BMW M4 CSL im Test
Ist er ein echter CSL?

Nach zwei Generationsrunden GTS poliert BMW das Kürzel CSL auf, pappt es an das Carbon-bürzelige Heck des M4. Mehr nicht? Oh doch! Was den neuen Marken-Helden auszeichnet und zu welchem Fahrerlebnis die Modifikationen führen, lässt sich bei einer intensiven Begegnung auf Rennstrecke und Landstraße herausfinden.

BMW M4 CSL
Foto: Arturo Rivas

Ein ganz leichtes Seufzen. Eines, das sich in etwa so anhört, als drücke man die Luft aus einem mit Hackfleisch gefüllten Gefrierbeutel vor dem Verschließen. Jedenfalls klingt es ähnlich, wenn du dich in die Sitzschale des M4 CSL reinschrumpfst. Nur was für Jockeys? Nein. Aber passgenau. Herrlich passgenau. Und nein, lieber Ernest Hemingway, es tut nicht weh. "Schreiben Sie hart und klar darüber, was wehtut", befand der Schriftsteller dereinst. Selbst nach Stints von drei bis vier Stunden bereitet der Sitz (Fahrer- und Beifahrer-Exemplar sollen gegenüber dem Standardsitz 24 kg sparen, gegenüber den im Competition verfügbaren Schalen immerhin 14,8 kg) keine Schmerzen.

Unsere Highlights

Restkomfort vorhanden

Wie überhaupt der ganze CSL einem durchaus den Eindruck vermittelt, dass die Rennstrecke für den nächsten Trackday gerne weiter weg gelegen sein darf. Monza? Och, warum nicht. Spa? Sowieso, am besten gleich im Doppelpack mit dem Nürburgring. Ascari? Na, übertreiben muss man es jetzt auch nicht. Jedenfalls passen Sitzkomfort und Ergonomie, dazu bietet der CSL ein markentypisch stabil und schnell arbeitendes Infotainment und reichlich Platz für Gepäck (auch weil die Rücksitzbank fehlt, minus 21 kg).

Dass das Fahrwerk keine Wattebäuschchen als Lager nutzt, überrascht natürlich nicht: Der Hinterachsträger ist bereits seit der Vorgänger-Baureihe starr mit der Karosserie verschraubt; beim CSL ersetzen vier Kugelgelenke die Exemplare aus Gummi. Dazu: mehr Sturz an der Vorderachse, Zusatzfedern vorn und hinten, spezielle Stabis sowie eine Tieferlegung der Karosserie um acht Millimeter. Ein knallhartes Set-up also für eben asphaltierte Grand-Prix-Kurse? Dann hätte Werksfahrer Jörg Weidinger das Coupé wohl kaum in 7.20,2 Minuten über die wellige Nordschleife prügeln können. Auch wenn du den CSL über eine handelsübliche Autobahn scheuchst, die A 81 gen Süden vielleicht, tanzt das Fahrwerk nicht mit deinen Bandscheiben Tango. Zudem lässt die Lenkung genügend Spielraum aus der Nulllage heraus, um mehr Konzentration auf den immensen Schub zu verwenden, den das Dreiliter-Biturbo-Triebwerk generiert.

572 PS und 704 Nm

BMW M4 CSL
Arturo Rivas
Auf dem Prüfstand leistet der CSL 572 PS und entwickelt ein maximales Drehmoment von 704 Nm anstelle der angegebenen 550 PS und 650 Nm. „M-Fahrzeuge streuen nach meiner Beobachtung generell nach oben“, kommentiert Kfz-Sachverständiger Moritz Müller die Daten.

Jetzt verdichtet die M3/M4-Generation G80/82 ohnehin schon jeden Verdacht auf Dösigkeit in ihren Brennräumen zu einem hochexplosiven Gemisch, doch die 550-PS-Variante legt los, als wolle sie den 1,6 Tonnen schweren BMW wie einen Pfeil durch ein Blasrohr in den Hintern eines Elefanten jagen. Allein das Starten des Motors hebt die durch grassierende Elektromobilität zu erkalten drohende Beziehung auf das frühere Niveau hoch temperierter Emotionen: heißes, tiefes, raues Brodeln bei gegenüber der Basis leicht erhöhter Leerlaufdrehzahl. Eine seltsam ruhige Unruhe wabert durch die Dämmmaterial-reduzierte Karosserie, mit spürbaren Vibrationen durchsetzt, unter anderem durch die links wie rechts identischen, nun deutlich steiferen Motorlager. Kein nervöses An-der-Kette-Zerren zwar, aber doch die klare Aufforderung, den Wählhebel in Position D zu rücken und zu starten. Mindestens in Richtung zahlreicher, aufgrund gegebener Höhenmeter sich windender Landstraßen – oder eben in Richtung Rennstrecke.

Gerne auch beides, so wie jetzt: durch den Schwarzwald in Richtung Elsass zum L’Anneau du Rhin. Dabei immer wieder durch das Drehzahlband hetzen, nicht etwa, weil es im Sinne ultimativen Vortriebs gegeben wäre, sondern weil es dich packt, weil dich der Antrieb packt: 550 PS und 650 Nm; im Fall des Testwagens darf es nach der allgemeingültigen Fleischwarenfachverkäufer-Philosophie gern etwas mehr sein. 572 PS und 704 NM drückt der BMW auf der Rolle. Fürs Protokoll: nullhundert in dreiacht, nullzweihundert in elfdrei; Sekunden, natürlich. Die Abweichungen zu den Werksangaben lassen sich mit der Tatsache erklären, dass jene auf den kleisterigen Michelin Pilot Sport Cup 2R ermittelt wurden, der Testwagen allerdings auf den erheblich alltagstauglicheren, gleichfalls auf den CSL abgestimmten Pilot Sport 4S rollt. Und damit, dass die auto motor und sport-Messungen traditionell mit Beifahrer stattfinden.

Patsch! Nächster Gang, der vierte, donnerbassgewitterndes Hochdrehen in Richtung der 7000/min-Marke, akzentuiert mit einer leicht metallisch-scheppernden Note vom Endschalldämpfer aus Titan. Ja, auch im CSL verstärkt die Elektronik künstlich den echten Klang, die fehlende Dämmung erlaubt aber eine geringere Intensität. Die Gesamtkomposition jedenfalls wirkt authentisch, reißt dich mit, lässt dich mit dem Motor spielen. Tief und unverrückbar in die Carbon-Schalen integriert, schreckst du nicht vor dem Tempo zurück, forderst gerne mehr, umfasst das leicht raufaserige Alcantara-Lenkrad noch ein wenig fester, registrierst die unbedingte Rückmeldung von den 275er-Vorderrädern.

Motor mit Chiptuning

BMW M4 CSL
Arturo Rivas
Äußerlich unterscheidet sich das Aggregat nicht zu dem des regulären M4. Ausschließlich wurde der Ladedruck angehoben und die Federraten der Motorlager erhöht.

Wie sehr also stellen die M-Spezialisten das S58-Triebwerk auf den Kopf? Eigentlich: überhaupt nicht. Der Ladedruck steigt bei identischer Hardware von 1,7 auf 2,1 bar relativ – das war’s. Selbst das Kühlsystem entspricht dem M3/M4-Standard, abgesehen von einer geänderten Wärmemanagement-Applikation in der Motorsteuerung. Natürlich verweist BMW M in diesem Zusammenhang gerne darauf, dass das Triebwerk von Beginn an auf den Einsatz im GT3-Rennwagen vorbereitet gewesen sei.

Stimmt, Rennstrecke, da war ja was. In den Fahrdynamik-Disziplinen Slalom und doppelter Spurwechsel gelingt es dem CSL, sich zum König der Baureihe zu krönen – eben ohne jenen wilden Cup-Reifen, der eigentlich nur nach Vorwärmung per Heizdecke (die BMW übrigens nicht anbietet) und dann lediglich für zwei, maximal drei schnelle Runden taugt. In L’Anneau du Rhin kristallisiert sich ebenfalls bald dessen Verzichtbarkeit heraus, speziell dann, wenn zu den eher niedrigen Temperaturen noch Feuchtigkeit hinzukommt. Kein Spaß- und erst später Haftungsabriss, Runde um Runde raufen, balgen, toben, mit der Wucht des Antriebs jonglieren, die unerhörte Festigkeit der Vorderachse feiern, die generösen Gierraten der MDM-Zwischenstufe der Regelelektronik nutzen und genießen.

Präzise Vorderachse, leichtes Heck

BMW M4 CSL
Arturo Rivas
Da lässt sich auch der CSL nicht lange bitten: Querfahren geht immer, verlangt wegen der Traktion festen Vorsatz.

Bereits in Kurve drei, einer 180-Grad-Links, fängt dich der CSL mit seiner so viel präziser ausbalancierten Lenkung auf, die ihn deutlich von seiner Basis abhebt: Haltekräfte und Lenkwinkelaufbau wirken deutlich natürlicher, verlässlicher, dazu die klarere Rückmeldung. Alles das braucht’s, denn natürlich fährt der M4 auch als CSL nicht aus seiner nun von viel Carbon durchwirkten Haut, pardon, Karosserie. Sprich: Er bleibt ein Raufbold, einer, der dir gerne sein Heck um die Ohren haut, in der Erwartung, dass du es einfängst – allerdings auf einem wesentlich höheren Tempo-Niveau. Und selbst dabei erlaubt sich der BMW Schattierungen, vom schlagartigen Haftungsabriss (ähnlich jenem, wenn ein Fingerhakler seinen Gegner zum Sieg über den Tisch zieht) bis hin zur formvollendeten Watsch’n mit entsprechendem Ausholschwung – immer abhängig von der durch den Kurvenradius bedingten Eingangsgeschwindigkeit.

An dieser Grundtendenz ändert natürlich die zehnstufige Traktionskontrolle nichts; sie hilft aber, die Macht des maximalen Drehmoments zu kanalisieren. Zu Reifen und Streckenbedingungen am Testtag passen die Stufen 4 und 5 am besten, alles darüber berücksichtigt vor allem die spitzen R-Reifen, alles darunter vorwiegend den Driftwinkel.

Und doch klappt das alles auch ganz ohne den Antrieb im Sport-Plus-Modus, dazu die Dämpfer, Lenkung und Bremspedal im Sport-Modus. Wobei es bei Letzterem wirklich wurst ist, denn auch bei leicht verschobenem Druckpunkt bleibt dieser klar fühlbar. Die Verzögerungswerte passen eh. Vorsicht, falls es der Hintermann nicht mehr packt: Allein der bürzelige CFK-Kofferraumdeckel kostet rund 16.000 Euro als Ersatzteil. Was fehlt noch? Das Getriebe. Es kommt gut alleine klar, doch selbst an den Paddeln zu zupfen, gibt dir insofern ein heldenhaftes Gefühl, als du es selbst in den Fingern hast, wann dir das Schleppmoment eine leichte Kopfnuss erteilt, aus der sich öffnenden Kurve zwei beispielsweise. Nur beim Herunterschalten fehlt es ein bisschen an Dramatik, hier dürfte das Getriebe sein Wandler-Konstruktionsprinzip verbergen.


Was nichts daran ändert, dass der M4 als CSL fahrdynamisch begeistert, für seine begehrenswerte Erscheinung gefeiert werden darf, sich technisch im Gegensatz zu seinen Vorgängern (egal ob CSL oder GTS) allerdings nur wenig von der Basis abhebt – zu wenig. Dafür aber preislich, und das gewaltig. Also sei zum Schluss Gerhard Polt zitiert, das bayerische Urmeter des Kabaretts: "Ohne Geld wäre Armut gar nicht denkbar."

Umfrage
BMW M3 CS oder M4 CSL?
1750 Mal abgestimmt
BMW M3 CS
BMW M4 CSL
Keinen
Vor- und Nachteile
Karosserie
hervorragende Sitze
tiefe Sitzposition
sehr gute Ergonomie
alltagstaugliches Platzangebot
eingeschränkte Rundumsicht
Fahrkomfort
spürbarer Rest an Federungskomfort
BMW-typisch funktionales Infotainment
Antrieb
druckvolle Leistungsentfaltung
beeindruckende Fahrleistungen
charaktervoller Klang
passende Gangabstufung
Getriebe schaltet etwas trantütig zurück
Fahreigenschaften
sehr hohes Grip-Niveau, speziell an der Vorderachse akkurat rückmeldende Lenkung
gewinnt erst sehr schnell gefahren an Geschmeidigkeit
Sicherheit
konstante Verzögerung auf hohem Niveau fein abgestimmte Regelsysteme
Umwelt
lässt sich durchaus sparsam bewegen
wenig gefahrenes Sammler-Objekt
lange Wartungsintervalle
man wird ihn leider nur selten zu sehen bekommen
Kosten
drei Jahre Garantie
lange Wartungsintervalle
voraussichtlich sehr wertstabil
extremer Mehrpreis zur Basis

Fazit

Der CSL hebt die M-typische Raufboldigkeit auf ein neues, heftiges Tempo-Niveau – selbst ohne die kapriziösen Cup-2R-Reifen. Trotz des begehrenswerten Gesamtpakets allerdings wirkt der Preis absurd.

Technische Daten
BMW M4 CSL M
Grundpreis165.200 €
Außenmaße4794 x 1921 x 1386 mm
Kofferraumvolumen440 l
Hubraum / Motor2993 cm³ / 6-Zylinder
Leistung405 kW / 551 PS bei 6250 U/min
Höchstgeschwindigkeit307 km/h
0-100 km/h3,8 s
Testverbrauch11,3 l/100 km
Die aktuelle Ausgabe
AUTO MOTOR UND SPORT 11 / 2024
AUTO MOTOR UND SPORT 11 / 2024

Erscheinungsdatum 08.05.2024

148 Seiten