Audi RS6 vs. BMW-Alpina B5 vs. Mercedes-AMG E 63 S
Power-Kombis mit über 600 PS im Test

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Selten waren die Waffen so gleich, selten war der Sieger so klar. Wilkommen zu einem Dreikampf, der die Maßstäbe des Power-Kombis neu definiert. Im Ring stehen BMW-Alpina B5 Biturbo Touring, Audi RS 6 Avant Performance und Mercedes-AMG E 63 S 4Matic+ T-Modell.

Alpina B5 Biturbo Touring, Audi RS6 Avant Performance, Mercedes-AMG E 63 S T-Modell, Exterieur
Foto: Rossen Gargolov

Wie in jedem Job entwickelt man auch als Autotester eine gewisse Routine im Umgang mit bestimmten Dingen. Wenn so eine Horde Power-Kombis anrückt, beginnst du daher gleich mal, das notwendige Formulierungsbesteck herauszukramen: ein paar Gattungssynonyme, alle möglichen Instrumente, die für die verbale Nachvertonung von Achtzylindern nützlich sein könnten, also Trommel, Bass et cetera pp. Und natürlich legst du dir auch schon mal ein paar Relativierungen parat. Schließlich darf man in dieser Klasse keinen dafür in die Pfanne hauen, dass er auf der Strecke nicht ganz so dolle ist. Kurzum: Alles war bestens vorbereitet, doch dann kam da der E 63 S, auf den man nicht vorbereitet sein konnte. Wir nicht. Und seine Konkurrenz genauso wenig.

Alpina B5 Biturbo Touring, Audi RS6 Avant Performance, Mercedes-AMG E 63 S T-Modell, Motor
Rossen Gargolov
Einigkeit herscht beim Motorenkonzept und Leistungsgewicht.

Dabei scheint zunächst alles wie immer im Reich der Turbolader. Die Leistungsspirale hat sich seit dem letzten Gipfeltreffen munter weitergedreht, sodass man nun unisono in die 600-PS-Liga aufgestiegen ist – beziehungsweise aufsteigen kann, wenn man im Falle des regulär 560 PS starken Audi RS 6 Avant die Performance-Option zubucht. Auch motorkonzeptionell herrscht weiterhin Einigkeit. Alle formieren acht Zylinder zu einem Vau, alle engagieren zwei Turbolader zur Aufladung, und alle pfropfen sich ihre Turbinen zwischen die Zylinderbänke. Mercedes und Audi genügen dabei vier Liter Hubraum für 612 respektive 605 PS, der Alpina gönnt sich 4395 Kubik für deren 608.

Alpina als Charaktersache

Und Gönnen ist so ein bisschen das Motto des neuen B5 Touring, den die Mannen um Veredelungs-Gourmet Bovensiepen aus der BMW-Fünfer-Baureihe G31 destillieren. Er ist das Hideaway im Reigen automobiler Sportressorts, eine Fangopackung aus Drehmoment und Exklusivität. Sobald die Tür ins Schloss schmatzt, wird die Sphäre ganz privat. Die Fahrgeräusche reduzieren sich auf ein subtiles Fauchen des Motors, die opulenten Sitze umarmen einen bis in den Nackenbereich, während die Augen über das refurnierte Cockpit-Panorama schweifen, an Plaketten verharren und schließlich das virtuelle Dashboard fokussieren. Standardmäßig glimmen die Instrumenten-Fonds in klassischem Blau, in den Sportmodi mischt sich Grün dazu.

Markenfolklore zweipunktnull, wenn Sie so mögen. Die knuffigen Ziffern in der Mitte der beiden Halbrunduhren sehen in der eleganten Umgebung zwar etwas ulkig aus, der komplette Rest jedoch – ich betone: der komplette – könnte harmonischer nicht komponiert sein.

Vor allem die Kraftentfaltung ist ein Genuss. Sobald man den Gasfuß nach vorne kippt, breiten sich die 800 Newtonmeter im Körper des B5 aus, befallen im Nu jedes der vielen Kilogramm und versetzen die Insassen in einen sagenhaften Geschwindigkeitsrausch. Eindruck? Entspannung auf der Streckbank! Sachen gibt’s.

Audi RS6 Avant Performance, Motor
Rossen Gargolov
Akustisch gesehen haben die dicken Endrohrblenden des Audi einiges zu bieten.

Der Audi ist ein anderer Typ. Er wirkt weniger wattiert, geht offensiver mit seiner Ausrichtung um, fahrwerkt quer durch alle Modi etwas verbindlicher und untermalt seine Potenz mit einem regelrechten Akustik-Taifun. Wüstes Tosen, dumpfes Wummern, lautes Poltern – kein Vergleich zum verschmitzten B5. Das Bemerkenswerte an ihm: Außer an der geringeren Pixelzahl des Zentraldisplays merkt man nicht, dass der RS 6 schon ein älterer Bekannter ist. Die Automatik erledigt ihre Arbeit genauso sauber und fix wie ihr Pendant im BMW-Alpina; die Instrumente funktionieren keinen Deut schlechter, nur weil hier noch leibhaftige Zeiger über leibhaftige Zifferblätter zirkulieren; und auch an der belebenden Wirkung der 750 Nm ändern die Jährchen auf seinem Buckel nichts.

Im Gegenteil. Anders als der B5, der sich auf Gasgabe geradezu würdevoll erhebt, schnalzt der RS 6 rotzfrech los. Wenig Pedalweg entspricht schon einer gehörigen Portion Drehmoment, weswegen man im Stadtverkehr immer auf der Hut sein muss, damit man den Vordermann nicht versehentlich eine Kreuzung weiter rempelt. Irgendwie passt diese Aufmüpfigkeit aber auch prima zum Rest. Zur spitzen Lenkung und zum Handling, das sich quirliger und vitaler anfühlt, als es tatsächlich ist.

Drei Geschmacksrichtungen

Und damit wären wir dann beim E 63 T-Modell mit dem überaus eleganten Beinamen S 4Matic+, bei dem sich Fahrfeeling und die Real-Performance genau andersrum gegenüberstehen. Auch er lässt sich am energischen Bewegungsablauf und dem engen Sitzmobiliar direkt anmerken, dass mehr in ihm steckt als hunderte Liter Laderaum. Wie viel mehr, wagst du aber nicht einmal zu ahnen. Was einem Kombi besser steht? Die Suggestivdynamik eines RS 6? Oder das versteckte Potenzial des AMG? Fragen Sie mich was Leichteres.

Mercedes-AMG E 63 S T-Modell, Exterieur
Rossen Gargolov
Der wahr gewordene Kombi-Traum.

Sein Charakter? Herber als der sämige B5, aber schmalziger als der spritzige RS 6. Sein V8 klingt rauer, rhythmischer und düsterer als die der anderen, die Abstimmung des reaktiven Luftfahrwerks ist extrem definiert, und auch der Innenraum wirkt stellenweise nicht ganz so filigran und feingeschliffen. Über das Ultrabreitbild-Tablet lässt sich streiten. Den einen gefällt es, die anderen finden’s gruselig, wie es da unter der Überdachung des Armaturenträgers hängt. Definitiver Murks sind indes die Touchfelder auf den Lenkradspeichen, mit denen man durch die Verästelungen des Infodisplays klettern soll. Links, rechts, oben, unten – jede Daumenbewegung entspricht genau einem Menüschritt.

Im Bordcomputer mag das praktikabel sein, auf dem Weg durch eine DAB-Senderliste geht dir das permanente Weitergeschubse der Radiostationen aber dermaßen auf den Keks, dass du dich irgendwann einfach mit den Wildecker Herzbuben abfindest.

Andererseits braucht man natürlich auch Beschäftigung, jetzt, wo man den Akt des Fahrens auf Wunsch dem Auto übertragen kann. Ein Tastendruck, Tempomat einlegen, und Hokuspokus Fidibus, schon steuert der E 63 von Geisterhand durch Autobahnkurven; bremst, wenn ein Schnarchzapfen rausgezogen ist, und wechselt die Spur, sobald man den Blinker setzt. Schulterblick inklusive, klaro. Als Fahrer – Fahrer in Gänsefüßchen – muss man jedenfalls nicht viel mehr tun, als in regelmäßigen Abständen das Lenkrad zu berühren. Und das auch nur, weil es die Rechtslage so will. Mein Kommentar: Ich weiß nicht, was gruseliger ist. Die Sache an sich oder wie gut sie funktioniert.

Ehrlich gesagt taucht man aber auch im manuellen Fahrmodus nie so richtig tief in die Materie ein. Bei keinem hier. Verstehen Sie mich bitte richtig: Die drei sind keinesfalls zu oberflächlich, doch selbst wenn man sich kräftig reinkniet, scheint die Maschinerie stets einen größeren Beitrag zum Schnellsein zu leisten als der Mensch. Die Turbolöcher sind bei allen derart verkümmert, dass man sie vernachlässigen kann; Traktion wird von den Allradsystemen hergestellt, nicht mit der Zehenspitze; dazu gibt es ohne Ende Fahrmodi, Sportstellungen fürs ESP sowie Mittel gegen Wankbewegungen oder zur Steigerung der Agilität. Und selbst wenn man sich dazu durchringt, die Getriebe per Paddel zu bedienen, hängt nicht allzu viel vom eigenen Tun und Lassen ab. Mindestens acht Stufen, Schmackes ohne Ende – da ist es auf gut Deutsch völlig wurst, ob man jetzt den Vierten oder den Sechsten drinhat. Der Schub ist ultimativ. Immer. Hüben wie drüben.

Ein eindeutiger Sieger

Freilich ließen sich die jeweiligen Längsdynamikqualitäten über die Messwerte auseinanderpfriemeln. Nur finde ich, dass es bei zwei Tonnen schweren Kombinationskraftwagen jetzt nicht die ganz große Rolle spielt, ob die Trümmer nun in 3,4, 3,6 oder 3,7 Sekunden auf 100 prügeln. Deshalb nur kurz zur Einordnung: Alle drei beschleunigen auf dem Niveau eines 911 Carrera GTS, alle drei ziehen strammer durch als jeder Audi R8, und alle drei schrauben sich bei Bedarf in Tachogefilde um und über 300 km/h empor. Mit aufreizender Gelassenheit und ohne dass sich einer dabei als besser, imposanter oder souveräner hervortun würde. Die logische Konsequenz: Ein Kopf-an-Kopf-Rennen, das sich erst im Laufe der anderen Disziplinen auseinanderdividiert. Der Audi ist dabei der Erste, der Federn lässt. Im Slalom gerät er ins Schunkeln, dazu bremst er vergleichsweise matt. Beides wird ihn wurmen, ist letztlich aber nicht mehr als eine Randnotiz in einem Dreikampf, der sich am Ende zu einer One-Man-Show entpuppen wird.

Alpina B5 Biturbo Touring, Interieur
Rossen Gargolov
Der Alpina ist zumindest innen mehr Luxuslaster als Sportwagen.

Jetzt aber rein in den Spannungsbogen, der diesmal über das GP-Layout des Hockenheimrings verläuft und mit dem RS 6 seinen Anfang nimmt. Reifen warm rubbeln, Luftdruck runter, und ab geht die Post. Und wie die abgeht, meine Herren! Kurven sind jedenfalls eher lästig, obwohl der Audi mit ihnen umzugehen weiß. Beim Anbremsen und Einlenken sträubt er sich noch. Hat man ihn jedoch einmal reingehoben ins Eck, lockert er auf, wirkt im ersten Moment sogar zappelig, drückt sich über die Drehmomentverteilung entlang der Hinterachse aber neckisch herum. Die Zeit? Zwei Minuten und ein paar Zerquetschte, was insofern beachtlich ist, als der deutlich jüngere Alpina nur einen Wimpernschlag flinker ist. Wobei, „flink“ ist irgendwie das falsche Wort. Der B5 ist ein düsengetriebenes Sofakissen.

Und auch auf der Strecke kriegst du den Schaumstoff in seinem Fahrverhalten nicht herausgedrückt. Alpina hat zwar reichlich Hirnschmalz in die Abstimmung gesteckt, kürzere und straffere Federn sowie eigens konstruierte Querlenker implantiert, dennoch merkt man, dass sich hinter alldem nach wie vor der 550i verbirgt – jener BMW, der sich zuletzt als einer der leidenschaftlichsten Untersteuerer der jüngeren Markengeschichte erwies. Seine Vorderachse hat der B5 besser im Griff, das muss man sagen, das Heck jedoch macht trotz Drexler-Sperre und Hinterachslenkung nach wie vor den Anschein, als werde es nur mitgeschleift. Anstalten, quer zu treiben? Keinerlei. Doch wie eingangs angedeutet, ist das in dieser Klasse ja eher als Feststellung denn als Kritik gemeint.

Andersrum fällt das Kompliment natürlich umso größer aus, wenn sich Nutzwert und Entertainment nicht im Wege stehen – oder sich sogar gegenseitig hochschaukeln. Und damit verneigen wir uns vor dem AMG, dessen Auftritt dem Poledance eines Möbelpackers gleicht. Untersetzte Statur, Arbeitsklamotte, stramme Schenkel. Und dann turnt der da an dieser Ideallinie herum, dass du glaubst, du siehst nicht recht. Die Show beginnt schon beim Einlenken.

Lamborghini Huracán Performante, Porsche 911 GT2 RS, Rennstreckengraphik
Hans-Dieter Seufert
AMG-Dominanz auf dem Rundkurs von Hockenheim.

Mit den anderen beiden tastest du dich in Ecken hinein, füßelst nach dem Reifengrip und musst permanent aufpassen, dass er dir nicht wieder abhanden kommt. Der Mercedes hingegen packt den Kurvenverlauf schon von sich aus am Krawattl, stürzt sich waghalsig in die Querbeschleunigung, bohrhämmert durch den Scheitelpunkt und wirkt dabei so agil, so handlich und so neutral, dass du dich immer wieder umschaust und nachguckst, ob er nicht vielleicht irgendwo unterwegs den Frachtraum abgeschüttelt hat. Sen! Sa! Tio! Nell!

Lieber RS 6, sehr verehrter B5, ihr seid wirklich toll, alle beide. Aber dieser E 63 ist eine andere Welt – die Synthese aus Praktikabilität und Pornografie. Einzigartig, total bekloppt und am Ende leistungsgerechte drei Sekunden schneller als der Rest. Ja, drei! Die große Frage: Woher rührt so ein Vorsprung, wo die Truppe leistungsgewichtsmäßig doch voll auf einer Wellenlänge liegt? Klar, Erfolg ist immer ein Zusammenspiel vieler Faktoren, hier dürfte der spezielle Allradantrieb aber der entscheidende sein. Er regelt die Kraftverteilung stufenlos und vollvariabel, wobei die Hinterachse stets, die Vorderachse je nach Bedarf angetrieben wird. Und das steigert ganz offensichtlich nicht nur die Beweglichkeit, sondern schafft gleichzeitig auch Raum für Schabernack. Race-Modus an, ESP aus, Getriebe auf manuell, beide Paddel ziehen, noch mal bestätigen, und das Sesam öffnet sich. Piep! Driftmodus aktiv. Im Kombi. Heiland!

Was dann folgt, ist die Kür der Kür, ein Michelin-Barbecue der allerfeinsten Sorte, das damit endete, dass wir alle Relativierungen, die wir für den E 63 anfangs so schön vorbereitet hatten, feierlich in die Tonne kloppten.

Fazit

Ich bin völlig baff und schwer begeistert von E. T., dem Außerirdischen, der im Kontext seines Konkurrenzumfelds betrachtet wohl nichts anderes ist als der überzeugendste und vielleicht sogar beste AMG aus 50 Jahren. Dass er schiebt bis zum Abwinken, ist ebenso Tradition wie das herrische Geboller seines V8, das Handling jedoch ist eine Sensation, vor allem weil es hier keinen Wunderreifen gibt, der irgendetwas relativieren würde. Nein, es ist allein das Auto, das dem Begriff des Pampers-Bombers endlich zur Ehre gereicht. Vollumfänglich. Die anderen? Gucken verdutzt, büßen auf der Runde rund drei Sekunden ein und in der Endabrechnung sechs beziehungsweise 13 Wertungspunkte. Eigentlich darf man ihnen dafür aber nicht den leisesten Vorwurf machen. Beide, der Alpina wie der Audi, erfüllen jede Erwartung. Mindestens. Sie sind geradeaus pfeilschnell, dazu agiler, als es der Großteil ihrer Klientel von ihnen verlangen wird, und auf ihre jeweilige Art hervorragende Power-Kombis – nur dass die Bedeutung dieses Begriffs ab sofort nicht mehr dieselbe ist.

Technische Daten
Alpina B5 Biturbo Touring Audi RS 6 Avant performanceMercedes AMG E 63 S T 4Matic Mercedes-AMG S
Grundpreis115.300 €118.000 €125.224 €
Außenmaße4956 x 1868 x 1466 mm4979 x 1936 x 1482 mm4933 x 1852 x 1475 mm
Kofferraumvolumen570 bis 1700 l565 bis 1680 l640 bis 1820 l
Hubraum / Motor4395 cm³ / 8-Zylinder3993 cm³ / 8-Zylinder3982 cm³ / 8-Zylinder
Leistung447 kW / 608 PS bei 5750 U/min445 kW / 605 PS bei 6100 U/min450 kW / 612 PS bei 5750 U/min
Höchstgeschwindigkeit322 km/h250 km/h290 km/h
0-100 km/h3,7 s3,6 s3,4 s
Verbrauch10,8 l/100 km9,6 l/100 km9,1 l/100 km
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Sport Auto 03 / 2022
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Erscheinungsdatum 04.02.2022

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