Interview mit Olivier Brosse
„Renault ist und bleibt eine europäische Marke“

Der Vice President Engineering im Interview mit auto motor und sport über die Zukunft des französischen Automobilherstellers.

Olivier Brosse, Vice President Engineering Renault
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Wie stellt sich Renault technisch gegen die neuen Wettbewerber aus China auf?

Zunächst einmal analysieren wir natürlich genau den Auftritt der Marken wie beispielsweise auf der Shanghai Auto Show, sehen uns deren Produkte ganz genau an, den MG4 beispielsweise, die Modelle aus dem Geely-Konzern wie den Volvo EX30 und Zeekr X, aber auch das gesamte Angebot von BYD – die liegen gerade in China ganz weit vorn. Wir haben einige Teams vor Ort und können daher recht genau die Entwicklungen beobachten. Zudem pflegen wir enge Beziehungen zu lokalen Zulieferern, vor allem im Bereich der Batterietechnik, der Leistungselektronik und der Ladetechnik. Die Wettbewerbsfähigkeit der neuen Marken ist durchaus eine Herausforderung für uns. Dabei müssen wir berücksichtigen, dass alle Anstrengungen hinsichtlich der Dekarbonisierung nur dann Sinn ergeben, wenn wir in jedem relevanten Markt das komplette Ökosystem der Fahrzeugproduktion lokal abbilden. Ein Fahrzeug aus China zu importieren ist da nicht optimal. Abgesehen davon ist und bleibt Renault eine europäische Marke, die auf den Geschmack europäischer Kunden abzielt. In China ticken die Kunden anders.

Der große E-Ratgeber
Jetzt hat Renault mit der Zoé bezahlbare Elektromobilität gewissermaßen erfunden, das Auto hat noch immer keine Konkurrenz. Wie geht es in diesem Segment weiter?

Wir haben das Modell 2012 vorgestellt, nächste Jahr endet die Produktion – also eine wirklich beeindruckende Karriere. Es gibt keinen direkten Nachfolger. Stattdessen konzentrieren wir uns auf den R5 und R4, darüber hinaus gibt es auf dieser CMFB-EV-Architektur ein Nissan-Derivat. Das ist technisch alles viel konsequenter auf Elektromobilität ausgerichtet als bislang, was sich natürlich positiv auf den Preis auswirkt. Leider kann ich jetzt noch nicht spezifischer. Klar ist aber auch: Der Preiskampf bei der E-Mobilität beginnt gerade erst – zum Vorteil der Kunden.

Noch ist allerdings der Verbrenner günstiger. Lässt sich der Preis eines E-Fahrzeugs wirklich auf dieses Niveau, sagen wir innerhalb der nächsten fünf Jahren, drücken?

Das ist das Ziel, ja. Der Zeitpunkt hat sich jedoch nach hinten verschoben. Das hängt mit den Preiserhöhungen einiger Rohstoffe, speziell Lithium, zusammen. Mit der Gründung unserer Tochtergesellschaft Ampere wollen wir diesen Prozess wieder beschleunigen, da die sich einzig auf die Entwicklung von E-Fahrzeugen konzentriert. Jedenfalls können wir dadurch in dem von ihnen genannten Zeitraum Elektromodelle auf den Markt bringen, die nicht mehr als ein Verbrenner kosten.

So ganz ohne Verbrenner wird es voraussichtlich in den nächsten zehn Jahren noch immer nicht gehen. Wie stellt sich Renault da auf?

Wir setzen hier sehr stark auf die Vollhybrid-Variante. Unserer Überzeugung nach ist das der richtige Schritt auf dem Weg zur vollständigen Dekarbonisierung. Nach Clio, Captur und Arkana E-Tech folgt nun im Austral, Espace und Rafale die zweite Generation dieses Antriebs. Beim Austral sehen sie anhand der WLTP-Angaben absolut wettbewerbsfähige Emissionswerte, die um bis zu 20 g/km unter denen der Konkurrenz liegen. Für die Übergangsphase von 2025 bis 2030 ist das klar der richtige Ansatz. Zudem rollen wir die 48-Volt-Mildhybrid-Technik aus.

Ist so ein Hybrid-Antrieb nicht furchtbar kompliziert und teuer?

Ja, das stimmt. Doch es lohnt sich. Wir halten mehr als 300 Patente auf diese Technologie, die Motor-Getriebe-Einheit zählt zu den effizientesten überhaupt. Aber auch hier gilt: Durch die Auslagerung der Antriebsentwicklung in ein Tochterunternehmen, in diesem Fall "Power", wird es uns gelingen, die Kosten zu drücken.

Unabhängig vom Antrieb: Wie muss sich ein neues Renault-Modell fahren? Was macht den Charakter eines Renault aus?

Ich glaube, dass wir hier inzwischen einen guten Kompromiss aus Komfort und Agilität gefunden haben. Mégane und Senic beispielsweise verfügen über eine recht direkt übersetzte Lenkung im Verhältnis 12,0:1 und die aufwändige Multilink-Hinterachse. Dennoch möchten wir uns hier von den etwas mehr auf Direktheit ausgelegten Wettbewerber aus Deutschland durch eine ausgeprägte Komfort-Note unterscheiden. Großbritannien mit seinen teils sehr schlechten Straßen ist hier ein herausfordernder Markt. Jedenfalls möchten wir diese Ausrichtung des Fahrcharakters beibehalten, gehen bei R4 und R5 klar in diese Richtung. Bei den Verbrenner müssen wir eher noch beim Antrieb etwas nacharbeiten, da geht es vor allem um die Schaltkomfort beim Getriebe. Beim Austral haben wir da schon Fortschritte gemacht.

Mit R5 und R4 beschwört Renault die glorreiche Vergangenheit. Die Ur-Modelle galten als revolutionär, selbst die erste Generation des Senic war vom Konzept außergewöhnlich. Kann Renault heute noch revolutionär sein?

Der neue Senic knüpft da schon mit einigen interessanten Details an, das Raumgefühl und das spezielle Glasdach zum Beispiel. Künftig werden wir eine interessante Mischung aus neu interpretierten Modellen mit großer Historie sowie gänzlich neuen Produkten haben, die durchaus revolutionär sein dürfen. Machen Sie sich da mal keine Sorgen. Unser Vorstandschef Luca de Meo hat uns als Auftrag geben, die Magie zurück in die Renault-Modelle zu bringen.

Neben besonderen Alltags-Fahrzeugen zählten auch besonders sportliche Modelle mit dem RS-Label zur Kompetenz der Marke. RS wurde gestrichen, Alpine soll es richten. Wie geht es da technisch weiter?

Für Alpine sind sieben neue Modelle verabschiedet, einige davon stehen auf einer eigenen Plattform. Wir investieren hier also viel. Das erste Produkt, dass sie sehen werden, ist der R5 Alpine…

…aber der hat Frontantrieb!

Das ist stimmt. Aber da kommen noch Modelle mit Allradantrieb und einer Fahrdynamik auf höchstem Niveau.

Und wie bekommen Sie das Gewichtsthema in den Griff?

Über die Materialien, natürlich. Beim Mégane nutzen wir schon viel Aluminium, beim Senic setzen wir das fort. Damit drücken wir das Gewicht, was neben der Aerodynamik einfach immens wichtig ist, um eine vernünftige Reichweite zu erzielen. Beim Senic wollen wir mindestens 610 km erreichen. Mit der größten, 87 kWh fassenden Batterie wird das Auto rund 1850 Kilogramm wiegen. Der VW ID.4 und das Tesla Model Y kommen da schon auf zwei Tonnen. Wir nutzen Aluminium beispielsweise auch für das Gehäuse der Batterien.

Bereitet das keine Probleme bei der Steifigkeit, vor allem bei sportlicheren Modellen?

Nein, da die Steifigkeit des Gehäuses zur Steifigkeit der Karosserie insgesamt beiträgt. Es ist wichtig, eine ausgewogene Steifigkeit des gesamten Rohbaus zu erzielen. Und das gelingt uns durchaus überzeugend.

Die 87 kWh-Batterie ist die bislang größte von Renault angebotene. Ist sie tatsächlich auch physisch größer als jene in einem Mégane? Oder hat sich die Energiedichte in der Zwischenzeit so verbessert, dass die Batterie nicht wachsen musste?

Die Energiedichte hat sich schon verbessert und hilft uns, die 87 kWh auf die 12 Module zu verteilen. Im Vergleich zum Mégane ist die Batterie nun 140 statt 120 mm hoch, dazu auch etwas länger.

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