Brembo Sensify
So funktioniert die Bremse von morgen

Bremsen ohne Flüssigkeit, rein elektrisch, das ist die Idee hinter der Sensify-Entwicklung. Wir erklären, wie die Brake-by-Wire-Technik funktioniert und berichten von einer ersten Probefahrt.

Brembo Sensify
Foto: Brembo

Bremsen nur mit Kabel, ohne hydraulische oder mechanische Verbindung vom Pedal zum Bremssattel? Geht das? Klar, sagt Brembo. Seit Jahren entwickelt der renommierte Bremsenhersteller an seinem Sensify genannten System, das letztendlich Brake-by-Wire bedeutet. auto motor und sport konnte sich auf dem Testgelände Vairano überzeugen: Das System haut in die Eisen, als ob es um alles ginge. Dabei werden die Bremsbeläge von bürstenlosen Elektromotoren an die Scheiben gedrückt, je nach Fahrzeug und Radgröße auch an allen vier Rädern. Für sportliche Fahrzeuge mit großen Festsattelbremsen vorne kommen auch kurze hydraulische Leitungen als Kraftübertragung zum Einsatz, da die Aktuatoren keinen Platz in den Radschüsseln haben.

Unsere Highlights

So wie bei dem Tesla Model 3 Performance, den wir als Versuchsträger nutzen konnten. Nassbremsung, My-Split-Messung, Ausweichgasse, von 130 km/h auf 0, die Bremse funktioniert tatsächlich erstaunlich. Im Regelbereich des ABS-Systems fällt die ausgesprochene Ruhe auf, mit der die Bremsen agieren, in Kurven die Stabilität. Über gezielte Bremseneingriffe können sowohl Torque Vectoring als auch Handlingoptimierung vorgenommen werden, Traktionskontrolle und Notbremsassistenz funktionieren gefühlt eine Stufe besser als mit dem Serienauto, das wir zum Vergleich fahren konnten.

Brembo Sensify
Brembo

Testfahrt am Limit: Auf der nassen Piste zeigt der Tesla, was er kann.

Wie die Elektronik die Bremse steuert

Sensify kombiniert Brembos aktuelles Produktportfolio aus Bremssätteln, Scheiben und Bremsbeläge mit digitaler Technologie und künstlicher Intelligenz, um eine flexible Plattform zu schaffen, die mit Software, Vorhersagealgorithmen und Datenmanagement das Bremssystem digital steuert. Dabei arbeitet an der Vorderachse ein klassisches Hydrauliksystem, das elektrisch angesteuert wird. An der Hinterachse unterstützt eine rein elektromechanische Bremsanlage. Neu sind die elektronischen Komponenten. Das herkömmliche Bremspedal steuert keinen hydraulischen Bremskreislauf mehr, sondern einen Aktuator, der die Pedalbewegung in einen Bremsvorgang übersetzt. Die Signale des Aktuators verarbeiten dabei zwei Steuergeräte – für jede Achse eines. An der Vorderachse steuert die Elektronik eine Hydraulikeinheit, die dann via herkömmlicher Bremsleitung den Bremssattel ansteuert. An der Hinterachse wird direkt ein elektrischer Stellmotor an der Bremszange angesteuert. Für den Fahrer und sein Bremsgefühl soll sich dabei nichts ändern.

Brembo Sensify
Brembo
Das Sensify-System im Überblick.

Tritt er ins Pedal, so erkennt die Elektronik den Bremswunsch und leitet ihn unter Einbeziehung aller fahrrelevanten Daten (und vorausschauenden Algorithmen) an die Bremssättel weiter. Der eigentliche Bremsvorgang wird dann innerhalb von nur 100 Millisekunden eingeleitet. Die Bremskraft kann dabei jedem Rad selektiv zugewiesen werden. Bei kleineren Autos kann das Sensify-Bremssystem auch an der Vorderachse mit rein elektromechanischen Sätteln ausgelegt werden. Für größere Autos ist aufgrund der notwendigen Bremskraft für die höhere Masse der hydraulische Zwischenschritt notwendig, weil die Stellmotoren nicht die notwendige Kraft aufbringen.

Die Vorteile & Nachteile von Brembo Sensify

Für Hersteller bieten sich neben der besseren Performance zahlreiche Vorteile. Beim vollelektrischen System fällt das Thema Bremsflüssigkeit weg. Montage, Umweltbelange und Wartung werden so günstiger. Außerdem sparen die elektrischen Bremszangen Energie, da die Beläge nicht an den Scheiben anliegen müssen. Pro Rad ein paar Nm, das addiert sich. Der Platzbedarf ist gering, die Anpassung ans Fahrzeug schneller. Nachteil: Eventuell ein mulmiges Gefühl, da es keine mechanische Verbindung gibt.

Das Sensify-System gibt den Autobauern mehr Entwicklungsfreiheit, da die Systemkomponenten viel freier im Fahrzeug platziert werden können. So lassen sich Anpassungen, wie etwa bei behindertengerechten Umbauten leichter umsetzen. Zudem erlaubt die elektronische Bremsansteuerung verschiedene Brems-Modi, wie man sie aktuell schon von Fahrprogrammen kennt. So könnte sich jeder Fahrer ein individuelles Pedalgefühl konfigurieren. Und über Over-the-Air-Updates wäre das Bremssystem softwareseitig immer auf dem aktuellsten Stand.

Nachteil: Eventuell ein mulmiges Gefühl, eben weil es keine mechanische Verbindung gibt. Psychologischer Natur also.

Ab 2024 in Serie

Auf die Straße kommen soll das Brembo Sensify-Bremssystem voraussichtlich ab 2024. Welche Autos dann neben dem Versuchs-Tesla noch mit der Technik ausgerüstet sind, ließ Brembo noch offen.

Fazit

Brembo setzt bei seinem Sensify-Bremssystem auf eine reine Break-by-Wire-Steuerung. Das System soll schneller reagieren, kürzere Bremswege erlauben und zudem umweltfreundlicher im Betrieb sein.