Lancia Rallye-Team im Rückblick
Versammelte Ex-Rallye-Weltmeisterautos

Mitte der siebziger Jahre beginnt Lancias Siegeszug in der Rallye-WM. Stratos, Rally 037 und Delta durchtoben Sonderprüfungen, erniedrigen ihre Gegner, erringen fünf Fahrer- und neun Marken-Titel. Wo sind sie heute?

Lancia Rallye Oldtimer
Foto: Wolfgang Wilhelm

Die müssen wahnsinnig gewesen sein. Wie sonst würde sich jemand in diesem Biest durch Finnland schießen lassen? Auf Schotterwegen, mit Tempo 200, links nur Bäume, rechts nur Bäume, nach Kuppen in der Mitte auch nur Bäume - und das im Lancia Delta S4.

Die Gruppe B brachte den Lancia Delta S4 hervor

Der besteht aus einem Gitterrohrrahmen, filigran wie ein Märklin-Metallbaukasten, den Boden bildet ein Material, das in seiner Stabilität an geröstete Toastscheiben erinnert, und als Karosserie haben sie dem Ganzen ein gestärktes Tischtuch übergeworfen. Drin hocken dann zwei in engen Schalensitzen, und hinter ihnen - getrennt durch eine Schottwand, so dünn wie Frischhaltefolie - wütet der 1,8-Liter-Motor, den Kompressor und Turbolader mit bis zu 1,4 bar Ladedruck auf 480 PS aufplustern. Die wildeste Rallye-WM-Epoche, die Gruppe B, bringt den Lancia Delta S4 hervor und wird mit ihm verglühen. Ab November 1985 durchfräst er turbospeiend und allradwühlend leger abgesperrte Sonderprüfungen - ein mit 100 Liter Benzin beladener Gefahrguttransporter, so fragil und leicht entflammbar wie ein Päckchen Streichhölzer.

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Die Ersatzteibeschaffung für Lancia Delta S4 und den 037 Rally gestaltet sich schwierig

Er grient noch immer hinterhältig, auch jetzt, wo er im privaten Museum von Marco Bianchini steht. Und niemand darf ihn sehen. Es gibt mondänere Orte für ein konspiratives Treffen als den Flughafen von Bologna - ein verwaschener Betonklotz mit der architektonischen Anmut eines Bunkers. Hier treffen wir Dirk Marchel, Geschäftsführer der Gruppo Ricambi Bielstein, und bratschen im Mietwagen die Autostrada Adriatica bis Rimini. Marchel kümmert sich seit Jahren um die Ersatzteilversorgung für Bianchinis Rallyeteam K-Sport - eine Aufgabe, die enorme Geduld und Spürsinn erfordert, weil es für Autos wie den Lancia Delta S4 und den 037 Rally eigentlich nichts mehr gibt. Und das wenige, was es doch gibt, wird oft von Menschen angeboten, die Schutzgelderpresser als angenehme Geschäftspartner erscheinen lassen. Über die Jahre hat sich dagegen ein enges Vertrauensverhältnis zwischen Marchel und K-Sport entwickelt, nur deshalb darf er uns die einzigartige Sammlung und das Team zeigen.

Historischen Rallyesport ist spannender als Rennboote

K-Sport betreut nicht nur Bianchinis Wagen, sondern auch Kundenautos. Rund zehn Prozent aller Teile fertigen die Mechaniker selbst an. Die Technik haben sie dabei unter Kontrolle: Zwei Ex-Abarth-Mitarbeiter kümmern sich um Motoren und Getriebe, viele Fahrwerkselemente stammen aus dem aktuellen Rallye-Ersatzteilprogramm. Richtig schwierig wird es bei Karosserieteilen oder Unscheinbarem wie Bremsflüssigkeitsbehältern. Dann muss Marchel suchen, und irgendwie findet er auch immer alles für K-Sport. Vor neun Jahren gründete Marco Bianchini das Team. Da waren dem Industriellen mit unbescheidenem Vermögen Rennboote fad geworden, und er entdeckte den historischen Rallyesport. Sein erstes Wettbewerbsauto war ein Lancia 037, später begann er, die Konkurrenz mit seinem schwarzen Stratos zu besiegen.

Der Lancia Stratos wird von einem Ferrari Dino-V6 angetrieben

Mit den Jahren kamen regalmeterweise Pokale zusammen - und ein Museum voller Lancia-Rallyeautos. Höhepunkt darin ist natürlich der Stratos, das erste nur für Rallyes entwickelte Auto. Bertone zeichnete den Mittelmotor-Renner, den der Ferrari Dino-V6 antreibt. Keiner bewegte ihn begnadeter als Sandro Munari. Noch 1977 - vier Jahre nach dem Debüt des Stratos - gewann er mit ihm die WM. Neben Munaris Lancia Stratos steht Markku Aléns 037 Rally. Walter Röhrl und Alén kämpfen 1983 mit dem Mittelmotor-Coupé gegen die Audi Quattro. Es ist die Zeit der geradezu operettenhaften Rallyeschlachten. Allein dieses Chaos und Gebrüll bei den Servicepunkten, wenn zwei Dutzend Mechaniker schreiend über die Lancia 037 herfallen, mittendrin und am lautesten krakeelend der damalige Lancia-Teamchef Cesare Fiorio, im Auto oder etwas abseits der grantelnde Walter Röhrl und Alén, der Finne mit dem Mitteilungsbedürfnis eines Baumes. Zusammen gewinnen sie für Lancia die Marken-WM - der letzte Triumph eines zweiradgetriebenen Rallyeautos.

Der Lancia Delta S4-Wahhnsinn nimmt kein Ende

Mit dem Lancia Delta S4 stürzt sich Lancia in die wahnwitzige Endzeit der Gruppe B. Sie rast in Portugal durch Menschenspaliere und endet, als Henri Toivonen und Sergio Cresto im Lancia Delta S4 bei der Korsika-Rallye tödlich verunglücken. 1987 startet die zahmere Gruppe A. Sechs Marken-Weltmeisterschaften in Folge gewinnt Lancia mit dem Delta. Bianchini hat einen Großteil der Delta-Evolution von Aléns 87er AWD bis zu Juha Kankkunens 92er Integrale Evo. Lancia selbst machte sich nie viel aus den Wagen, sondern verramschte sie ohne große Sentimentalität, sobald sich die Chance bot. Es müssen sich viele Chancen geboten haben, denn heute hat Lancia selbst kaum noch Autos. Zumindest den rund 25 Wettbewerbs-S4 ist jedoch gelungen, was ihnen bei Lancia nicht vergönnt war: Sie sind in sentimentalen Händen. Einige S4 starten noch bei historischen Rallyes. Damit der Wahnsinn ja kein Ende nimmt.

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