Vernetzungs- und Infotainment-Test im BMW 3er
Aufgerüstet und abkassiert

Wie man gute Autos baut, wissen sie bei BMW schon länger. Heutzutage wird es jedoch immer wichtiger, dass sich Autos auch möglichst geschickt mit ihrer Umwelt vernetzen. Was BMW auf diesem Gebiet draufhat, haben wir im neuen 3er ausprobiert.

Der vielleicht überraschendste Elektronik-Clou am neuen 3er hat eigentlich gar nichts mit Infotainment zu tun: Beim Rückfahrassistenten handelt es sich um ein System zur Fahrerunterstützung, das beim Vorwärtsfahren jeweils die letzen 50 Meter speichert, um sie auf Knopfdruck rückwärts abzuspulen. Wer beispielsweise in einer engen Parklücke steht und sich beim Zurücksetzen unsicher fühlt, drückt einfach das Touch-Segment am Monitor und muss sich dann nur noch um Gas und Bremse kümmern. Der BMW lenkt exakt auf der Linie hinaus, auf der es vorwärts hineinging. Fahrer, die mit dem Parken ihre liebe Mühe haben, dürften das System schätzen. Es zeigt aber auch schön, wie sich aus vorhandenen Daten neue Funktionen gewinnen lassen – wenn man nur die Ideen dazu hat.

Unsere Highlights
BMW 3er, Interieur
Tyson Jopson
Das Bedienkonzept bietet verschiedene Eingabemöglichkeiten über den iDrive-Controller, Sprach- oder Gestensteuerung sowie direkte Eingaben über den Touch-Bildschirm.

Auf das Handy kommt es an

In der neuen Infotainment-Generation OS7 von BMW, die im X5 debütierte und jetzt mit dem 3er in die Großserie geht, stecken jede Menge solche Ideen. Das geht schon beim Einsteigen los: Wer ein aktuelles Smartphone mit NFC-Chip hat, kann diesen per BMW Connected App so konfigurieren, dass sich die Tür entriegelt, sobald das Handy an deren Griff gehalten wird. Legt der Fahrer das Smartphone anschließend in die dafür vorgesehene Ablage, lässt sich der 3er starten. Wer sein Handy ohnehin immer bei sich hat, lässt den Autoschlüssel zu Hause. Bis zu fünf NFC-Handys können zum Schlüssel gemacht werden, die Berechtigung, den Wagen zu benutzen, lässt sich per Mobilfunk an andere weitergeben – auch zeitlich begrenzt.

Das Ganze hat jedoch einen Haken, der zeigt, wie schwer sich Autohersteller beim Vernetzen tun: Da Apple den NFC-Chip seiner Handys nicht freigibt, können nur Android-Besitzer schlüssellos fahren. Was umso kurioser erscheint, da das Benutzen von Smartphone-Apps über den Bordmonitor wiederum lediglich per Apple CarPlay, sprich mit einem iPhone, geht. Hier schauen Android-Benutzer in die Röhre.

Immerhin braucht man im BMW kein USB-Kabel, um Apps auf dem Monitor zu spiegeln. Eine WLAN-Verbindung genügt, um während der Fahrt WhatsApp-Nachrichten zu diktieren, Apple Karten oder Google Maps zu nutzen oder die anderen Apps, die Apple bisher für die Smartphone-Integration zertifiziert hat. Liegt das iPhone in seiner Ablage, wird es gleich induktiv geladen und mit einer empfangsverbessernden Außenantenne gekoppelt. Die Navi-App auf dem iPhone kann so als Alternative zum Serien-Navi verwendet werden. Wer sich oft per Google & Co. lotsen lässt, muss beim Einstieg in den 3er nicht umdenken.

BMW 3er, Interieur
Tyson Jopson
Über eine NFC-Schnittstelle im Türgriff lässt sich das Auto auf- und abschließen, indem man das Smartphone daran hält.

Dabei lohnt sich die Benutzung der BMW-Navi, nicht nur aufgrund der übersichtlichen Streckenanzeige, der Echtzeit-Stauinfos und der vielen Zusatzanzeigen: Auch der Routing-Algorithmus wurde offensichtlich überarbeitet. Bevorzugte die BMW-Navi (wie viele andere auch) früher meist Durchgangsstraßen, bindet sie inzwischen kleinere Nebenstrecken in die Route ein – solange es schneller geht. Google Maps macht das längst und ist für viele die beste Navi-App. Doch BMW kann in diesem Punkt jetzt mithalten, wie längere Tests im Feierabendverkehr von Stuttgart und München zeigten.

Sag mal: „Hallo BMW“

Mit der Einführung des 3er hat BMW seinen Intelligenten Persönlichen Assistenten (IPA) freigeschaltet. Wie beim schwäbischen Konkurrenten („Hey Mercedes“) reicht die Aktivierung „Hallo BMW“, um den Sprachassistenten zu starten. Im Gegensatz zu üblichen Onboard-Systemen wird das Kommando auf BMW- Server geladen und ausgewertet, was die Bandbreite an Befehlen erhöht.

Tatsächlich verstand IPA beim Test nicht nur Navi-Adressen oder Telefonkontakte: „Spiele Dire Straits“ klappte ebenso wie „Wie weit kann ich noch fahren?“ oder „Stelle die Sitzheizung auf eins“. Da zwei Mikrofone im Dachhimmel eingelassen sind, merkt IPA auch, ob der Fahrer oder der Beifahrer die Sitzheizung aktivieren möchte. Allerdings dauerte es oft mehrere Sekunden, bis ein Befehl umgesetzt wurde. Andere Assistenten aus der IT-Welt wie Siri oder Alexa reagieren wesentlich schneller.

BMW 3er, Interieur
Tyson Jopson
Liegt das iPhone in seiner Ablage, wird es gleich induktiv geladen und mit einer empfangsverbessernden Außenantenne gekoppelt.

Musikwünsche erfüllt der Dienst Connected Music. Anders als beim früheren Online-Entertainment muss jetzt ein separates Abo mit Musikanbieter Deezer oder Napster abgeschlossen werden, Marktführer Spotify soll folgen. Im Connected- Music-Preis enthalten ist nur noch die Datenübertragung, und auch die ist wie bei vielen anderen Online-Funktionen von BMW zeitlich begrenzt: Bei Connected Music sind es drei Monate, anschließend müssen über den App-Store Abos abgeschlossen werden. Connected Package Plus enthält für 139 Euro im Jahr neben Echtzeit-Verkehrsinfos zum Beispiel den Sprachassistenten oder die Remote-App fürs Handy. Der digitale Autoschlüssel zum Teilen mit anderen liegt bei 80 Euro pro Jahr, CarPlay bei 109 Euro.

Das volle Online-Programm kostet nach einer Anfangsphase also leicht ein paar Hundert Euro pro Jahr – und das, obwohl der Fahrer für die Live Cockpit ConnectedDrive genannte Hardware schon 2.800 Euro Aufpreis bezahlt hat. Ob dies von allen altgedienten BMW-Fahrern akzeptiert wird, dürfte spannend werden. Zudem liefen die Dienste nicht immer einwandfrei. Mal bedurfte es eines Neustarts, um Apple CarPlay zum Laufen zu bringen, mal ließ sich Online-Music nicht nutzen. Und die Funktion On-Street Parking, die bei der Suche nach freien Stellplätzen hilft, konnte im Testzeitraum gar nicht aktiviert werden – trotz abgeschlossenem Abo.

BMW 3er, Interieur
Tyson Jopson
Der Rückfahrassistent fährt exakt die letzten 50 Meter zurück.

Die Grundidee, nach dem Autokauf mit Zusatzfunktionen Geld zu verdienen, ist ein Branchentrend, hier ist BMW nur weiter als viele Konkurrenten. Steuergeräte und Betriebssysteme müssen hierfür so flexibel aufgebaut sein, dass sie sich über Mobilfunk aktualisieren lassen. Das von Tesla eingeführte Update over-the-Air hat BMW konsequent umgesetzt und sämtliche Steuergeräte miteinbezogen. Der eigentliche Clou am 3er ist daher auch nicht der anfangs erwähnte Rückfahrassistent. Selbst die Fahrwerksabstimmung soll sich per Over-the-Air-Update nachträglich noch korrigieren lassen.

BMW 3er Infotainment-Ausstattung

Technische Daten und Ausstattung

Marke/Modell:

BMW 3er

Infotainment:

Live Cockpit Connected Drive

Hauptdisplay:

10,25 Zoll / 1920 x 720 px

Head-up Display:

11,5 Zoll / 2,5 m Bildabstand

Softwarestand:

OS7 (03/2019.48)

Bedienung: Touchscreen, Dreh-Drück-Steller mit Touchpad, Multifunktionslenkrad, acht touchsensitive Schnellwahltasten, kontextspezifische Gestiksteuerung mit sieben Gesten, Sprachsteuerung mit Online-Sprachanalyse (offboard).

Schnittstellen: USB, Bluetooth, WLAN, fest verbaute 4G-LTE-SIM-Karte, NFC, kabellose Apple-CarPlay-Integration.

Navigation und Online-Dienste: Karten- und Verkehrsdaten: TomTom, Here Mobilfunk-Provider (EU): Telekom.

Kosten pro Jahr Online-Dienste: On-Street-Parking (35 Euro), Online Entertainment (220 Euro), MS Office 365 (89 Euro), Wetter, BMW Online (39 Euro), RTTI (59 Euro), Apple CarPlay (109 Euro), ParkNow, Online-Fahrtenbuch (249 Euro), Remote Services (35 Euro). Gesamtkosten: 835 Euro

Hinweis: Apple CarPlay kann mittlerweile auch wieder unbegrenzt freigeschaltet werden. Zum Preis von 399 Euro.

Bewertung

  Telefonie

  Navigation

 Medien

 Smartphone-Integration

  Sonstige Online-Funktionen

 Sprachassistent

  Manuelle Bedienung

  Displays/Darstellung

 Preis

 Gesamt

  = sehr gut,  = gut,  = durchschnittlich,  = mangelhaft

Fazit

Alles drin – aber auf Dauer sehr teuer

Das große Infotainment-Paket Live Cockpit ConnectedDrive bietet eine riesige Zahl an Funktionen, die das Fahren einfacher, unterhaltsamer und informativer machen. Per Over-the-Air-Updates lassen sich die Dienste einfach aktualisieren sowie neue Apps anbieten. Obwohl BMW viel Hirnschmalz in die Bedienung gesteckt hat, bedarf es etwas Übung, um gewünschte Funktionen unterwegs sicher aufzurufen. Die Laufzeit vieler Online-Dienste ist zeitlich begrenzt. Angesichts von Preisen ab 40.000 Euro für den 3er wirkt es für uns jedoch unangebracht, nach einer Probezeit noch zig Abos abschließen zu müssen.