Borgward Hansa RS 1500
Leichtbau-Alu-Flunder aus den 50ern

Der Rennsport wurde Ralf Jüttner in die Wiege gelegt: Vater Fritz schraubte und fuhr für Borgward. Aus der Konkursmasse rettete er seinen Dienstwagen, einen Borgward Hansa 1500 RS. Jetzt gehört er dem Sohn. 

Borgward Hansa 1500 RS
Foto: Dino Eisele

Runde Scheinwerferaugen, ovaler Kühlermund: Würde man diesen Borgward mit einem menschlichen Gesicht vergleichen, fielen vermutlich Begriffe wie sympathisch und treu.

Der Borgward Hansa RS 1500 hat eine friedliche Mimik

Vielleicht wirkt er ein wenig zu brav. Aggressivität liegt jedenfalls nicht in seiner Mimik. Wie Äußerlichkeiten doch täuschen können: Wenn der Reihen-Vierzylinder zum Leben erwacht, wird er zum Biest. Rau, blechern, vor allem aber ohrenbetäubend laut brüllt der 1,5-Liter-Motor. Nein, der will nicht nur spielen, der will siegen. Obwohl eine Motorleistung von 165 PS heute wenig spektakulär klingt: Bei den Tourenwagen-Rennen in den fünfziger Jahren zeigte der Borgward Hansa 1500 RS, dass man in Bremen auch scharfe Motoren zu konstruieren verstand. Vierventil-Zylinderkopf, Doppelzündung, zwei obenliegende Nockenwellen und Benzineinspritzung waren damals keineswegs die Regel.

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Ein Problem des Borgward Hansa war das Fahrwerk

Kombiniert mit einem Kampfgewicht von rund 650 Kilogramm, katapultiert das Triebwerk die Alu-Flunder auf über 250 km/h. Damit wird sie bei Rundstreckenrennen in der 1,5-Liter-Klasse zum Angstgegner der damals maximal 135 PS starken Porsche 550 Spyder. "Der Motor war top, das Problem blieb bis zum Schluss das Fahrwerk", erzählt Besitzer Ralf Jüttner. "Mangels Differenzialsperre ging es in Kurven nicht ganz so schnell voran." Jüttner muss es wissen. Er ist Geschäftsführer von Joest Racing, verantwortlich für die Audi Le Mans-Einsätze - und der Rennwagen quasi ein Familienmitglied. Sein Vater Fritz arbeitet ab 1949 in der Borgward-Rennabteilung und sitzt auch als Pilot hinterm Holzlenkrad des Zweisitzers. Motorentechniker und Werksrennfahrer in einer Person - in der Nachkriegszeit ist das kein Widerspruch.

Der Borgward hat einen Avus-Buckel

Dieses Kapitel der heute fast vergessenen Borgward-Renngeschichte beginnt 1950 mit dem Borgward Hansa 1500 Typ Inka. Zwölf Rekorde stellt der 66 PS starke Wagen auf, fährt unter anderem 1.000 Meilen mit Durchschnittstempo 172. Der Startschuss zu einer erfolgreichen Karriere, bei der mitunter kräftig improvisiert wird. Ralf Jüttner zeigt auf zwei Löcher im Auspuff: "Da Borgward keinen Windkanal hatte, stopfte man einfach Stahlwolle zur Geräuschdämmung ins Rohr, fixierte sie mit einem Metallstab durch die Löcher, und dann ging es mit dem Rennwagen auf die Autobahn. Bei Tempo 200 kuppelte der Fahrer aus. Per Stoppuhr wurde die Zeit bis zum Erreichen von 100 km/h genommen. Je länger es dauerte, desto besser war die Aerodynamik." Ein Ergebnis dieser Versuche ist der nach der Berliner Rennstrecke benannte abnehmbare Avus-Buckel, den Jüttners RS trägt.

1961 ging Borgward pleite

Laufend wird etwas an den drei Werksrennwagen verändert, angefangen beim Fahrwerk über Rahmen und Motor bis hin zur Karosserie. "Wer wann in welchem Auto saß, lässt sich da kaum noch nachvollziehen", so Jüttner. Die zahlreichen Renneinsätze des Teams finden bei der Carrera Panamericana 1953 ihren traurigen Höhepunkt, als der in der Klasse der leichten Sportwagen führende Hugo Hartmann disqualifiziert wird - er hatte das Zeitlimit in einer Etappe nur um sieben Sekunden überschritten. Danach bleiben Erfolge immer öfter aus, bis sich die Bremer 1958 entscheiden, aus dem Motorsport auszusteigen. Die Entwicklung von Rennmotoren läuft zunächst als Kooperation mit Cooper weiter, um sie in Formel 2-Rennern einzusetzen. 1961 geht Borgward pleite, im Jahr darauf zieht Fritz Jüttner mit seiner Familie nach Stuttgart.

Die Borgward Isabella diente als Zugfahzeug

Dort arbeitet er bei Bosch, zuletzt als Renndienstleiter. Seine Beziehung zum Borgward RS endet damit jedoch nicht. Aus der Konkursmasse sichert er sich mit einem Kollegen den motorlosen RS als Ersatz für ausstehenden Lohn. Nachdem er ein passendes Triebwerk auftreibt, folgt eine Jahre währende Restaurierung in der heimischen Garage. Glücklicherweise verfügt die über eine Gegensprechanlage, um Kontakt zu Ehefrau Agnes im Wohntrakt zu halten. Doch die Mühe zahlt sich aus: In den siebziger Jahren gibt Fritz Jüttner - mittlerweile stolzer Alleinbesitzer des Wagens - mit dem RS wieder Gas. Auf Oldtimer-Rennen zwar, aber mit nur leicht gebremstem Elan, wie diverse Siege in der Sportwagenklasse beweisen. Sohn Ralf ist mit von der Partie und hilft in der Box beim Schrauben. 1983 brechen sie zusammen mit einer frisch restaurierten Isabella als Zugwagen und dem RS auf dem Anhänger zum Formel 1-Grand Prix nach Monaco auf.

Die Anfälligkeit des Borgward Hansa RS 1500 brachte Übung im Schrauben

Dort angekommen, kollabiert wieder einmal ein Pleuellager. Eine typische Macke, denn statt Original-Ersatzteilen sind welche aus Mercedes-Versuchswagen eingebaut. "In einer dunklen, in den Hang gebauten Werkstatt des Fürstentums haben wir den Motor zerlegt. Ein Freund brachte die Ersatzteile mit meinem Auto rechtzeitig aus Leonberg." Die Operation gelingt, der Borgward Hansa RS 1500 bezwingt auch den schwierigen Stadtkurs. Nach dieser Erfahrung beschließt Jüttner Senior allerdings, passende Lager bauen zu lassen. Ihren Einsatz erlebt er nicht mehr. Als Fritz Jüttner 1985 stirbt, erbt Ralf den mit zerlegtem Motor in der Garage stehenden Sportwagen. "Zum Glück ging er so oft kaputt, dass ich ausreichend Übung im Schrauben hatte. Sonst hätte ich den Motor wohl nie wieder zusammenbekommen."