Werkstatt-Tipp
So tauscht man Bremsbeläge

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Ja, Arbeiten an Bremsen sind sicherheitsrelevant und offiziell Meistersache. Andererseits gehört der Bremsbelag-Tausch zu den einfachen Übungen – sollte aber nur von fachkundigen Schraubern erledigt werden.

Bremsbeläge erneuern, Rad abnehmen
Foto: Hardy Mutschler

Nein, ich möchte niemanden umbringen, verletzen oder zu Dingen verleiten, die ihn eventuell in missliche Situationen bringen können. Das Thema "Bremsanlage" ist daher eine ganz besonders heikle Angelegenheit.

Um es gleich zu Beginn sehr deutlich zu sagen: Die Bremsanlage am Auto soll die Insassen und die übrigen Verkehrsteilnehmer schützen und muss immer und unter allen Umständer hundertprozentig funktionieren. Der Fahrer muss sich darauf verlassen können, dass er im Notfall über eine einwandfreie Bremse verfügt und sein Fahrzeug im Ernstfall rechtzeitig zum Stillstand bekommt. Hobby-Schrauber sollten daher nur dann Arbeiten an der Bremsanlage vornehmen, wenn sie wirklich genau wissen, was sie tun. Ansonsten ist es besser, den Job einer Fachwerkstatt zu überlassen.

Da wir gerade bei Vorreden sind: Vielen Dank an dieser Stelle an die Leute, die mir über sämtliche Kanäle immer Feedback gegeben haben. Dazu ein paar Anmerkungen. Natürlich schraube ich ohne Handschuhe – aus zwei Gründen: Erstens, weil eine Allergie gegen Weichmacher (Phenoxethanol) vorliegt (macht hässliche Pocken im Gesicht), und zweitens, weil es "ohne Gummi" einfach das bessere Gefühl vermittelt.

Und ja, meine Geschichten basieren ebenso auf einer voll ausgestatteten Werkstatt wie auf Kenntnissen, die ich auf der Straße gesammelt habe. Eine Mischung aus Wissen und Improvisation also, meist mit einfachen Mitteln und nicht immer unter Einhaltung aller Vorschriften.

Leicht machbar für geübte Schrauber

In dieser Ausgabe geht es um das Wechseln von Verschleißteilen einer 08/15-Scheibenbremsanlage, wie sie in nahezu jedem Kfz (zumindest an der Vorderachse) im Einsatz ist. An der Hinterachse (und bei sehr alten Autos auch an der Vorderachse) sind oft noch Trommelbremsen verbaut. Um diese kümmern wir uns im heutigen Zusammenhang nur am Rande.

Der Bremsbelagwechsel für besagte Scheibenbremsanlage ist mit einem handelsüblichen Wagenheber plus Sicherung, gängigem Werkzeug, Kupfer-, Alu- oder Keramikpaste und natürlich neuem Material stemmbar. Gewechselt werden sollte rechtzeitig und nicht erst, wenn ein schabendes Geräusch vermeldet, dass nun der Bremsbelag vollständig abgetragen ist und Metall auf Metall bremst. Das ist nicht nur fahrlässig und gefährlich, sondern auch ärgerlich, weil jetzt auch neue Bremsscheiben fällig sind.

Leck? Akute Fehlersuche!

Wer ein gutes Gefühl im rechten Bein hat, erkennt beim Bremsen, dass der Druckpunkt immer etwas später kommt. Dann gilt es, die Bremsbeläge zu checken. Ein anderer Grund kann aber auch ein Leck im Bremssystem selbst sein. Das ist am Bremsflüssigkeitsbehälter zu sehen: Wer Flüssigkeit nachkippen muss, sollte schleunigst nach der Ursache des Verlusts suchen.

Trommelbremsanlagen haben ihren Schwachpunkt häufig an den Bremszylindern. Ziemlich eindeutig zeigt sich ein solcher Schaden an aufgequollenem Lack an den Felgen. Grund: Die Bremsflüssigkeit ist sehr aggressiv. Bei Kontakt am besten mit Wasser reinigen, das neutralisiert ideal. Ein anderes Problem können Lecks an Bremsschläuchen, Leitungen oder an den Verschraubpunkten sein.

Zudem sind Verschleißschäden an Hauptbremszylindern nicht unüblich. Tritt Flüssigkeit aus, so erkennt man das an Lackabbeizungen am Bremskraftverstärker. Oder sie läuft direkt in den Verstärker, dann gilt es, den mitzuersetzen. Wer ihn erneuern muss, sollte nach einem Überholsatz fragen, der ist meist deutlich billiger.

Bremsflüssigkeit regelmäßig wechseln

Aber sogar wenn kein Defekt besteht: Bremsflüssigkeit ist hygroskopisch, zieht also Wasser an. Damit sinkt im Laufe der Jahre der Siedepunkt – im dümmsten Fall fängt die Flüssigkeit an zu kochen und der Druck geht flöten. Heißt: Bremsen klappt nicht mehr oder nur noch durch kräftiges Pumpen. Um das zu verhindern, sollte alle zwei Jahre die Bremsflüssigkeit erneuert werden.

Bei Vielfahrern sind dann oft auch die Bremsbeläge verschlissen – es bietet sich also an, im Rahmen der Bremsklotzerneuerung gleich die Flüssigkeit zu entlüften und aufzufrischen, um das sichere Anhalten zu gewährleisten. Und los: Kiste aufbocken – und unbedingt mit Unterstellböcken sichern. Nur in der Wüste darf man sich mit zwei Reifen unter dem Schweller behelfen. Auf jeden Fall müssen das Auto und der Schrauber gegen Herabfallen gesichert werden.

Nicht hängen lassen

Nach der Demontage der Räder kann der Bremskolben mit einem großen Schlitzschraubendreher vorsichtig zurückgepresst werden. Auf keinen Fall dürfen die sensible Manschette oder die Scheibe mit dem Werkzeug malträtiert werden. Bremssattel lösen, aber auf keinen Fall hängen lassen, um den Schlauch nicht zu belasten. Vermeidbar ist das mit einem Draht oder einem Gummi, das die Belastung durch Einhängen etwa an der Feder nimmt.

Mit einer großen Wasserpumpenzange kann der Kolben mit Gefühl zurückgedrückt werden, dabei ebenfalls darauf achten, dass die Kolbenmanschette nicht beschädigt wird (Lappen unterlegen). Die Laufflächen am Bremssattel mit der Drahtbürste schön sauber machen und mit Paste benetzen, damit es nicht quietscht und gut flutscht. Wer nur die Beläge tauscht, sollte die Laufflächen seitlich ein bisschen anfeilen. So passen sie sich schneller der Scheibe an.

Anzugsdrehmomente beachten

Der Zusammenbau lässt wenig Fehler zu – wenn etwas falsch ist, bekommt man alles nicht mehr zusammen. Wichtig: Herstellervorgaben zum Drehmoment der Halteschrauben einholen und bitte auch einhalten! Ebenfalls von enormer Wichtigkeit nach dem Wechsel ist das Pumpen des Bremspedals bis zum Druckpunkt. Ansonsten geht es beim ersten Bremsen direkt durch die Wand. Durch das Zurückstellen des Kolbens fehlt nämlich der Druck im System.

Für das Entlüften benötigt es eine zweite Person. Diese sitzt im Fahrzeug und betätigt gleichmäßig das Bremspedal, bis Druck aufgebaut ist. Die erste Person öffnet bei gedrücktem Pedal das Entlüftungsventil. Die Bremsflüssigkeit sollte so lange ausströmen, bis sie schmutz- und blasenfrei ist. Zum Auffangen eignet sich ein aufgesteckter durchsichtiger Schlauch, der in einer Flasche mündet. Erst wenn das Ventil geschlossen ist, darf die zweite Person das Bremspedal wieder loslassen. Das Entlüften beginnt immer an der am weitesten vom Bremsflüssigkeitsbehälter entfernten Bremse und endet an der nächsten. Wichtig: Den Behälter stets im Auge behalten und frische Flüssigkeit nachfüllen.

Klotz- und Scheibenkunde – Verschleiß erkennen

Bremsbeläge und -scheiben gehören zu den gängigen Verschleißteilen. Je nachdem, wie und auf welchen Strecken Autos bewegt werden (etwa auf der Nordschleife), können die Bremsklötze schon nach 10.000 bis 20.000 Kilometern fällig sein. Die Scheiben halten deutlich länger. Wer aber den Wechsel der Beläge versäumt hat, muss völlig unnötig die Bremsscheiben mitwechseln, weil diese dann vom Träger des Klotzes beim Bremsen beschädigt worden sind. Je nach Modell sind in diesem Fall gerne 100 Euro mehr zu bezahlen als nötig.

Prüfen und begutachten – so geht’s

▸ Üblicherweise wird der Verschleiß der vorderen Beläge auf der Fahrerseite als Erstes geprüft. Durch das Gewicht des Fahrers ist dort die höchste Belastung.

▸ Durch die Löcher in den Felgen lässt sich eine gute erste Diagnose stellen. Allerdings sollte man unbedingt auch die inneren Beläge auf Verschleiß prüfen.

▸ Defekte Bremsscheiben lassen sich durch tiefe Rillen und eine ungleichmäßig abgefahrene Lauffläche erkennen. Im Zweifel die Dicke nach Herstellervorgabe auf Verschleiß messen.

▸ Schrille Geräusche beim Bremsen deuten auf stark bis völlig abgefahrene Beläge hin. Das ist lebensgefährlich!