Natrium-Ionen-Batterie von CATL (2023)
So gut ist die Billig-Batterie ohne Lithium

Der chinesische Batterie-Spezialist CATL, mit dem Hersteller wie BMW und Mercedes zusammenarbeiten, hat für 2023 eine neue Zellchemie angekündigt, die nicht nur ohne Kobalt und Nickel, sondern auch ohne Lithium auskommt. Anfang 2022 haben die Chinesen zudem offenbar ein Patent angemeldet, das die überschaubare Energiedichte der ersten Natriumbatterie um 25 Prozent steigern soll.

Natrium-Ionen-Batterie von CATL
Foto: CATL

Die Batterietechnik entwickelt sich rasant, Meldungen von Durchbrüchen bei Membranen oder Elektrolythen auf dem Weg zur Superbatterie kommen in immer kürzerer Folge, Forscher melden permanent neue Materialien für Kathoden- oder Anoden, die für mehr Reichweite, Sicherheit, Schnelllade- oder Leistungsfähigkeit sorgen sollen. Bisher gab es dabei nahezu immer eine Konstante: Lithium als das Material, das die in der Batterie zwischen den Elektroden pendelnden Ionen stellt.

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Ende Juli 2021 überraschte der chinesische Batterie-Riese CATL (Contemporary Amperex Technology) mit einer Meldung über seine neue Natrium-Batterie. In ihr wandern also Natrium-Ionen zwischen Kathode und Anode hin und her. Die vergleichsweise großen, aber nur einfach positiv geladenen Natrium-Ionen (Na+) sorgen für eine noch überschaubare Energiedichte (160 Wh/kg statt bis zu etwa 270 Wh/kg bei aktuellen Spitzen-Zellen).

Darum galt die Natrium-Zelle lange vor allem für Stationärspeicher als besonders geeignet. So hebt das bereits 2011 gegründete, britische Unternehmen Faradion die besonders hohe Be- und Entlade-Effizienz seiner Natrium-Zellen hervor, die mit 92 Prozent schon heute die EU-Ziele für Speicher erfüllen, die erst für 2030 gelten. Im Juni 2021 lizensierte Faradion seine Zelltechnologie für das schottische Unternehmen Amte Power Plc, das damit im großen Stil Stationärspeicher herstellen will.

Natrium-Ionen-Batterie von CATL
CATL
Wegen der überschaubaren Energiedichte der guten Kältefestigkeit sowie der hohen Sicherheit galten Natrium-Batterie als Lösung für Stationärspeicher. CATL verwendet Lithium-Eisen-Phosphat-Zellen für große stationäre Speicher.

Natrium-Zellen für Starterbatterien?

Bei der Be- und Entladeeffizienz kämen Blei-Säure-Batterien nur auf circa 70 Prozent. Kein Wunder also, dass die Natrium-Batterie als Ersatz für die klassische Starterbatterie in Autos attraktiv scheint. Professor Maximilian Fichtner vom Helmholtz Institut Ulm (HIU) weist darauf hin, dass der Markt der Bleibatterien in etwa so groß wie der für Lithium-Ionen-Batterien. Und dass Natrium-Batterien dafür auch deshalb gut geeignet sind, weil sie "sehr schnell sein können – wie man das ja beim Starten oder Aufladen im Pkw braucht".

Dafür würde den Natrium-Zellen auch ihre Temperaturfestigkeit helfen. Faradion gibt an, dass sie die Kapazität von minus 20 bis plus 60 Grad hervorragend halten.

Gleichzeitig sind Natrium-Zellen erheblich brandsicherer als herkömmliche Lithium-Ionen-Zellen: Den so genannten Nageltest (Penetration einer geladenen Zelle) bestehen sie ohne Flammenentwicklung. Zudem lassen sie sich auch völlig entladen transportieren. In dem Zustand ist das Risiko eines thermischen Durchgehens gleich Null.

CATL will Natrium-Akkus für E-Autos

CATL, inzwischen größter Batteriehersteller der Welt, will die vielen Vorteile der Natrium-Zellchemie auch in Akkus von Elektroautos nutzen und bereits 2023 in eine entsprechende Massenproduktion einsteigen. Die Natrium-Zelle von CATL soll sich ebenfalls durch hervorragende Kältefestigkeit (90 Prozent Kapazität bei minus 20 Grad) und sehr gute Schnellladefähigkeit (0 bis 80 Prozent in 15 Minuten) auszeichnen.

Batteriezellen lagern positiv geladene Teilchen (Kationen) zwischen den Kohlenstoffschichten der Anode ein. Die in herkömmlichen Lithium-Ionen-Batterien eingesetzten Graphit-Anoden kommen mit den Li2+Ionen klar, die größeren Na+Ionen können die Graphitstruktur hingegen beschädigen. CATL gibt an, man habe dafür ein hartes Kohlenstoffmaterial mit einer "einzigartigen porösen Struktur" entwickelt, das eine reichliche Speicherung und eine schnelle Bewegung von Natriumionen ermöglichen soll. Daraus resultiere die hohe Ladegeschwindigkeit.

Für die Kathode setzt CATL ein Material namens Preußisch Weiß mit der Summenformel NaxFey[Fe(CN)6]z ein. Es enthält also Natrium, Eisen und eine Kohlenstoff-Stickstoff-Verbindung; teurere Materialien wie Kobalt, Nickel aber auch Lithium fehlen demnach ganz. Trotzdem soll die besondere Struktur des Materials der Zelle ihre Zyklenfestigkeit bringen.

Natrium-Batterien mit großen Preisvorteilen

Experten schätzen den Kostenvorteil von Natrium-Zellen auf 30 bis 40 Prozent, CATL nennt perspektivisch sogar einen Preis von 30 Dollar pro Kilowattstunde, während Statista fürs Jahr 2021 noch von 97 Euro/kW (110 Dollar) ausgeht und für 2025 nur einen Rückgang auf 83 Euro prognostiziert (94 Dollar). 2025 kostete eine 50-kWh-Batterie demzufolge immer noch 4.150 Euro (4.700 Dollar, mit der CATL-Kalkulation wären es nur mehr 1.325 Euro (1.500 Dollar). Ein E-Auto für 15.000 Euro ohne Förderung wäre also kein Problem. CATL rechnet so, weil die verwendeten Materialien bei der Natrium-Batterie auch abgesehen vom nicht mehr benötigten Lithium erheblich günstiger sind – Natrium ist das sechsthäufigste Element auf der Erde und kommt vor allem in Salzen vor (z.B. Kochsalz, NaCl), zum Beispiel in Meerwasser. Aber in der Natrium-Zelle müssen nicht einmal die Elektroden aus Kupfer zu sein, sondern können aus Aluminium gefertigt werden, Nickel an der Kathode ist offenbar auch nicht mehr nötig. Hinzu kommt, dass die Zellen auf denselben Produktionsstraßen entstehen wie aktuelle.

Dr. Martin Ebener von Battrion sieht das als den entscheidenden Vorteil und gleichzeitig als den Grund, warum CATL sich nun scheinbar schneller auf die Serienproduktion von Natrium-Batterien (in E-Autos) zubewegt. Denn die wirkliche Herausforderung in Europa sei es, "eigenständige Zellproduzenten zu etablieren, die es schaffen konkurrenzfähige Zellen (Performance, Kosten, Lebensdauer, Sicherheit) in großen Mengen zu liefern und damit von den bestehenden Zellherstellern in Fernost unabhängig zu werden. Die Schwierigkeiten sind hauptsächlich operativer Art (Maschinen die funktionieren, Prozesse die stabil sind, Mitarbeiter die geschult sind, Kapital um aufzubauen, Abnahmeverträge etc.)". Wer die Zellproduktion beherrsche, könne die Zelltechnologie recht einfach wechseln, glaubt Ebner.

Natrium-Zellen bieten viel weniger Reichweite

Professor Maximilian Fichtner ist allerdings noch nicht sicher, wie schnell die Natrium-Batterie tatsächlich im Auto ankommt: Die Speicherkapazität reiche noch nicht an die der Lithium-Ionen-Batterien heran, bewege sich aber auf die Größenordnung von Lithium-Eisenphosphatzellen zu. Wie bei diesen sei auch mit Natrium-Zellen das so genannte Cell-to-Pack-Design möglich, so wie es der chinesische Autobauer BYD mit einem speziellen Aufbau (so genannte Blade-Batterie) macht. Dabei werden die Zellen nicht erst zu Modulen paketiert, um diese dann wiederum zu einem großen Akku zu kombinieren, sondern die erheblich größeren Zellen wandern direkt ohne Zwischenstruktur ins Batteriepaket. Werden die Zellen nicht mehr einzeln gepackt, spart das im Gesamtpaket Platz, was die Energiedichte des Akkusystems um 15 bis 20 Prozent erhöht, schätzt Fichtner. Als nächsten Schritt sieht der Forscher die so genannte Cell-to-Chassis-Technologie, die Batteriezellen als tragende Teile in die Karosse integriert. Das könnte weitere 40 Prozent bringen.

Berichten in chinesischen Medien zufolge (Car News China, Yiche) hat CATL am 13. Januar 2022 ein Patent, angemeldet, das die Energiedichte der Natrium-Batterie(zellen) verbessern könnte: Eine Metallbatterie ohne Anode. Das soll der Natrium-Batteriezelle zu einer Energiedichte von mehr als 200 W/kg verhelfen – das wären 25 Prozent mehr als bei dem im Juli vorgestellten Akku und käme in den Bereich von Lithium-Eisen-Phosphat-Akkus, deren Energiedichte BYD mit der Anordnung in der Blade-Batterie in den automotive-tauglichen Bereich gebracht hat. Zum Vergleich: Der Akku des Mercedes EQXX mit Silizium-Anode kommt als Gesamtpaket auf eine Energiedichte von 210 kWh. Dabei hilft, dass der Akku ohne Platz raubende und Gewicht bringende Flüssigkeitskühlung auskommt. 

Von der Energiedichte her konkurriert die Natrium-Zelle mit der im Vergleich zu herkömmlichen Lithium-Ionen-Batterien günstigeren Lithium-Eisen-Phosphat Batterie (LiFePO4), die auch als Stationärspeicher angefangen hat und beim Durchbohren nicht in Brand gerät. In Autos setzte BYD zuerst auf diese günstigere Zellchemie, Tesla verwendet in seinen Model 3 aus China LiFePO4-Zellen, der VW-Konzern setzt für seine Einstiegsmodelle (ID.2 und Derivate bei Seat sowie Skoda) darauf und selbst Mercedes hat die Verwendung für die Kompaktklasse auf Basis der MMA ab 2024 angekündigt. Allerdings fielen diese mit Kapazitätsproblemen bei niedrigen Temperaturen auf – bei der Natrium-Zelle hebt CATL ja gerade die Kältefestigkeit hervor. Auf dieser Grafik erklärt CATL, wo die Natrium-Zell im Vergleich zur LiFePO4-Zelle steht.

Natrium-Ionen-Batterie von CATL
CATL
Schon die erste Generation der Natrium-Zelle sieht CATL bei den meisten Eigenschaften bis auf die Energiedichte vor der Lithium-Eisen-Phosphat-Zelle oder gleich auf.

Jede Zellchemie hat unterschiedliche Vor- und Nachteile

Grundsätzlich hat jede Zellchemie Stärken und Schwächen. Das größte Manko der Natrium-Zelle ist die Energiedichte, sowohl volumetrisch als auch gravimetrisch. Allerdings muss man zwischen der Energiedichte einzelner Zellen und ganzer Akkus unterscheiden. Es deutet aber vieles daraufhin, dass sich Natriumzellen sehr effektiv und dicht packen lassen, allein schon, weil sie weniger Wärme entwickeln. Das heißt, ähnlich wie bei BYDs Blade-Batterie aus Lithium-Eisenphosphat-Zellen, dürfte sich die Energiedichte auf dem Weg von der Zelle zum Akku im Vergleich zu Lithium-Ionen-Akkus verbessern. Statt nur etwa 60 Prozent der Energiedichte von Lithium-Zellen zu erreichen, könnte der Natrium-Akku vielleicht auf 75 Prozent der Energiedichte von Lithium-Akkus kommen. Wo Natrium-Akkus jetzt schon besser sind als solche mit Lithium, ist die Leistungsdichte. Die Leistung der Batterie hat mit deren Innenwiderstand zu tun und gibt an, in welcher Zeit der Akku wie viel Energie abgeben kann, sprich: Wie schnell die Zellen Ionen bewegen können. Energie- und Leistungsdichte bilden bei der Entwicklung meist einen Zielkonflikt: Wenn die Strukturen in Anode und Kathode, die die Ionen abwechselnd einlagern, genug Platz bieten, um viele Ionen unterzubringen, wachsen meist auch die Wege, die die geladenen Teilchen zurücklegen müssen, entsprechend länger dauert die Wanderung.

Energiedichte versus Leistungsdichte

Übersetzt auf den Akku könnte man fiktiv und vereinfacht und sagen: Trüge der etwa 700 Kilogramm schwere 100-kWh-Akku eines Model S Natrium-Zellen, hätte er perspektivisch vielleicht nur 75 kWh Kapazität, könnte aber leer gefahren nach 15 Minuten wieder auf 60 kWh (80 Prozent) geladen sein und hätte dabei auch weniger Ladeverluste. Mit dem Verbrauch des Mercedes EQS 450+ (15,8 kWh) käme man dann rund 380 Kilometer weit.

Zum Vergleich: Alexander Bloch, der Chefreporter von auto motor und sport, konnte bei dem schwäbischen Luxus-E-Autos in 15 Minuten "nur" 300 Kilometer Reichweite laden. Um den Ladezustand von 6 bis 79 Prozent zu heben brauchte der EQS 450+ genau 32 Minuten. Im Praxistest kam der EQS außerdem 638 Kilometer weit und hatte danach noch 48 Kilometer Restreichweite. Damit hält der EQS derzeit die Lufthoheit über den Stammtischen, wenn es um die Gesamtreichweite geht. Die für die Reichweite mit einer Akkuladung maßgebliche Energiedichte stand bislang nicht umsonst bei der Zellentwicklung im Vordergrund. Allerdings auch, weil man von recht langen Ladezeiten ausgehen musste. Die von CATL genannte Ladezeit von 15 Minuten, um den Ladezustand von 0 auf 80 Prozent zu heben, dürfte nur für die Zelle gelten und ist natürlich längst kein Praxiswert für einen ganzen Akku in einem E-Auto.

Die Leistungsdichte der Natrium-Akkus würde natürlich nicht nur beim Laden, sondern auch beim Entladen auffallen: Die üppige Leistung der beiden Tesla-Motoren könnte er schneller bereitstellen bzw. könnte im Zweifel noch kräftigere Motoren versorgen. Außerdem würde er im Winter eine ähnlich hohe Kapazität haben wie im Sommer.

Hybrid-Akku soll Vorteile von Lithium- und Natrium-Zellen kombinieren

Um die mit der höheren Energiedichte von Lithium-Ionen-Zellen zu kombinieren, haben die Chinesen außerdem einen Akku mit gemischten Zellen erdacht. In der so genannten AB-Batterie sollen die Natrium-Zellen mit Lithium-Ionen-Zellen im Verbund arbeiten. Letztere sollen so die geringe Energiedichte der Natrium-Zellen ausgleichen, während die wiederum die Performance des Akkus bei niedrigen Temperaturen verbessern sollen. Eine ausgeklügelte Steuerung soll das für jede Zellart passende Batteriemanagement sicherstellen. Das ohnehin komplexe Batterie-System würde allerdings mit zwei unterschiedlichen Zelltypen noch deutlich komplizierter. Es zu beherrschen dürfte erheblichen Entwicklungsaufwand bedeuten.

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Fazit

Die Natriumbatterie punktet mit Sicherheit, Zyklen- und Temperaturfestigkeit, den einfachen Rohstoffen und entsprechend günstigen Kosten. Eine gute Leistungsdichte sorgt zudem für gute Schnellladefähigkeit und Schnelligkeit beim Abgeben von Energie. Von einer Serienproduktion ist sie aber mindestens noch zwei Jahre entfernt, selbst wenn die optimistisch wirkende Ankündigung von CATL realistisch ist. Außerdem patzt die Natriumzelle ausgerechnet bei der wichtigsten Disziplin: bei der für die Reichweite maßgeblichen Energiedichte.

Das reicht sicher nicht, um gleich das Erbe der Lithium-Batterie anzutreten, zumal das Profil der Natrium-Batterie sich schwer mit dem bestimmter Fahrzeuganwendungen in Deckung bringen lässt: Die Kosten sprechen für günstige Autos, die aus der geringen Energiedichte resultierende mutmaßliche Größe lässt sie hingegen für Kleinwagen weniger geeignet erscheinen. Die Leistungsfähigkeit passt zu kräftigen Fahrzeugen, die überschaubaren Reichweiten nicht zu Reisewagen.

Ein schneller Wechsel auf die neue Technologie als Alternative ist also nicht angesagt. Nicht umsonst haben sich die Chinesen gleich noch die AB-Batterie mit der Kombination von Natrium- und Lithium-Zellen ausgedacht. Angesichts der Komplexität dürfte die aber in noch weiterer Ferne liegen.

Die (angehenden) europäischen Zellproduzenten sollten die neue Zellchemie dennoch unbedingt im Auge behalten, denn sie lässt sich grundsätzlich mit den gleichen Verfahren herstellen wie Lithium-Ionen-Zellen. Dass diese in hoher Qualität und großer Menge in Europa entstehen, sollte das oberste Ziel sein. 

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Erscheinungsdatum 08.05.2024

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