Volkswagen Project Trinity (2028)
Prestige-Projekt liegt auf Eis und wird zum SUV

Volkswagen kommt mit seiner neuen Software-Architektur nicht in die Gänge. Deshalb verschiebt sich der Project Trinity erneut – und der neue VW-Konzernchef Oliver Blume ändert das Konzept.

VW Trinity 2026
Foto: VW

Der Trinity war ein Prestigeprojekt des alten VW-Konzernchefs Herbert Diess. Geplant war ein Flachboden-Elektroauto mit neuer Elektronikstruktur, neuem Betriebssystem und Level-4-Autonomie zu massentauglichen Preisen (siehe Fotoshow). Das erste Modell der ID.-Nachfolge-Generation sollte mehr als 700 Kilometer Reichweite nach WLTP bieten und eine Beschleunigung von 0 auf 100 km/h in unter fünf Sekunden ermöglichen. Der Marktstart war für 2026 anvisiert.

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Doch daraus wird nichts. Was bereits seit geraumer Zeit als Gerücht die Runde macht, scheint inzwischen festzustehen: Diversen Medienberichten zufolge wird der neue Konzernchef Oliver Blume, der Anfang September 2022 Herbert Diess in dieser Funktion ablöste, dem Aufsichtsrat am 15. Dezember mitteilen, dass sich der Trinity verschiebt. Und zwar auf 2028 – mindestens. Bevor das Serienmodell – zu dem VW einer aktuellen Pressemitteilung zufolge weiterhin steht – auf den Markt kommt, müssen erst jene Probleme gelöst werden, die Diess letztlich den Job gekostet haben.

Wann hat Cariad die Software fertig?

Allen voran: die Software. Die im März 2021 mit großen Ambitionen gestartete Unternehmenstochter Cariad schafft es nicht, rechtzeitig das konzerneigene Betriebssystem fertigzustellen. Übereinstimmenden Medienberichten zufolge soll dieses erst Ende des Jahrzehnts zur Verfügung stehen – also erst gegen 2030. Wobei die VW-Manager inzwischen vermeiden, offiziell Jahreszahlen zu kommunizieren, wann welche Software-Version fertig wird. Damit habe man in den vergangenen Jahren keine guten Erfahrungen gemacht, heißt es im "Handelsblatt".

An das Software-Thema schließt sich jenes des autonomen Fahrens an. Auch hier schwenkt Blume um: Dem Vernehmen nach trägt hier nicht mehr Audi die konzernweite Entwicklungsverantwortung. Die Marke sollte mit ihrem Projekt Artemis eine (mindestens) auf Level 4 selbstfahrende Elektro-Limousine entwickeln, die bislang als "Landjet" bekannt ist. Doch der neue Konzernchef hat die Hoheit über die Entwicklungen auf dem Gebiet des autonomen Fahrens inzwischen auf Volkswagens Nutzfahrzeugsparte übertragen, weil er das Potenzial selbstfahrender Robotaxis als höher einschätzt als jenes von hochautomatisiert agierenden Premiumautos in Einzelbesitz.

SUV statt flache Limousine

Da Volkswagens Trinity in dieser Hinsicht stets am Tropf des vorerst gekippten Audi-Projekts Artemis hing, scheinen hochgradig autonome Fahrfunktionen für ihn vorerst vom Tisch zu sein. Überhaupt bestand die Hauptaufgabe des "Leuchtturmprojekts" (Ex-VW-Markenchef Ralf Brandstätter) darin, die neue Elektronikstruktur und das Betriebssystem des Artemis vom Premium- ins Volumensegment zu übersetzen. Nun sieht es danach aus, als übernehme die Kernmarke stärker Verantwortung für den Trinity als bisher.

VW Trinity 2026 Brandstätter
VW
Ex-VW-Markenchef Ralf Brandstätter neben einem abgedeckten Auto, das das erste Modell des Trinity-Projekts sein sollte. Nun wird sich dessen Konzept wohl grundlegend ändern.

Doch damit nicht genug der Änderungen. Der Trinity wurde von Brandstätter einst als 4,70 Meter langer, dynamischer und flacher Fünfsitzer angekündigt, den "es so in unserer aktuellen Modellplatte noch nicht gibt". Erste Skizzen und das Foto eines abgedeckten Autos zeigten ein Modell mit flacher Heckscheibe und hoch liegender Abrisskante mit integriertem Spoiler. Die Assoziation: Die Silhouette eines Tesla Model 3 mit typischen Design-Anleihen der Volkswagen-ID.-Familie.

Zwickau statt Wolfsburg

Doch auch diesen Plan haben Blume und Co. inzwischen kassiert. Wie aus Konzernkreisen zu hören ist, wollen der Konzernchef und Brandstätters Nachfolger Thomas Schäfer lieber einen Trinity in SUV- oder Crossover-Gestalt, weil der Markt aktuell und in Zukunft solche Autos verlange und eben keine Limousinen.

Die ursprüngliche Trinity-Strategie sah einen teuren Werkneubau im Wolfsburger Stadtteil Warmenau vor – der scheint jetzt endgültig vom Tisch zu sein. Das sächsische Werk in Zwickau kämpft mit Auslastungsproblemen und übernimmt nach einem VW-Vorstandsbeschluss von Ende September 2023 ab 2028 die Produktion des Zukunftsmodells.

Rückblick auf den "alten Trinity"

Um zu verstehen, wie tiefgreifend die Strategieänderungen des neuen VW-Konzernvorstands rund um Oliver Blume sind, hilft ein Blick zurück auf die anfänglichen Planungen rund um den Marken-"Innovationsführer" (O-Ton Brandstätter). Die ursprüngliche geplante Markteinführung (2026) wurde bereits erwähnt. Zu diesem Zeitpunkt sollte der Trinity das Autonomie-Level 2+ erreichen, aber technisch bereits für Level 4 vorgerüstet sein.

Außerdem versprach Ex-Markenchef Brandstätter seinerzeit, das neue Modell werde in unter fünf Sekunden aus dem Stand auf 100 km/h beschleunigen, mit einer Batterieladung nach WLTP mehr als 700 Kilometer weit kommen und danach so schnell laden können, wie wir heute zum Tanken brauchen. Batterieseitig dürfte weiterhin die neue Akkugeneration mit der besonders günstigen "Einheitszelle" verwendet werden, die bis 2030 in bis zu 80 Prozent aller Elektroautos des Konzerns verbaut sein soll.

Auch SSP-Architektur verzögert sich

Der Trinity sollte eine hochmoderne elektrische 800-Volt-Flachboden-Plattform nutzen, die im Konzern unter der Bezeichnung SSP (Scalable Systems Platform) firmiert. Da sich diese ebenfalls verzögert, legt der Konzern extra eine weiterentwickelte Variante seines Modularen Elektroantriebsbaukastens (MEB) auf, den VW MEB+ nennt. Für den Trinity kommt diese dann bereits sehr betagte Plattform, die noch auf 400 Volt-Technik basiert, allerdings nicht infrage. Er soll weiterhin die SSP-Architektur nutzen.

Ob sich das Serienauto trotzdem in einem "sehr Volkswagen-typischen" Preis- und Volumensegment ansiedeln lässt, bleibt indes abzuwarten. Brandstätter brachte im Frühjahr 2021 einen Einstiegspreis von 35.000 Euro ins Spiel. Ob das angesichts der zuletzt aufgrund knapper Rohstoffe, außer Takt geratener Lieferketten und eines infolgedessen geschrumpften Angebots davon galoppierten Autopreise zu halten sein wird, erscheint aus heutiger Sicht allerdings mehr als fraglich.

Duesmann soll auf Blume-Linie sein

Im VW-Konzernvorstand soll inzwischen Konsens über Blumes Vorhaben herrschen. Selbst mit Markus Duesmann, der im Konzernvorstand die Markengruppe "Premium" leitet und gleichzeitig Audi-Chef ist. In dieser Funktion soll er anfangs naturgemäß nicht sehr begeistert darüber gewesen sein, dass beim Projekt Artemis der Stecker gezogen wird. Wie das "Handelsblatt" schreibt, soll Blume zudem vom Aufsichtsrat des VW-Konzerns Rückendeckung für seine Pläne in Sachen Trinity erhalten. Dann können die Umbauarbeiten in Wolfsburg ja bald losgehen. Gut so: Zeit ist schon genug davongelaufen.

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Fazit

Oliver Blume verliert keine Zeit: Nicht einmal ein Vierteljahr nach Herbert Diess' Abgang setzt er ein Lieblingsprojekt seines Vorgängers, den Trinity, auf null. Der Neuling sollte nicht weniger als der Startpunkt in eine neue Elektro-Ära der Marke Volkswagen sein, doch massive Verzögerungen vor allem bei der Software schieben es immer weiter nach hinten. Zwar hat VW ein klares Bekenntnis zum Trinity abgegeben, aber weil er später und völlig anders kommt als gedacht, muss VW zuvor eine Übergangsphase einläuten. Diese scheint Elektroautos hervorzubringen, die bekannte Namen wie Golf, Polo oder Tiguan tragen sollen. Abhängig von deren Erfolg und Zuschnitt wird VW irgendwann abwägen müssen, ob der Trinity als eigenständiges Modell überhaupt noch eine Zukunft im Wolfsburger Modellgeflecht hat.