Auto China 2012
In jeder Ecke ein China-Kracher

Ein Rundgang über die Auto China 2012 mit vielen Premieren und so mancher kruden, hässlichen und seltsamen Messe-Neuheit.

Auto China 2012 Impressionen
Foto: dpa

Eine Dunstwolke hängt wie ein bleischwerer Vorhang über Peking und darunter tobt das allmorgendliche Chaos. Es ist laut und hektisch, unüberschaubare Automobilmassen vor allem europäischer und japanischer Herkunft quälen sich vierspurig im Schritttempo voran. Seit den olympischen Spielen hat die Megacity ein U-Bahn-Netz, doch obwohl die meisten Pekinger kein eigenes Auto haben, ist dadurch kaum Entlastung spürbar. Es wird gedrängelt, gehupt und geschnitten als gäbe es kein Morgen - so dauert der Weg zur Messe vor den Toren der Millionenstadt fast zwei Stunden.

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VW mit eigenem Klima-Reich

Auch wenn die letzten Meter Anfahrtsweg zum Teil abenteuerlich sind, die Messegebäude der Auto China 2012 sind top-modern - oder sollen es sein: In den Osthallen hat sich die Klimaanlage verabschiedet, was die wuselnde Platz-da-Geschäftigkeit der chinesischen Besucher kaum dämpft - sie schwitzen eben nur sichtbarer.

Der VW Konzern hat für seine Marken-Armada ein eigenes, wohltemperiertes überdachtes Reich auf dem Gelände, schließlich ist er mit über zwei Millionen verkaufter Autos (2011) die absolute Nummer eins auf dem größten Automarkt der Welt. Allein im ersten Quartal 2012 rollten 633.800 VW-Modelle zu den größtenteils privaten Käufern. Das verpflichtet in China zur Selbstdarstellung.

Die große Show muss sein und so begleiteten schon am Vorabend beim VW-Konzernabend in der olympischen Schwimmhalle opulente Wasserspiele und Tänzer die Premiere der neuen Modelle. Das Spektakel soll wohl etwas retuschieren, dass bis auf den spektakulären Lamborghini-SUV Urus statt großer Knaller eher banale Werks-Tuning-Modelle das Bild bestimmen.

Den Q3 gibt es jetzt auch mit Fünfzylinder-Motor besonders sportlich, den Cayenne als GTS noch etwas tiefergelegt, den Beetle als E-Bugster elektrisch ohne Dach und den Seat Ibiza als angeschärfter Cupra. Bei Skoda zeigt die etwas brave und bekannte Mission L-Studie immerhin den kantigeren zukünftigen Designweg.

Chinesen stehen auf Softroader

Es sind jedoch nicht mehr die Mittelklasse-Autos, die im nur noch im einstelligen Prozentbereich wachsenden chinesischen Markt ein großes Plus versprechen. Statt reiner Mobilität sind Status und Luxus die Triebfedern. Allein Porsche steigerte seine Verkäufe im ersten Quartal um 15 Prozent auf 30.553 Autos und es scheint nur noch eine Frage der Zeit, wann die Ergebnisse im amerikanischen Markt überholt werden.

Porsche Verkaufs- und Marketing-Vorstand Maier beeilt sich zu betonen, dass es sich dabei nicht nur um den Erfolg von Cayenne und Panamera handeln würde. Auch der Boxster und 911er liefen prächtig und mit dem kommenden kleineren SUV Macan (auf Audi Q5-Basis) würde alles noch viel rosiger, denn die robusten Soft-Offroader lieben auch die Chinesen. Der typische Porsche Kunde im Reich der Mitte ist übrigens 40 Jahre alt, besitzt vier Autos und verdient umgerechnet 400.000 Euro pro Jahr. Mit rund 2.000 Euro im Jahr muss dagegen der durchschnittliche Chinese auskommen.

Auch bei Audi könnte die Stimmung bei 40 Prozent Zuwachs im ersten Quartal kaum besser sein. Und dass, obwohl die chinesische Regierung seinen Beamten inzwischen restriktiv den Kauf von einheimischen Marken vorschreibt. Die Zeiten der singleframigen Vierringe-Kader-Limousine sind zwar vorbei, aber bei 90 Prozent Privatkunden-Anteil sei das laut Audi verschmerzbar. Der wirtschaftliche Erfolg berauscht und noch scheint ein Kater weit weit entfernt zu sein.

Der Mercedes CLA wird gefeiert

Gefeiert und angestoßen wird auch in Halle West 4. Es ist die Hölle los, denn Mercedes präsentiert mit dem Concept Style Coupé den Messeknaller schlechthin. Die wunderschöne CLA-Studie auf A-Klasse-Basis bekommt ebenfalls sein Showprogramm mit Pop-Sternchen. Nötig hätte es der CLA nicht. Mit seiner schnittig-attraktiven Form würde er auch bei einer Vorstellung in der Wüste Gobi glänzen. Laut Mercedes soll er in der Serie nur kleine Änderungen an Außenspiegeln und Leuchteinheiten erfahren. Für die solvente Neureichen-Kundschaft gibt es den neuen ML 63 AMG und eine aufgepeppte Version der seit 33 Jahren laufenden G-Klasse obendrauf.

Wer sich umdreht, schaut direkt auf den BMW-Stand und sieht neben Mädels, die zu lauter Musik in engen Strampelanzügen in Plastikkugeln durch die Gegend rollen, die sportliche Plug-in-Hybrid-Studie i8 und einen gestreckten BMW 3er als Messe-Neuheit. Der chinesische Autokäufer mag es eben immer noch lang im Fond, auch wenn die Zahl führerscheinloser Autobesitzer deutlich zurückgeht. Schon allein aus Statusgründen sind große Stufenheck-Autos äußerst beliebt. So hat Aufpasser Lee auch kein Verständnis dafür, dass man den neugewonnen Fußraum tatsächlich mal testen möchte. Die Türen bleiben zu.

Kichernde Messe-Hostessen

Also geht es zur Gemütserfrischung in Halle Ost 2, wo Chevrolet die schon aus Detroit bekannten Sportstudien namens Tru 140S und Code 130R zur Schau stellt. Auf einem großen Touchscreen darf der Besucher entscheiden, welche der beiden er besser findet. Der Autor nimmt ganz in chinesischer Tradition das maskuline Stufenheck 130R und erntet Gekicher der Hostessen - die finden den keilförmigen Tru 140S "mo‘ handsome". Jedenfalls sind beide die optischen Lichtblicke in der ansonsten von chinesischen Herstellern beherrschten Halle.

Die gute Nachricht ist: Die Chinesen kopieren weniger. Die schlechte: viel besser wird es dadurch nicht. Das erklärt ein wenig, wieso so überraschend wenig Chinesen auf die einheimischen Marken stehen und es relativiert europäische Designkritik. Sicherlich fehlt zum Beispiel einer Marke wie Audi frischer Design-Esprit und eine stärkere Differenzierung der Modelle, doch das ist Jammern auf sehr hohem Niveau, denn bei den chinesischen Autos scheint es meist nur drei Typen zu geben: Charakterarm, krude oder schlecht kopiert.

Der kreative Nachholbedarf ist jedenfalls gewaltig. Kia hat es ja vorgemacht: Auf banal kann ziemlich schnell sehr attraktiv folgen - mit dem richtigen Designer. Kooperationen mit europäischen Herstellern können, aber müssen dabei nicht der richtige Weg sein. Das erste Modell der neuen Elektroautomarke Denza, einer Kooperation zwischen Mercedes und BYD, sieht von vorne wie eine Mischung aus KITT (Knightrider) und Geordi La Forge (Startrek) aus - ziemlich gewöhnungsbedürftig.

Mal ansehlich, mal weniger gelungen - die China-Autos

Apropos Elektromobilität: Auch in China macht sich hier Ernüchterung breit. Die Akku-Entwicklung geht auch beim weltgrößten Lithium-Ionen-Batterie-Produzenten und strengen Horter "Seltener Erden", einem wichtigen Elektro-Werkstoffe, nur langsam voran. Die Autopreise sind hoch und der Kohlendioxid-Ausstoß, der hauptsächlich kohlegetriebenen Stromversorgung mit über 800 Gramm CO2/kWh, katastrophal. Die E-Autos köcheln daher nur noch auf kleiner Flamme und bis auf den Hersteller Lifan Auto belassen es Brilliance, Hawtai und Co. bei ein zwei in die Ecke gestellten Alibi-Modellen.

Bei Volvo Eigner Geely zum Beispiel, konzentriert man sich lieber auf die Premiere eines durchaus ordentlich gezeichneten SUV namens GX-7 und übt sich ansonsten mit der Englon-Baureihe im Versuch, was man Hässliches aus der Design-Vorlage eines London-Taxis machen kann.

Den JAC-Entwicklern hat es dagegen offensichtlich der Ferrari California angetan. Ihre krude Festdach-Version, wirkt wie eine Karikatur des Luxus-Cabrios: Die kleinen Räder stehen verloren in den hohen Radhäusern und die Proportion wirken eigentümlich gestaucht. So wirr wie das Design sind auch die technischen Angaben: der 2.0 T Motor hat 2,4 Liter Hubraum und der Wendekreis des 4,49 Meter Sportlers soll nur 5,20 Meter betragen - was wohl automobiler Weltrekord wäre.

So geht es vorbei an Transformers-Sondermodellen bei Zotye und einer Stufenheck-Limousine im Villeroy- und Boch-Dekor über einen kleinen Abstecher bei Fiat und seinem Stufenheck-Mittelklässer Viaggio - übrigens nicht schlecht - zur kleinsten Halle Ost 4W. Dort steht der Lotus-Stand. Nur um mal zu schauen, ob es die auch noch gibt. Die Hallen-Klimaanlage ist ja schon ausgefallen.