Elektroautos unterwegs auf dem Zug laden
Elektroauto laden während der Zugfahrt

Forscher der TU Graz entwickeln eine Lademöglichkeit für Elektroautos auf Autoreisezügen. Die Grundidee gibt es weltweit bereits seit einigen Jahren, nun sollen die Einsatzmöglichkeiten ausgelotet und in einem weiteren Schritt erste Versuche folgen.

TU Graz,  Ladestation für E-Autos in Zügen
Foto: TU Graz

Die meisten Züge hierzulande fahren mit Strom – und der kommt sogar aus einem eigenen Stromnetz. Wieso also nicht genau diesen Strom oder die Bremsenergie eines Zuges für das Laden der Akkus von Elektroautos nutzen? Dieses Ziel verfolgen Forscher der TU Graz. Die Idee: Weil über das Energiemanagementsystem des Zuges geladen wird, das über ein eigenes Stromnetz versorgt wird, gibt es keine Auswirkungen auf die Stabilität des öffentlichen Elektrizitätsnetzes.

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In der Regel könne – abhängig von der Anzahl der am Zug befindlichen Elektrofahrzeuge – die gesamte Bremsenergie und die während der konstanten Fahrt in der Ebene zur Verfügung stehende Überschussleistung der Oberleitung genutzt werden, erklärt Armin Buchroithner, der Projektleiter von RailCharge auf Seiten der TU Graz.

E-Autos sollen lange Strecken auf dem Autozug zurücklegen und dort aufladen. Danach können die Autofahrer die Reise mit einer vollgeladenen Batterie fortsetzen. Während der Beschleunigungsphasen des Zuges könne es abhängig vom Streckenprofil vorkommen, dass nicht die maximale Ladeleistung zur Verfügung steht.

Elektroautos auf dem Zug kabellos aufladen

Ein Projektpartner ist das Grazer Startup Easelink, das kabellose Ladelösungen für Elektroautos entwickelt. Das Unternehmen entwickelte eine Lösung, bei der ein an der Unterseite des Autos befestigter nachrüstbarer Rüssel sich auf eine Ladeplattform am Boden des Zugwagons absenkt. Dadurch existiert keine starre Steckverbindung, kein Kabel und somit auch kein Risiko, dass das Fahrzeug durch die Bewegungen während der Zugfahrt beschädigt wird, zum Beispiel durch Scheuern am Lack.

Ein normaler Ladestecker mit Kabel ist ungeeignet, da der Zug während der Fahrt Vibrationen ausgesetzt ist und der "Laderüssel" sich lösen könnte. Deshalb wurde gemeinsam mit dem Projektpartner Easelink eine entsprechende Schnittstelle entwickelt, die sich am Unterboden des Fahrzeugs befindet. Von dort aus fährt ein nachrüstbarer, flexibler Connector auf eine Ladeplattform am Boden des Zuges und bezieht darüber den Ladestrom. Damit entfällt auch die Stolpergefahr durch verlegte Kabel im Waggon. Im Gegensatz zum induktiven Laden verbleibt beim konduktiven Laden kein Luftspalt zwischen den elektrischen Schnittstellen. Die Verluste sind in jedem Fall deutlich geringer als beim induktiven Laden. Ladepads von Easelink laden mit bis zu 100 kW. Ob diese Leistung auch im Wagon möglich ist, wird sich zeigen.

Wenn ein Schnellzug mit hohen Geschwindigkeiten von 300 km/h oder mehr fährt, müssten die Autos in einem geschlossenen Waggon transportiert werden. Sonst könnten sie bei der Einfahrt in ein Tunnelportal durch den entstehenden Luftdruck ihre Scheiben verlieren. Dies könne bei älteren oder für langsame Geschwindigkeiten ausgelegten Fahrzeugen zu Schäden führen. Aktuell gebe es laut Armin Buchroithner allerdings keine derartigen Waggons.

Das Projektteam plant damit, dass in einigen Jahren in ganz Europa ein gut ausgebautes Hochgeschwindigkeitsnetz besteht und dieses sich auch für den Fahrzeugtransport eignet. Für hohe Reisegeschwindigkeiten wären geschlossene Transportwaggons aus aerodynamischer Sicht ebenfalls vorteilhaft, die Technologie könne aber prinzipiell auch mit offenen Waggons demonstriert werden. Ein umfangreiches Brandschutzkonzept müsse erstellt werden, um die Sicherheit aller Passagiere zu gewährleisten. Vor allem brennende Lithium-Ionen-Akkus stehen hier im Zentrum der Überlegungen.

Erster Test soll über die deutsch-österreichische Grenze führen

Wichtiges Thema für RailCharge ist auch die Wagonarchitektur, bei der es nicht nur darum geht, wie die Autos transportiert werden, sondern auch, wie sie möglichst schnell be- und entladen werden können – und das trotz unterschiedlichster Abmessungen. Laut Armin Buchroithner ist hier ein Umdenken erforderlich, das allerdings teilweise im Widerspruch zu aktuellen Normen und Zertifizierungsmöglichkeiten steht.

Im Bahnbereich gibt es bestimmte Geometrien, Module, Baugruppen und Technologien, die zertifiziert sind und eingesetzt werden dürfen. Alles, was davon abweicht, hat einen langen Weg vor sich, bis es zum Einsatz kommen darf. Mit Rail Competence Certification ist bei RailCharge ein Zertifizierungsunternehmen an Bord. Diese Zusammenarbeit bewirkt, dass nur an Technologieansätzen getüftelt wird, die auch eine Chance auf Zertifizierung haben. Das auf Schienenfahrzeuge spezialisierte Unternehmen SSC Railtec ist ebenso Projektpartner und beschäftigt sich mit dem (technischen) Design der Eisenbahnwagen.

Derzeit arbeitet das Projektteam gemeinsam mit dem Verkehrsplanungsunternehmen verkehrplus an der Evaluierung der Einsatzmöglichkeiten. So sehen die Projektbeteiligten bei längeren Bahnfahrten oder auch bei Werksbahnen Umsetzungspotenzial. Für eine Realisierung auf kurzen Pendlerstrecken sei die Ladetechnologie noch nicht ausgereift. Durch Verkehrsstromanalysen kam das Projektteam zum Ergebnis, dass die Verlagerung eines 45-minütigen Pendlerwegs auf die Bahn unter heutigen Bedingungen nicht erfolgreich sein wird. Der Grund: Im Verhältnis zur Fahrzeit würden die Autofahrer zu viel Zeit für den Weg zum und vom Bahnhof sowie für das Beladen verlieren. Hinzukomme, die Autos könnten während der kurzen Zugfahrt mit aktueller Ladetechnik nur wenig Strom laden.

Durch neue Wagondesigns und Weiterentwicklungen in der Leistungselektronik soll sich dies in Zukunft ändern, sodass auch solche Anwendungsfälle abgedeckt werden könnten. Projektleiter Armin Buchroithner plant langfristig einen Testwagon auf einer Strecke zu erproben. Ideal wäre hierbei eine Strecke mit einem Grenzübergang. "Es wäre schön, wenn man darstellen kann, dass das etwa bei einer Fahrt von Wien nach Dresden oder Leipzig funktioniert", sagt Buchroithner. Derzeit ist das Forschungsteam auf der Suche nach Partnern für ein Folgeprojekt, in dem ein erster Versuchszug fahren soll.

Einsatzmöglichkeiten für Ladepads auf Zügen

Es drängt sich die Frage auf, wie die Fahrzeuge auf den Zug gelangen. Autos und andere Vehikel, die geladen werden sollen, fahren nicht wie bei einem klassischen Autozug über eine Rampe auf den Zug. Stattdessen sollen sie von der Seite auf die Waggons gehoben werden. Die Anzahl der maximalen Fahrzeuge pro Eisenbahnwagen hängt davon ab, ob es sich um Pkw, Lkw oder Kleintransporter handelt.

Ein Waggon bietet für ein bis zwei Lkw inklusive der angedockten Zugmaschine Platz. Für das Laden der großen Batterien dieser Fahrzeuge wären deutlich höhere Ladeleistungen pro Waggon erforderlich. Bis zu fünf Pkw könnten bei effizienter Platznutzung auf einen Eisenbahnwagen passen. Hier gibt es Ideen für verschiedene Wagondesigns, auch Mischformen sind denkbar und die Länge der Waggons kann nach Bedarf gestaltet werden. In der Bildergalerie sehen Sie einen Wagon, in dem sich fünf Autos gestapelt und in gekipptem Zustand befinden.

Fazit

Die Idee Elektroautos auf dem Zug zu laden ist keine neue. Im Rahmen des Forschungsprojekts RailCharge wollen Forscher erste Versuche mit angepassten Wagons durchführen. Am Unterboden der Autos sollen Rüssel montiert werden, die sich zum Laden der Batterie auf eine Plattform am Wagonboden absenken. Es bleibt abzuwarten, ob es diese Technologie bis zur Serienreife schafft.