Kreiskolben als Range Extender
Comeback des Wankelmotors

Während immer weniger Plug-in-Hybriden verkauft werden, bringt Mazda ein E-Auto mit Wankelmotor als Range-Extender auf den Markt. Ist das die Wiederauferstehung des Kreiskolbenmotors? Sechs Fragen zur neuen/alten Technik.

Der erste Wankelmotor befeuerte vor 60 Jahren ein deutsches Auto – den NSU Wankel Spider. Bekannter wurde hierzulande später der NSU Ro 80 (siehe Galerie). Damit ist die deutsche Wankel-Geschichte in der Großserie schon erzählt. Doch vor allem bei Mazda in Japan schien man eine Vorliebe für diesen außergewöhnlichen Antrieb zu haben. Dort hat der Kreiskolbenmotor eine lange Tradition, die mit dem neuen MX-30 R-EV nun fortgeführt wird. Wie, bis wann und warum? Wir stellen die wichtigsten Fragen zur Technik.

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Was genau ist ein Wankelmotor?

Es gibt ein prinzipbedingtes Problem beim klassischen Hubkolbenmotor: Gebraucht wird eine Drehbewegung, was der Motor liefert, ist aber eine Hubbewegung. Also muss diese aufwendig über eine – mit steigender Zylinderzahl – virtuos geformte Kurbelwelle in eine Drehung umgewandelt werden. Der sogenannte Kreiskolbenmotor braucht – ähnlich wie ein Elektromotor – diese Umsetzung nicht, er liefert an der Welle direkt eine Drehung.

Die Verbrennungsenergie setzt sich ohne Umwege direkt in Antriebsenergie um. Außerdem entfallen die Ventile für den Gaswechsel. Das macht die Konstruktion leichter und kompakter. Lästige Vibrationen fallen dadurch ebenfalls weg. Ein geschmeidiger, turbinenartiger Lauf entsteht. Die vier Arbeitsschritte des Ottomotors bleiben aber: Ansaugen, Verdichten, Zünden und Auslassen. Sie finden eben während einer Drehung statt. Anstatt mehr Zylindern gibt es beim Wankelmotor mehr Scheiben. Im Gegensatz zum Viertakthubkolbenmotor hat der Wankelmotor keinen Leertakt (der Kolben geht die Hälfte des Weges, ohne Arbeit zu verrichten) und gibt deshalb bei jeder Exzenterwellenumdrehung pro Kammer Leistung ab. Deshalb verdoppelt man das Kammervolumen, um das sogenannte Arbeitsvolumen zu erhalten. Dies ist ein Äquivalent und damit direkt vergleichbar zum Hubraum eines Viertakt-Hubkolbenmotors.

Was waren/sind die Probleme des Wankelmotors?

So laufruhig der Motor ist, so anfällig ist er. Wegen der ungünstig geformten Brennräume mit großen, wärmeabführenden Flächen liegt der thermische Wirkungsgrad niedrig und damit auch das Emissionsverhalten. Auch eine schwierige Schmierung setzt dem Motor immer wieder zu. Prinzipbedingt hat der Wankelmotor einen höheren Benzinkonsum als ein Hubkolbenmotor. Siehe frühe Modelle wie den Cosmos.

Ro-80-Fahrer begrüßen sich der Legende nach mit erhobenen Fingern. Jeder Finger steht dabei für einen Austauschmotor. Wenn das Triebwerk läuft, benötigt es mindestens 16 Liter auf 100 Kilometer. Spätestens nach der ersten Ölkrise ist dieser Wert zu hoch für ein Alltagsfahrzeug.

Die Haltbarkeitsprobleme des Wankel bekommt Mazda ab 1978 im RX-7 in den Griff. Der kleine Sportwagen mit einem 1,2-Liter-Wankel hat 105 PS und wird schnell zum Publikumsliebling. Doch der Verbrauch von mindestens 15 Litern auf 100 Kilometer und ein hoher Ölverbrauch von einem Liter auf 1.000 Kilometer stören weiterhin massiv. Anfang 1981 überarbeiten die Japaner den RX-7, der Motor leistet nun 115 PS. Vom ersten RX-7 baut Mazda 474.565 Exemplare. Kein anderes Wankel-Modell wurde häufiger gebaut. Es folgt der RX-8, der laut auto motor und sport mit 14,7 L sogar mehr als die 14,1 des RX 7 verbraucht. Daher ist mit der Einführung der Euro-5-Abgasnorm in Europa für den RX-8 2011 Schluss. Seitdem warten Fans des Rotationskolben-Motors auf eine Renaissance.

Wieso muss es im MX 30 denn unbedingt wieder ein Wankelmotor sein?

Weil der Wankel bei einem Plug-in-Hybriden die Komfortprobleme eines Hubkolbenmotors lösen kann. Jedes mal wenn dieser einsetzt, fällt er durch sein Geräusch wie auch durch seine Vibrationen auf. Der Wankelmotor hatte dagegen zeitlebens seinen seidenweichen Lauf – ohne dass er gleich sechs Zylinder einsetzen musste.

Daher sieht Mazda ihn als idealen Range Extender-Motor für den neuen MX-30. Er muss nicht direkt antreiben, sondern gleichmäßig effizient Strom generieren. Der Motor braucht wenig Platz, der ja schon vorgehalten wurde und er läuft ruhig. Aber was ist mit Kraftstsoff- und Ölverbrauch? Wie bei quasi allen thermodynamischen Motoren entsteht der hohe Verbrauch vor allem dann, wenn man sie außerhalb ihres sweet spots und bei sehr hohen Drehzahlen einsetzt. Der neue Motor kann zwar bis zu 9000/min drehen, soll aber während der Fahrt vor allem bei einer konstanten Drehzahl gleichmäßig Strom generieren.

Wieso ist der Motor so klein?

Der neue Motor hat nur ein Kammervolumen von 830 cm³ – aber Vorsicht, da es eben keinen Leertakt beim Wankel gibt, muss dieses als Arbeitsvolumen verdoppelt werden, und es ergibt sich ein 1,7_Liter-Motor. Der ist damit sogar größer als bei vielen Plug-in-Hybriden wie zum Beispiel VW. Der äquivalent große 1,7-Liter-Motor muss aber nur 75 PS erzeugen. Der neue Wankel arbeitet mit einer Benzin-Direkteinspritzung sowie einem hohen Verdichtungsverhältnis von 11,9:1 – beides verbessert den Wirkungsgrad des Motors deutlich.

Ergänzend wurden zahlreiche Maßnahmen umgesetzt, um die Reibungsverluste zu reduzieren. Zur weiteren Steigerung der Effizienz kommt zudem ein Abgasrückführungssystem (AGR) zum Einsatz. Die Abgase werden von einem geregelten Dreiwegekatalysator und einem dahinter angeordneten Otto-Partikelfilter von gasförmigen und festen Schadstoffen nahezu vollständig befreit. So erfüllt der Mazda MX-30 e-Skyactiv R-EV problemlos die derzeit
strengste Abgasnorm Euro 6d-ISC-FCM inklusive Realemissionstest (RDE) auf der Straße. Zu Erinnerung: Der RX-8 scheiterte an Euro 5.

Früher rund 15, heute nur 1 Liter pro 100 km – wie soll das gehen?

Durch die Plug-in-Formel des WLTP und 85 Kilometer rein elektrischer Reichweite aus einem 17,8 kWh großen Akku. Im gewichteten WLTP-Zyklus für Plug-in-Hybridfahrzeuge verbraucht der Mazda MX-30 e-Skyactiv R-EV lediglich 1,0 Liter Benzin je 100 km, was CO₂-Emissionen von 21 g/km entspricht. Hinzu kommt allerdings ein WLTP-Stromverbrauch von 17,5 kWh je 100 km.

Setzt man die Restreichweite von 680 km in Bezug zum 50-Liter-Tank ergeben sich jedoch 7,3 L reiner Verbrenner-Verbrauch. Selbst das scheint aber im Vergleich zu früheren Mazda-Wankel-Modellen noch sehr sparsam zu sein.

Wie hoch dreht ein Wankelmotor?

Das eigenartige Klangbild des Wankelprinzips mit dem hochfrequenten, turbinenartigen Lauf ohne scheinbare Massenunruhe suggeriert extrem hohe Drehzahlen. Und tatsächlich brauchen Wankelmotoren höhere Drehzahlen, um ein zeitgemäßes Drehmoment aufzubringen. Im RX-8 waren das 5.500 Umdrehungen pro Minute für 211 Newtonmeter. Erst bei 8.200 Touren war die volle Leistung von 231 PS verfügbar. Der Begrenzer setzte bei 9.000 Umdrehungen ein.

Le Mans Classic 2023 - Mazda 787B
BRUNO VANDEVELDE / MPSA

Gewinner des 24-Stunden-Rennens von Le Mans (1991): Mazda 787B mit Vierscheiben-Wankelmotor und 700 PS bei 9.000 Touren.

Legendär war der Sound des Mazda 787B, der 1991 das 24-Stunden-Rennen von Le Mans gewann. Dessen Vier-Rotor-Wankelmotor schickte bei extrem lauten 9.000 Touren ganze 700 PS zu den Hinterrädern. Bis zu 11.000 Umdrehungen pro Minute waren möglich. Der neue Range-Extender-Wankel im Mazda MX-30 hat da ein stressfreieres Leben. Er erreicht seine maximale Leistung bereits recht früh, die 55 kW/75 PS liegen bei 4.700 U/min an. Das maximale Drehmoment von 116 Nm steht bei 4.000 U/min zur Verfügung.

Fazit

Der Wankelmotor feiert im Mazda MX-30 seine Rückkehr als Range Extender. Wir erklären die Technik im Detail.

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AUTO MOTOR UND SPORT 11 / 2024
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Erscheinungsdatum 08.05.2024

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