PS und maximal 147 Newtonmetern wie gewohnt im Bug arbeitete. Es folgten der Fuego Turbo mit 132 PS und 200 km/h Topspeed (1983), der Renault 11 Turbo mit erst 105 und dann 115 PS (1985), der in der seriennahen Gruppe N auch eine bemerkenswerte Rallye-Karriere hinlegte, und der Renault 9 Turbo mit 105 PS (1985). Im selben Jahr kam das Topmodell der neuen Renault-5-Generation auf den Markt: Der GT Turbo mit breiten Kotflügeln, Schriftzügen und 1,4-Liter-Motor, der auch dank seines ölgekühlten Laders 115 PS entwickelte, in acht Sekunden von Null auf Hundert sprintete und 200 km/h erreichte.

Safrane Biturbo als 268 PS starkes Highlight

Später sorgten vor allem Renaults turbogeladene Mittelklasse-Limousinen für Aufsehen. Etwa der seit 1987 angebotene Renault 21 2L. Turbo, der 175 PS (162 PS in der Katalysatorversion) und ein maximales Drehmoment von 270 Newtonmetern mobilisierte. Der kantige Franzose fuhr bis zu 227 km/h schnell und in der französischen Tourenwagen-Meisterschaft zeitweise der Konkurrenz um die Ohren. 1993 ging es mit dem Safrane Biturbo noch in ganz andere Leistungs-Sphären. 268 PS und maximal 365 Newtonmeter lieferte der Dreiliter-V6-Motor, der zudem über einen Allradantrieb mit Visco-Kupplung und adaptive Stoßdämpfer verfügte.

Heute sind nicht nur bei Renault, sondern in der gesamten Autoindustrie Turbomotoren Standard. Und wieder überzeugen jene von Renault mit sportlichen Leistungen: Erst im April umrundete der Mégane R.S. Trophy-R die Nürburgring-Nordschleife in 7:40.100 Minuten – eine neue Bestzeit für frontgetriebene Serienfahrzeuge.

Fazit

Der Anfang war holprig: In der Formel 1 fiel Renault mit seinen Turbomotor-Boliden öfter aus, als dass es Erfolge zu feiern gab. Dennoch war der Grand-Prix-Sieg in England 1979 der Start einer neuen Ära. Nicht nur in der Königsklasse, auch im Serien-Automobilbau setzte sich die Technik von dieser Zeit an kontunierlich durch. Heute gibt es kaum noch einen Neuwagen, der nicht per Aufladung unter Druck gesetzt wird. An dieser Entwicklung hat Turbopionier Renault einen gewichtigen Anteil.