Audi-Entwicklungschef Oliver Hoffmann im Interview
„Bieten bis 2027 in allen Kernsegmenten ein E-Modell“

Audi-Entwicklungsvorstand Oliver Hoffman spricht mit auto motor und sport über den Fortbestand der Marken-DNA, die Anforderungen in China und das geplante Elektro-Portfolio.

Oliver Hoffmann, Audi-Entwicklungsvorstand
Foto: Audi
Was hat Audi den neuen Konkurrenten speziell aus China voraus und was kann Audi möglicherweise von ihnen lernen?

Ich bin überzeugt, dass wir auch künftig weltweit sehr erfolgreich sein werden. Warum? Gerade in den klassischen Disziplinen des Automobilbaus haben wir sehr viel Erfahrung und einen hohen Standard. Dazu zähle ich die Themen Fahrdynamik, Sicherheit, Komfort und Langzeitqualität. Was man allerdings anerkennen muss, das ist die Entwicklungsgeschwindigkeit der chinesischen Hersteller. Zudem sind sie bei manchen digitalen Features vorne, und sie gehen dabei konsequent auf die Bedürfnisse ihres Heimatmarktes ein. Was will der chinesische Kunde? Er legt Wert auf Optik und Haptik im Interieur, möchte stärker visualisierte Fahrzeugfunktionen und Gadgets, und das auf eine Art und Weise, die sich von anderen Märkten stark unterscheidet. Eine Karaoke-Funktion im Auto beispielsweise wird eigentlich nur in China verlangt. Oder nehmen Sie die Luftqualität im Auto. Da zeigen wir heute ganz nüchterne Werte an. Für China müssten wir das animieren. Wir werden also einige Dinge stärker auf den chinesischen Markt zuschneiden. Die Kunden dort sind sehr technik- und digital-affin, daher bauen wir auch unsere Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten in China aus.

Unsere Highlights
Wie bekommen Sie einerseits die klassischen Auto-Werte in China vermittelt und in den anderen Märkten die speziell für China entwickelten Features?

Indem wir uns auf die DNA unserer Fahrzeuge fokussieren. Was macht einen Audi zu einem Audi? Vor zwei Jahren haben wir dafür einen eigenen Prozess aufgesetzt. Diese DNA gilt weltweit für alle Modelle. Bei anderen Facetten werden wir stärker differenzieren, beispielsweise bei den digitalen Angeboten. So wird es beispielsweise ein eigenes Bedien- und Anzeigenkonzept für Fahrzeuge in China geben.

Ist das nicht ein immenser Aufwand?

Ja, durchaus. Wir können aber nur so den unterschiedlichen Anforderungen der Märkte entsprechen. Wichtig ist, dass die Hardware größtenteils identisch bleibt und nur die Nutzeroberfläche angepasst wird. Deshalb arbeiten wir zunehmend mit lokalen Tech-Unternehmen zusammen, haben schon heute einen eigenen App-Store für China. Wir differenzieren also heute schon.

Weshalb bleibt ihrer Meinung nach die Relevanz der klassischen Auto-Themen, allen voran das Fahrgefühl, wichtig?

Einfach, weil es alle betrifft. Themen wie Geräusch- und Federungskomfort beispielsweise. Damit können wir uns in jedem Markt deutlich abheben, hier haben wir eine beispiellose Kompetenz. Das wissen Kunden weltweit zu schätzen, auch wenn sie es im Detail gar nicht auflösen können, warum sie das Fahrgefühl in einem Audi als besonders angenehm und souverän empfinden. Bei Konnektivität und Infotainment müssen wir dagegen eine Schippe drauflegen. Da haben wir zu lange angenommen, dass hier alle Märkte unser Geschmacksmuster übernehmen. Aber gerade chinesische Kunden haben einen ganz anderen Umgang damit. Klar ist aber auch: So verspielt, wie es die chinesischen Marken machen, werden wir trotzdem nicht.

Wie sehr sehen Sie die Preispositionierung von Audi durch neue Wettbewerber unter Druck?

Als Unternehmen investieren wir massiv in zum Beispiel strengere Emissionsgesetzgebungen und die Transformation zur E-Mobilität. Hinzu kommen teilweise massiv gestiegene Rohstoffpreise. Da können die Materialeinzelkosten pro Fahrzeug schon mal um 1.000 Euro steigen. Darauf versuchen wir im Konzernverbund zu reagieren, beispielsweise durch die einheitliche Batteriefertigung. In China kommt hinzu, dass manche heimischen OEMs eine sehr aggressive Preispolitik fahren, um Marktanteile zu kaufen. Es gibt Hersteller, die schreiben Milliarden-Verluste. Das können wir uns als etablierte Hersteller nicht erlauben. Grundsätzlich versuchen wir in unserer Preispolitik stabil und nachhaltig zu agieren und Incentives nur mit Augenmaß einzusetzen.

Ganz unabhängig vom Markt China: Wie billig darf denn ein Audi künftig sein?

Unser Ziel ist es bis 2027 in allen Kernsegmenten mindestens ein rein elektrisches Modell anzubieten. Den Einstieg in unsere Premiummobilität sehen wir bei Audi dabei zukünftig im A Segment. Und da haben wir einige gute Ideen auch unterhalb des Q4 e-tron. So kompakt wie ein heutiger A1 wird es aber vorerst nicht werden.

Ein elektrischer A3 also?

Von der Größe her ja. Heute ist der A3 als Erstwagen geschätzt und da werden wir auch unser Einstiegs-BEV klar positionieren. Auch wenn es kein klassischer A3-Nachfolger sein wird.

Ein Vorteil etablierter Autohersteller: Die Tradition. Welchen Klassiker legt Audi neu auf?

Wir haben unsere Hausaufgaben in den Kernsegmenten gemacht. Wir stehen vor dem größten Modellfeuerwerk unserer Geschichte. Jetzt geht es erstmal darum, diese Modelle auf die Straße zu bringen. Das ist richtig viel Arbeit für das ganze Team. Doch wir haben auch schon weitere Ideen für emotionale Derivate. Wenn es um sportliche elektrische Konzepte geht, sind Package und Design noch eine Herausforderung. Gewicht, Reichweite, Querdyamik – das muss alles passen. Seien sie sicher: Wir werden S- und RS-Modelle mit fantastischen Konzepten in die elektrische Welt bringen.

Vita

Oliver Hoffmann wurde am 25. Februar 1977 in Hannover geboren.

Nach seinem Studium des Maschinenbaus an der Leibniz Universität in Hannover begann er 2004 seine berufliche Laufbahn bei der Volkswagen AG in der Technischen Entwicklung.

In der Zeit zwischen 2005 und 2011 bekleidete Oliver Hoffmann verschiedene Positionen an Standorten der AUDI AG im In- und Ausland. Zunächst war er für die Qualitätssicherung bei der italienischen Audi-Tochter Automobili Lamborghini zuständig, ab 2006 für die V-Ottomotoren-Entwicklung bei Audi Neckarsulm.

2009 übernahm er eine leitende Funktion in der Qualitätssicherung im ungarischen Audi-Werk in Györ und anschließend in der Entwicklung für V-Ottomotoren am Standort Neckarsulm.

Ab 2012 hatte Oliver Hoffmann die Funktion als Assistent des Vorstandsvorsitzenden der AUDI AG inne.

Im Zeitraum von 2014 bis 2017 war er zunächst Leiter der Antriebsentwicklung in Györ und dann Leiter der Antriebsentwicklung der AUDI AG.