Faszinierende Motoren
Von 0,01 kW bis 108.879 PS und 7,6 Mio. Nm

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Präzise interagierende Mechanik, charaktervolle Kraftentfaltung, äußerst ausdauernde Leistung und oft auch Gänsehaut generierender Sound – es gibt viele Verbrennungsmotoren, die technikbegeisterte Menschen in ihren Bann ziehen.

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Foto: Ford, Cox Engines, Mercedes-Benz, Viktor Baumann Schwertransporte

Das Spiel mit dem Feuer hat Menschen seit jeher begeistert – die Faszination, den Dämon gespeicherter Energie freizusetzen und zu beherrschen. Die Kunst bestand darin, Feuer als Werkzeug zu nutzen: Seine Wärme zum Heizen und Kochen ermöglichte erst die Besiedelung unwirtlicherer Gegenden, die keimtötende Wirkung abgekochten Wassers verminderte dazu wirksam die Ausbreitung von Infektionen und Krankheiten. Feuer machte die Gewinnung und Verarbeitung von Metallen erst möglich und legte so den Grundstein, über weiterentwickelte Gerätschaften und Maschinen die zunächst vornehmlich in Holz und Kohle gespeicherte Energie auch zu anderen Zwecken zu gebrauchen.

Unsere Highlights

Über die wenig effizienten Dampfmaschinen führte der Weg letztlich zum Verbrennungsmotor, der seit den 1850er-Jahren zunächst mechanisch in Sachen Haltbarkeit, Gebrauchstauglichkeit und Leistung, in den letzten Jahren vermehrt in Richtung Schadstoffarmut und Effizienz optimiert wurde.

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Ford, Cox Engines, Mercedes-Benz, Viktor Baumann Schwertransporte
Der Rennwagen Blitzen-Benz durchbrach im Jahr 1909 mit 200 PS aus 21,5 Litern Hubraum erstmals die 200-km/h- Marke. Zur Literleistung kommen wir später

Dennoch: Reduziert auf das Wesentliche, nutzen die technischen Meisterwerke heutiger Motorenbaukunst nichts anderes als die domestizierte Kraft des Feuers, um Arbeitsmaschinen anzutreiben, Autos, Schiffe zu bewegen oder um Flugzeuge abheben zu lassen. Aus dem Streben, die in Kraftstoffen gebundenen Energien zielgerichtet und effizient in Leistung umzusetzen, sind faszinierende mechanische Kunstwerke entstanden.

Welche das sind, was sie leisten und weshalb wir in diesen Maschinen etwas Besonderes sehen, haben wir für Sie zusammengetragen.

Am Anfang war – die Standuhr

Der größte, der kleinste, der stärkste, der sparsamste und – natürlich der erste Verbrennungsmotor der Geschichte dürfen dabei keinesfalls fehlen.

Den meisten fallen dabei die Namen Nikolaus Otto, aber auch Carl Benz ein, dessen Ehefrau Bertha mit ihren Söhnen und dem von ihrem Mann entwickelten Motorwagen bereits 1888 die 104 Kilometer lange Strecke von Mannheim nach Pforzheim in rund 13 Stunden zurücklegen konnte.

Die beiden deutschen Erfinder und Ingenieure waren jedoch nicht die einzigen, und schon gar nicht die ersten, die am Verbrennungsmotor forschten. Schon ein Vierteljahrhundert vor Bertha Benz fuhr der belgische Erfinder Étienne Lenoir 1863 in seinem "Hippomobile" neun Kilometer von Paris nach Joinville-le-Pont – einem Pariser Vorort – und zurück. Statt mit Benzin wurde Lenoirs Motor mit einem Treibstoff auf Terpentinbasis angetrieben, der im Gegensatz zum damals verbreiteten Dampfmaschinenverfahren nicht unter einem Wasser-Druckkessel, sondern direkt auf den Kolben wirkend, jedoch bei Umgebungsdruck, verbrannt wurde. Lenoir hatte bereits Erfahrung mit stationären Gasmotoren, die über das Erdgasnetz großer Städte gespeist wurden. Erst durch die im Hippomobile erstmals eingesetzte Vergasertechnik konnte der flüssige Kraftstoff mitgeführt, effizient verbrannt und so der Motor netzungebunden eingesetzt werden. Ein Verfahren, das den Verbrennungsmotor erstmalig mobil machte. Von einer Serienreife blieb das Hippomobile jedoch weit entfernt: Es war zu schwer, zu schwach und mit 6 km/h kaum schneller als ein Fußgänger. Hier brachte es der Patent-Motorwagen von Carl Benz 25 Jahre später bereits auf 16 km/h.

Doch bis dahin war es noch ein weiter Weg: Der Deutsche Nikolaus August Otto experimentierte bereits in den 1860er-Jahren mit Nachbauten von Lenoirs Motoren und ließ sich daraufhin mit seinem Bruder Wilhelm den als Vergaser besser geeigneten Spiritusverdampfer patentieren. Fast parallel zu dieser Entwicklung etablierte sich das Viertaktprinzip, das es erlaubt, den in gasförmigem Zustand vorliegenden Kraftstoff zusammen mit der Umgebungsluft vor der Entzündung zu verdichten, um so den Wirkungsgrad zu steigern. Zwar sind für diesen Prozess, im Unterschied zu den bisherigen Einzylinder-Zweitaktkonzepten, zwei Kurbelwellenumdrehungen pro Arbeitstakt notwendig; die Energieausbeute ist jedoch deutlich höher.

Mit der höheren freigesetzten Energie hatten die ersten Motoren nach diesem Prinzip mit ihrem hoch aufbauenden, senkrecht stehenden Zylinder noch ihre Probleme: Sie flogen ihren Erbauern sprichwörtlich um die Ohren. So dauerte es bis 1876, bis der erste funktionsfähige Viertaktmotor in der Gasmotoren-Fabrik Deutz AG produziert werden konnte. Ansaugen, Verdichten, Arbeiten und Ausstoßen, nach diesem Prinzip funktioniert heute die überwältigende Mehrheit der Verbrennungsmotoren.

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Ford, Cox Engines, Mercedes-Benz, Viktor Baumann Schwertransporte
Wegen ihres hoch aufbauenden, senkrecht stehenden Zylinders wurden die ersten Viertakt-Verbrennungsmotoren auch Standuhren genannt. Sie flogen ihren Erfindern häufiger um die Ohren

Mit Motoren zu Rekorden

Bevor wir jedoch in die unendlichen Weiten leistungsstarker Viertaktmotoren abtauchen, sollen die Kleinen zu Wort kommen, und das sind häufig Zweitaktmotoren.

Immer dann, wenn es um geringes Gewicht, einfache Bauart, lageunabhängigen Betrieb (ein Zweitaktmotor mit Gemischschmierung läuft, weil ohne Ölwanne, problemlos kopfüber) und hohe Leistungsdichte geht, sind die hochdrehenden Hubraum-zwerge mit von der Partie.

Ob Kettensägen oder Rasentrimmer, Modellautos und -flugzeuge, Mopeds oder Cross-Motorräder, der Zweitakter ist in diesen Bereichen recht verbreitet. Der kleinste und leichteste ist dabei ein Modellflugzeugmotor, das Modell Tee Dee der amerikanischen Marke Cox. Mit 0,16 cm³ Hubraum und einem Gewicht von 14,175 Gramm erreichte er bei einer Drehzahl von 32 000/min rund 0,01 kW.

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Nur 14 Gramm schwer ist der kleinste Verbrennungsmotor der Welt. Der Modellflugzeugmotor der amerikanischen Marke Cox erreichte mit einem Hubraum von 0,16 cm³ bei 32.000/min rund 0,01 kW

Der 39 mm hohe und 30 mm lange nach dem Diesel-Prinzip zündende Glühkerzenmotor wird mit einem Nitromethangemisch betrieben und nach einer Vorglühphase mit externer Stromversorgung durch einen Wendelfeder-Schnellstarter von Hand gestartet.

Leistung für Kolosse

Auf der anderen Seite unserer Größenskala findet sich ein wahres Hubraummonster wieder. Der RTA96-C des finnischen Herstellers Wärtsilä-Sulzer schöpft aus 25.480 Litern Hubraum ganze 108.879 PS.

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Ein Teilstück des Motors RTA96-C von Wärtsilä-Sulzer. Der Schiffsmotor holt aus 25.480 Litern Hubraum ganze 108.879 PS. Das Gesamttriebwerk ist 14 Meter hoch, 30 Meter lang, 2.300 Tonnen schwer und treibt Containerschiffe an

Der gewaltige 14-Zylinder-Zweitakt-Dieselmotor ist 14 Meter hoch, 30 Meter lang, 2.300 Tonnen schwer und wuchtet bei entspannten 102 Umdrehungen pro Minute 7,6 Millionen Newtonmeter auf die gigantische, allein 300 Tonnen schwere Kurbelwelle. Was damit angetrieben wird? Eines der größten Containerschiffe der Welt, die 398 Meter lange und 56 Meter breite Emma Maersk. Ihr 135 Tonnen schwerer Antriebspropeller misst 9,6 Meter im Durchmesser und beschleunigt das Schiff auf eine Maximalgeschwindigkeit von fast 50 km/h.

Doch darauf kommt es nicht an. Bei Seetransporten zählen vornehmlich Effizienz und Preis. Und dafür muss der Motor äußerst sparsam arbeiten. Zwar verbraucht er bei Höchstgeschwindigkeit rund 28.475 Liter Schweröl pro 100 Kilometer, umgerechnet auf die Transportkapazität ist das aber vergleichsweise wenig. Zwei Tonnen Ladung, das Gewicht eines beladenen Mittelklasse-Autos, reisen so schon mit weniger als 0,4 Litern Verbrauch 100 Kilometer über die Meere. Dieser größte Motor ist somit zeitgleich Meister der Bescheidenheit. Dank ausgeklügelter Kraft-Wärme-Kopplung und Abgaswärme-Rückgewinnung, bei der die heißen Abgase des Motors über Turbinen und Generatoren weitergenutzt werden, erreicht der Antrieb einen Wirkungsgrad von rund 55 Prozent. Ein Wert, von dem selbst die effizientesten Pkw-Dieselmotoren noch gut zehn Prozent, Benziner eher 20 Prozent entfernt sind.

Sportlicher Antrieb

Weniger auf Effizienz, dafür mehr auf geringes Leistungsgewicht ausgelegt sind Sport- und Rennmotoren. Entscheidend ist hier die Literleistung, das heißt, wie viel Leistung der Motor aus einem Liter seines Gesamthubraums bereitstellt. In der Königsklasse, der Formel 1, setzt man seit 2014 auf 1,6-Liter-V6-Turbomotoren, die anfangs im Renneinsatz um die 600 PS leisten. Das Hybridsystem ERS steuerte damals 163 PS bei. Heute stellt die Kombination aus Verbrenner und Elektroantrieb kurzzeitig bis zu 1.000 PS Leistung zur Verfügung. Die verbrennungsmotorische Literleistung der Boliden: zwischen 375 und 430 PS, die Motorlebensdauer ist dafür entsprechend begrenzt.

Davon sind die vergleichsweise dauerhaltbaren Straßenmotoren weit entfernt. Und wenn, dann sind es Triebwerke vom Schlage eines Ferrari oder Lamborghini, die solche Literleistungen erreichen – könnte man meinen. Von wegen! Spitzenreiter ist hier der vergleichsweise unauffällige Mercedes-AMG A 45.

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Der Mercedes-Kompaktsportler AMG A 45 quetscht serienmäßig bis zu 421 PS aus 1.991 Kubikzentimetern Hubraum. Das entspricht einer Literleistung von 211 PS

Der Kompaktsportler quetscht aus 1.991 Kubikzentimetern stramme 421 PS, was einer Literleistung von immerhin 211 PS entspricht. Exoten wie der McLaren Senna oder der Ferrari 488 Pista müssen sich mit Literleistungen von 200 respektive 184 PS dahinter einreihen.