Ferrari GTB Turbo, 288 GTO, F40, 488 GTB
Ferraris mit V8-Turbo-Motor im Vergleich

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In den 80ern brachte Ferrari Modelle mit aufgeladenen V8-Motoren: den GTB Turbo, den GTO und den F40. Dann, Anfang 2015, kam der 488 GTB mit Biturbo-V8. Ein Treffen vier teurer Sportwagen.

Ferrari, Familientreffen
Foto: Hans-Dieter Seufert

Turbo und Ferrari, daran müssen sich die Jüngeren unter uns erst gewöhnen. Schließlich stehen die italienischen Sportwagen für ekstatisch hochdrehende Saugmotoren. Die Älteren dagegen erinnern sich an die Turbo-Ära bei Ferrari. 1982 kam der 208 GTB Turbo (später GTB Turbo), darauf 1984 der legendäre GTO und 1987 der spektakuläre F40. Alle tragen einen aufgeladenen V8 vor der Hinterachse. Dann folgen ausschließlich großartige Saugmotoren. Bis Anfang 2015 der 488 GTB vorgestellt wird: mit einem doppelt unter Druck gesetzten V8 vor der Hinterachse. Nun stehen die 4 Turbo-Generationen auf dem Hof von Ferrari-Händler Helmut Eberlein und knacken von ihrer Ausfahrt.

Ferrari GTB Turbo, Motor
Aus steuerlichen Gründen wurde der V8 des GTB Turbo auf 2 Liter Hubraum downgesized.

Gerne flechten wir ein, dass es eigentlich der California T war, der die Turbo-Glocke 2014 in Maranello zum ersten Mal seit dem F40 läutete – doch Frontmotormodelle haben hier und heute keinen Zutritt. Sorry, geschlossene Gesellschaft, Einlass nur mit Mittelmotor.

Minimale Stückzahlen für historische Turbo-Ferraris

Der Kreis der Anwesenden ist höchst exklusiv – selbst für Ferrari-Verhältnisse: Vom GTB Turbo etwa, dem Facelift-Nachfolger des 208 GTB Turbo, produziert Ferrari gerade 308 Stück. Fast alle bleiben zunächst in Italien, denn die dortigen Steuergesetze sanktionieren Hubräume über zwei Liter, was den Absatz von großvolumigen Motoren erschwert.

Also downsizen die Ferrari-Ingenieure den quer vor der Hinterachse platzierten Dreiliter-V8 des 308 GTB zum Zweiliter-V8. Im Prinzip entspricht der Aluminiumrumpf dem des V8-Saugers, doch die Brennräume wurden kleingebuchst; in Kombination mit dem originalen Hub ergibt das einen Langhuber. Den Verlust an Brennraumvolumen gleicht ein Turbolader von KKK aus. Ähnlich verfährt man später bei der Ableitung des 328 GTB, die 1986 als GTB Turbo mit 254 PS auf den Markt kommt.

Wie es der Zufall will, ergattert Helmut Eberlein einen der wenigen GTB Turbo auf dem Sammlermarkt und überlässt ihn auto motor und sport für eine Ausfahrt. Start – klassisch per Schlüssel; Startknöpfe hatten damals nur Rennwagen. Erstaunlich voluminös ertönt der Achtzylinder, lässt sich sein Hubraum-defizit nicht anmerken, summt mit der leicht metallisch klingenden Unruhe der 80er.

Turboloch und plötzlicher Schub

Zunächst stakst der Schalthebel etwas sperrig durch die Kulisse, das gibt sich erst mit steigender Öltemperatur. Wenn er dann flutscht, ist auch der Motor warm gelaufen. Nach Drehzahlen dürfte der Langhuber nicht gerade gieren, darauf deutet der Leistungspeak bei verhältnismäßig niedrigen 6.500/min hin. An einer Ortsausfahrt geben wir zum ersten Mal Vollgas. Zweiter Gang, 2.000/min. Der Achtzylinder brodelt, der Lader keucht. Kaum Vortrieb. 3.000/min. Aus dem Keuchen wird ein Zischen. Dennoch kaum Vortrieb. 4.000/min. Zorniges Fauchen – und es geht jäh vorwärts bis etwa 7.000/min. So abrupt, als schreckten die 254 PS alle auf einmal hoch.

Die klassische Ganz-oder-gar-nicht-Mentalität des Achtziger-Turbos schlägt unerwartet zu, was den Reiz ausmacht. Ein vergleichbarer 328 GTB mit Saug-V8 zieht zwar schon knapp über Leerlaufdrehzahl – aber nie die Wurst vom Teller. Der GTB Turbo schon, zumindest hat man den Eindruck, wenn sich die 1,05 bar Überdruck aufplustern.

Ferrari 288 GTO, Frontansicht
Nur 272 GTOs wurden gebaut.

Diese Charakteristik macht den GTB Turbo zum kleinen GTO. Auch dessen zwei IHI-Lader nehmen sich Zeit, um ihre Verdichterräder in Schwung zu bringen, fachen die Glut zunächst verhalten an, bevor das Feuer lodert. Dass wir einen GTO in unserer Runde begrüßen dürfen, verdanken wir Horst Kespohl, einem Kunden von Eberlein. Er besitzt einen der nur 272 ausgelieferten Klassiker, konserviert ihn in Perfektion und hat ihn für das Turbo-Treffen per Anhänger nach Kassel transportiert.

Natürlich darf der landläufig auch 288 GTO genannte Supersportwagen kurz an die frische Luft, erhält Auslauf in einem nordhessischen Waldstück. Der Spitzname 288 verrät Hubraum (2,855 Liter) und Zylinderzahl (acht). Anders als im GTB Turbo ist der Achtzylinder längs hinter dem Fahrer eingebaut, weshalb der Radstand im Vergleich zum GTB Turbo verlängert wurde. Unübersehbar glotzt die Getriebeglocke unter dem Heckabschluss hervor. Und unüberhörbar krakeelt es aus dem Heck.

Ferrari 288 GTO mit Längs-Motor

Der im Vergleich zum GTB größere Hubraum erklärt den zornigeren Ton nicht. Eher der montierte Sportauspuff. Von Dämmstoffen unbelästigt, ballert das Exemplar von Horst Kespohl seine Auspuffgase durch dicke Rohre. Der V8 klingt derbe wie ein Rennmotor samt hohem Mitteldruck und 180-Grad-Kurbelwelle.

Anders als beim GTB Turbo herrscht im Saugbereich keine tote Hose. Doch erst ab etwa 3.800/min wird aus dem gepflegten Grundmoment ein brutales. Bei vollem Ladedruck (1,2 bar) geht alles so schnell, dass man kaum Zeit hat, den Tourenzähler zu studieren. Der erbarmungslose Schub gleicht einem Naturereignis, hält bis an die 8.000/min an und beginnt im nächsten Gang von Neuem.

Gleiches könnte man über den Nachfolger des GTO formulieren. Beim F40 liegt der Unterschied eher in der Erwartungshaltung: Das neuere Extrem-Modell verhehlt keinen Moment lang seine Intention – ein grob behauener Rennwagenkeil ohne Nettigkeit. Daneben sieht der GTO bezaubernd aus. Der F40 (Stückzahl: 1.311) wirkt erbarmungslos und ist es auch. In jeder Hinsicht.

Turbo-Orkan im F40

Nirgends finden sich Anzeichen eines GT-Charakters. Zwei Schalensitze in einer Carbonwanne, funktionales Armaturenbrett. Bedienelemente: Lenkrad, Pedale, Schalthebel, Startknopf. Ein kurzer Druck, der Dreiliter-V8 blafft gereizt los, um danach einschüchternd zu summen.

Er ist vom GTO-Triebwerk abgeleitet und dient sich knapp über Leerlaufdrehzahl ähnlich willig an. Allein, im F40 ahnt man sofort, dass dies nur die Ruhe vor dem Sturm sein kann. Nein … vor dem Turbo-Orkan mit 1,5 bar. Bis etwa 4.000/min ist die Nadel des Drehzahlmessers noch scharf zu erkennen – darüber wischt sie Richtung rotem Bereich bei 7.500/min. Und der Fahrer würde sich die Tränen der Rührung wegwischen, wenn er eine Hand frei hätte.

Ferrari F40, Heckansicht
Typisch F40 - der große Heckspoiler.

Doch alles passiert so schnell, so heftig. Der F40 brüllt auf, schnalzt los, es drückt den Körper in die Sitzschalen, die linke Hand würgt das Lenkrad, die rechte knebelt den Schalthebel im Wettlauf gegen die Nadel des Drehzahlmessers. Kein zweites Serienmodell der 80er bietet so rohe Dramatik. Keines kommt dem Fahrverhalten eines Rennwagens so nahe, bietet diese zudringliche Direktheit.

Nach dem F40 ist erst einmal Schluss mit aufgeladenen Mittelmotoren. Es folgen großartige Saugmotoren, deren Reiz nicht in Überwältigung, sondern in einer akribisch genauen Dosierbarkeit des Drehmoments liegt. Bis 2015, bis zum 488 GTB: Der bietet wieder Turbo-Drama – anders.

Was soll danach noch kommen?

Seinen 3,9-Liter-V8 blasen zwei Lader mit maximal 1,3 bar auf. Twinscroll-Technik, gleich lange Krümmer, doppelt kugelgelagerte Wellen und Verdichterräder aus Titan-Aluminium rotten das Turboloch praktisch aus. Denn das war das Firmencredo: Solange zwischen Gasgeben und Schub eine Verzögerung zu spüren ist, wird es keine Turbos in einem Mittelmotor-Ferrari geben. Und im 488 ist keine Verzögerung zu spüren.

Die 670 PS sowie 760 Nm treffen den Fahrer hart und direkt, pulverisieren alle Fabelwerte des F40 – ohne dass dafür ein Testfahrer den Kupplungsschlupf erfühlen muss. Danke, Launch Control: Per Zug am rechten Lenkradpaddel flutscht der erste Gang rein. Der Mittelmotor-Zweisitzer zählt den Countdown herunter. Sobald ein Signalton ertönt, rutscht der Fuß von der Bremse aufs Gas; es reißt den 488 aus seiner Ruheposition. 300 stehen nach 25,6 Sekunden auf dem Tacho.

Da fragt man sich, was künftig als Steigerung kommen soll. Aber ähnliche Gedanken hatten die Tester-Kollegen schon beim GTO. Und beim F40. Und es ging immer mehr. Längst regeln Algorithmen feinfühlig, was Kupplungs- und Gasfuß grobmotorisch verschleifen mussten.

Keine Argumente für Turbo-Kritiker

Nun ist Feinfühligkeit kein Charakterzug eines 760-Nm-Hammers. Doch der 488 schüttet sein Drehmoment nicht plump wie ein Dieselmotor über die Kurbelwelle, sondern baut beim Gasgeben sportmotoriges Drama auf. Von Plateaubildung keine Spur, stattdessen presst es die Passagiere mit jeden 1.000/min stärker in den Sitz. Da nähern sich gerade zwei Gattungen einander an: der stiernackige Druck des Turbos gepaart mit der Explosivität des Sportmotors.

Lange hat sich Maranello für den Wiedereinstieg ins Turbogeschäft Zeit gelassen – so lange, bis das Ergebnis selbst Kritiker überzeugte. Manchmal muss man eben nicht der Erste sein, um ganz vorne zu stehen.